Elisabeth Radunz

Johann Georg Stammberger, 
ein Porzellanmaler und Freiheitskämpfer

Die Grundrechte der Menschen, die durch die Französische Revolution in den Begriffen „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" einem großen Teil der europäischen Bevölkerung bekannt gemacht wurden, fanden in aufgeschlossenen und gebildeten Kreisen Deutschlands ein lebhaftes Echo, so dass das Streben nach Freiheit und politischer Mündigkeit durch die Befreiungskriege noch verstärkt wurde. Die vollkommene Restauration der Macht der Fürsten aber nach dem Wiener Kongress machte die nationalen und liberalen Hoffnungen zunichte.

Der Unwillen der studentischen Jugend über diese Entwicklung fand seinen ersten Ausbruch auf dem Wartburgfest im Jahre 1817. Allgemein bekannt ist auch, dass der geistige und politische Gärungsprozess zur Ermordung des russischen Staatsrates und Dichters August von Kotzebue am 23. 3. 1819 in Mannheim durch den Theologiestudenten Karl Ludwig Sand aus Wunsiedel führte. Die Regierungen des Deutschen Bundes, die mehr oder weniger unter dem starken Einfluss von Metternich standen, fassten daraufhin die sogenannten Karlsbader Beschlüsse, durch die zunächst die politischen Kräfte in Deutschland gehemmt wurden. Die durch die südeuropäischen Länder gehende Revolutionswelle der zwanziger Jahre hatte in Deutschland vorerst noch keine Auswirkungen. Erst um 1830 (Julirevolution in Frankreich) machte sich in Deutschland wieder eine wachsende geistige Unruhe bemerkbar, die durch verschiedene Maßnahmen der Fürsten noch gedämpft werden konnte. Die wachsende politische Aktivität der progressiven Kräfte in der deutschen Jugend wurde in einem stärkeren Maße im Südwesten Deutschlands (Baden) deutlich. Höhepunkt dieser Bestrebungen war das Hambacher Fest vom 27. bis 30. 5. 1832, eine Volksversammlung auf dem Hambacher Schloss bei Neustadt an der Hardt. Hier trafen sich nicht nur Vertreter der akademischen Jugend, sondern auch breite Kreise des Kleinbürgertums und der Handwerkerschaft. Mit Nachdruck wurde die Bildung einer national - deutschen Demokratie propagiert. Als Reaktion der deutschen Fürsten auf diese Forderung folgte eine verschärfte Anwendung der Karlsbader Beschlüsse mit einer Welle von Verboten und Verhaftungen im ganzen Land, die bis in die kleinsten Orte des damaligen Deutschland zu spüren war.

In den Strudel der Verfolgungen geriet auch der aus Schney stammende und dort ansässige Porzellanmaler Johann Georg Stammberger, der vom königlich - bayerischen Gericht in Bamberg am 26. 10. 1834 zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Ihm waren „fortgesetztes Verbrechen des nächsten Versuches des Hochverrates" und „Verletzung der dem Monarchen gebührenden Ehrfurcht" nachgewiesen worden. Aus den in Bamberg liegenden Prozessakten lassen sich die „Verfehlungen" und Gesetzesverstöße des jungen Mannes aus Schney rekonstruieren.

Johann Georg Stammberger war am 9. 4. 1809 als Sohn des Bauern Erhard Stammberger und seiner Frau Dorothea in Schney geboren. Er erlernte den Beruf eines Porzellanmalers in der Schneyer Porzellanfabrik. Während seiner Gesellenzeit hatte er wahrscheinlich in anderen deutschen Porzellanmanufakturen gearbeitet. Porzellanmaler war seinerzeit ein qualifizierter Beruf, der zum Kunsthandwerk zählte. Deshalb genossen die Angehörigen dieses Berufes bei der Bevölkerung hohes Ansehen. Nach der Anklageschrift wurde dem jungen Mann aus Schney vorgeworfen, von einem Studenten in Heidelberg ein gedrucktes Exemplar eines Liedes erhalten zu haben, das den Titel „Das deutsche Treibjagen" trug, und dieses Lied in Coburg in der Öffentlichkeit, nämlich im Fischer'schen Gesellschaftsgarten, lautstark gesungen zu haben. Der Text des Liedes lautet:

 

Teutscher Rundgesang

1. Fürsten zum Land hinaus,
nun kommt der Völkerschmaus! Raus!

2. Erst jagt den Kaiser Franz,
dann den im Siegerkranz! Schub!

3. Bayernland ans Gewehr,
Ludwig geniert gar sehr! Fort!

4. Adlig Hannoverland,
du wirst zur Affenschand! Pfui!

5. Der schönste Schwabenstreich
war Wilhelm aus dem Reich! Raus!

6. Sachsen wo bleibst du dann?
der Mitregent muss dran! Auf!

7. Zarter Kurfürstensohn,
dein Stündlein läutet schon! Bim!

8. Jagt den Vermeintlichen,
bürgerlich freundlichen! Hetzt!

9. Odenwald schleift die Sens,
zieh in die Residenz! Au!

10. Jagt über Feld und Au
NasSau und DesSau! Heißa Sau!

11. Greiz, Schleitz und Lobenstein,
husch in ein Mausloch hinein! Katz!

12. Lichtenstein und Vaduz,
ist ja nur lauter Utz! Utz!

13. Braunschweig und Mecklenburg
brennen beizeiten durch! Durch!

14. Die freien Städte auch,
sind ja nur Bäckerrauch! Ha!

15. Quote milieu träges Thier,
Rothschild und Staatspapier! Hepp!

16. Jagt all die Dreißiger,
Fußvolk und Reißige! Piff, Paff, Piff, Puff, Paff!

17. Nun ist's im Lande Raum,
jetzt pflanzt den Freiheitsbaum! Hoch!

 

Der Text spricht eine deutliche Sprache und offenbart den Willen der jungen Revolutionäre. In der Urteilsverkündung heißt es u. a., dies Lied sei unverkennbar für die niedere Volksklasse gedichtet und enthalte deshalb so derbe Ausdrücke. Stammberger behauptete zwar in seiner Verteidigung, dass er den Text nur einigen Bekannten mitgeteilt und das Lied wegen seiner lärmenden Melodie nur mit wenigen Freunden gesungen habe. Das Gericht wies ihm aber nach, dass er den Text des Liedes einem jungen Coburger Maler namens Ernst Fischer zum Abschreiben gegeben habe. Auch die spätere Vernichtung der Blätter könne nicht als strafmildernd betrachtet werden, da nach Meinung des Gerichtes Stammberger durch die Beseitigung des Textes mit dem „verbrecherischen Inhalt" bewiesen habe, dass ihm die sträfliche Handlungsweise seines Tuns bewusst gewesen sei.

Johann Georg Stammberger hatte den Text auf einer Kneipe während des Hambacher Festes erhalten. Nach seinen Aussagen sei er aus eigenem Entschluss zu diesem Treffen gefahren, er habe von niemandem einen Auftrag oder Reisegelder bekommen. Die anderen „patriotischen" Lieder, die er in Hambach von Gesinnungsgenossen erhalten habe, wurden bei einer Hausdurchsuchung nicht mehr gefunden. Stammberger sagte vor Gericht aus, dass er sie selbst vernichtet habe, um nicht in Ungelegenheiten zu kommen.

Im weiteren Prozessverlauf wurde ihm vorgeworfen, zu engen Kontakt zu verdächtigen Personen in Coburg gepflogen zu haben, so zu der Fischer'schen Gesellschaft und den Bediensteten des Malers Schmid in Coburg. Ferner habe er Verbindung zu der „Gesellschaft zum grünen Bunde", und sei zahlendes Mitglied des Vereins für die Freie Presse bis zu deren Auflösung gewesen. Weiter wurde ihm vorgeworfen, in einem Brief an den Schullehrer Köppel den Mord an Kotzebue gebilligt zu haben. Ganz entschieden aber wurden ihm seine Beziehungen zu polnischen Offizieren, die zu der Zeit besonderen revolutionären Ruf genossen, angelastet.

Stammberger hatte auch Pfeifenköpfe aus Porzellan, die damals ein wichtiges Utensil der Raucher waren, mit revolutionären Aufschriften versehen. Ein Exemplar wurde in seiner Wohnung gefunden und dem Gericht als Beweisstück vorgelegt.

Ein gedrucktes Exemplar einer Predigt des evangelischen Pfarrers Karl Juch von St. Wendel, die dieser am Weihnachtsfest 1831 in der Öffentlichkeit gehalten und die den Titel „Tugend - Wahrheit - Recht" getragen habe, wurde bei der Hausdurchsuchung gefunden. Nach Ansicht des Gerichtes enthielt der Inhalt der Predigt majestätsbeleidigende Passagen. Der Besitz solcher Schriftstücke und die Verbreitung ihres Inhaltes waren strafbar. Vor Gericht sagten die Eltern des Angeklagten, dass sie das Exemplar der Predigt nicht von ihrem Sohne bekommen hätten, der Vater behauptete, die Schrift von einem Bilderhändler erstanden zu haben. Die Mutter und die beiden Brüder Stammbergers bestätigten vor Gericht die Aussage des Vaters. Um so mehr muss man den Mut und das offene Bekenntnis des jungen Schneyer Revolutionärs respektieren, der offen bekannte, diese gedruckte Predigt gekauft und in Coburg öffentlich verlesen zu haben.

Neben den bisher angeführten Tatbeständen stützte sich die Anklage gegen Johann Georg Stammberger noch ausdrücklich auf zwei von ihm verfasste Briefe an seine Eltern vom 10. 2. und 31. 5. 1832, die die Anklage als „politisches Glaubensbekenntnis" des jungen Revolutionärs bezeichnete. In dem ersten Brief sprach er von der Freiheit und Einheit Deutschlands, ermahnte seine Eltern, die „Deutsche Tribüne" zu lesen und dem Presseverein beizutreten. Er hege die Erwartung, dass die Einwohner von Schney nicht die letzten im Kampfe für die Freiheit Deutschlands sein werden. Im zweiten Brief, den er aus Heidelberg geschrieben hatte, berichtete er über das Hambacher Fest und seinen Aufenthalt in Würzburg. Er schrieb, er habe die Überzeugung, dass der Aufrechterhaltung der Maßregeln des Deutschen Bundestages in Frankfurt/Main zur Unterdrückung der Verfassung und der Anwendung von Gewalt durch die Regierung wieder mit Gewalt begegnet werden müsse. Er betonte, dass dies das Recht des Volkes sei. Diesem Brief fügte er einen Aufsatz bei, der nicht im Briefstil verfasst und nicht an die Eltern gerichtet war, sondern, so meinte das Gericht, zur weiteren Verbreitung bestimmt sei. In diesem Aufsatz wurden alle Deutschen zum Umsturze der Staatsverfassung aufgefordert. Dass der bayerische Staat in diesem Aufsatz nicht namentlich erwähnt war, wurde strafmildernd anerkannt. Obwohl dieser z. Brief an seine Eltern nach Schney adressiert und dort zugestellt worden war, wurde er in der Coburger Wohnung des Angeklagten gefunden.

Den Eltern des Angeklagten lastete man die Briefe nicht an, das Gericht war der Meinung, dass sich Vater und Mutter als schlichte Bauersleute im hohen Alter wohl nicht zum verräterischen Aufruhr bewegen ließen. Der Angeklagte jedoch wurde beschuldigt, die Eltern als Mittler benutzt zu haben, da er wusste, dass der Vater stets die Briefe seinen Brüdern und dem Kantor zum Lesen gegeben habe.

All diese „sträflichen" Taten genügten den Richtern, den 24-jährigen Porzellanmaler am 11. 10. 1834 in Bamberg zu einer achtjährigen Zuchthausstrafe, die mit einer Abbitte vor dem Bildnisse seiner Majestät verbunden war, zu verurteilen. Das Gericht ordnete weiter an, dass Stammberger sämtliche Untersuchungs-, Verpflegungs- und Verteidigungskosten zu tragen habe. Von einer weiteren Geldstrafe wurde abgesehen, da auf seinem Vermögen von 1.333 Gulden und 37 Groschen die Unterhaltungspflicht für seine Eltern lastete.

Dem Gericht erschien dieses Urteil noch als milde, denn zu der damaligen Zeit hatte allein der Versuch des Hochverrates Kettenstrafe oder Zuchthaus auf unbegrenzte Zeit zur Folge. Die Höchststrafe wurde nicht verhängt, weil man dem Angeklagten zugute hielt, er sei von anderen verführt und durch das Lesen schlechter Tagesblätter verblendet worden. Die lange Untersuchungshaft wurde angerechnet.

Wegen seiner niederen Herkunft und wegen seines relativ geringen Bildungsstandes wurde ihm auch die Vergünstigung einer Festungshaft nicht zuerkannt. So musste er die ersten Monate seiner Zuchthausstrafe vom Oktober 1834 bis zum Mai 1835 mit Kriminellen in der Strafanstalt Lichtenau verbüßen.

Ober diese jammervolle Zeit berichtet er viele Jahre später, nämlich am 22. Juli 1869, in einem Gesuch an den König um Aufbesserung seiner Verhältnisse:

„Dort war ich, ohne Rücksicht auf meinen höheren Bildungsgrad, in die beständige Gemeinschaft gebracht mit den ruchlosesten gemeinen Verbrechern, dort schmachtete ich in finsteren, feuchten Lokalen, wo die abscheulichsten Krankheiten einheimisch waren und dem Gesundesten wenigstens der Skorbut befiel; abwechselnd gequält von dem furchtbaren Gedanken, im Zuchthause unter einem Auswurf der Menschheit, entehrt selbst nach dem Tode, aus dem Leben zu scheiden und dann wieder vom Wunsche der Verzweiflung, dass der Tod meinem Elend, je eher, desto lieber, ein rasches Ende mache. Und dazu kamen, dass nicht etwa, wie jetzt manchmal, ein gebildeter und humaner Vorstand der Strafanstalt die Leiden der unglücklichen Sträflinge milderte: im Gegenteil, der damalige Polizeikommissär Jägerhuber sah seine Aufgabe darin, die Gefangenen, und zwar je gebildeter einer war, desto raffinierter, auf jede nur denkbare Weise zu quälen."

Am 23. 5. 1835 wurde einer Bitte des Verurteilten stattgegeben; König Ludwig von Bayern übersandte an das königliche Appellationsgericht für den Obermainkreis folgendes Begnadigungsschreiben:

„Wir gestatten allergnädigst, dass der Büßer Georg Stammberger in seinem dermaligen Straforte Lichtenau, solange er fortfährt, sich ordentlich zu betragen und die Handhabung der Hausordnung nicht eine andere Verfügung erheischt, von den dortigen übrigen Züchtlingen abgesondert werde und sich mit der Porzellan‑Malerei beschäftigen dürfe." 

Wiederholt reichten Stammberger und seine Eltern Begnadigungsgesuche ein. Schließlich setzte König Ludwig, als er am 14. 1. 1836 in Athen weilte, die Strafzeit des Malers auf vier Jahre herab. Weitere Gesuche um vorzeitige Entlassung wurden nicht gewährt, obwohl Stammberger dem König noch ein selbstgefertigtes Gemälde überreichen ließ.

Mit der Entlassung aus dem Zuchthaus nach der Verbüßung der vierjährigen Zuchthausstrafe dürfte die revolutionäre Epoche im Leben des jungen Schneyers beendet gewesen sein. Für sein politisches Engagement und sein Eintreten für die demokratischen Grundrechte musste der junge Mann mit nahezu sechs Jahren seines Lebens büßen. Eine Strafe, die uns heute in keiner Weise seinem Vergehen angemessen erscheint.

Um so erstaunlicher ist es, dass Johann Georg Stammberger nach seiner Haftentlassung mit ungebrochenem Mute daran ging, sein Leben zu meistern. Obwohl er doch sechs Jahre unter Haftbedingungen leben musste, die uns kaum noch vorstellbar sind, baute er sich nach Rückkehr in die Freiheit eine neue Existenz auf. Aus dem Schneyer Kirchenbuch erfahren wir, dass er in Passau Maria Kunigunda Gutbrecht heiratete. Wie die Familienforschung seiner Nachfahren ergab, gründete er in Passau eine Porzellanfabrik, in der er vorwiegend Türkenbecher herstellte, das sind kleine, henkellose Mokkatassen, die für den Export auf den Balkan und in den Orient bestimmt waren. Leider ist sein erfolgversprechendes Unternehmen ein Opfer der internationalen Handelspolitik geworden. Da Bayern die aufständischen Griechen in ihrem Kampfe gegen die türkische Herrschaft in reichem Maße unterstützte, erließ die Pforte einen Handelsboykott gegen Importe aus Bayern. Mit dieser Maßnahme verlor Johann Georg Stammberger für seine Produkte die Absatzgebiete und somit die Existenzgrundlage. Er musste die Fabrikation in Passau einstellen. In den Unterlagen der Familie Stammberger wird berichtet, dass der begabte Porzellanmaler später in der Königlich bayerischen Porzellanmanufaktur in Nymphenburg gearbeitet hat.

 Im Besitze der Familie Stammberger befinden sich noch zwei Gedichte, die Johann Georg Stammberger im Alter von 76 Jahren in München anlässlich des 70. Geburtstages des Reichskanzlers Otto von Bismarck verfasst hat. Eines dieser Gedichte sei hier zitiert.

 

„Gedanken eines Sechsundsiebzigjährigen
über Sonst und jetzt"

 

Am Tage der 70. Feier des Geburtsfestes unseres deutschen Reichskanzlers
Fürst Otto von Bismarck-Schönhausen

 

Wir alte Alten können davon reden,

Die wir die Trübsal selber mit erlebt,

In welcher Volk und Vaterland geschwebt:

Als noch im widerwärtig‑ruchlosschnöden,

Kraftlosen Regiment der Bundestag

Germania geführt zu Schimpf und Schmach.

 

Zu Schimpf und Schmach dem Ausland gegenüber.

Wer hätte dort gewagt, sehr unbedacht - 

Sich deutsch zu nennen? der ward ausgelacht,

Und erntete nur Spott und Nasenstüber.

Bar aller Abwehr, ohne Gegenwort:

Wo fand er Recht und Achtung, Schutz und Hort?!

 

Ja selbst im heimatlichen Mutterlande

War deutsches Streben: Hochverrathsversuch;

Den traf der Eschenheimer‑Gasse Bann und Fluch

Der Liebe trug zum deutschen Vaterlande.

Im Starrkrampf lag das Volk, und seine Kraft

War träumerisch verdüstert und erschlafft.

 

Es war ein Sehnen, Hoffen, Wünschen, Ahnen,

Ein Insichkehren und ein Umsichschaun:

Wer soll der Einheit einen Tempel baun?

Nur allerwegen Drängen, Streben, Planen,

Doch nicht gefunden war die starke Hand,

Die vierzig Millionen fest verband.

 

Da trat aus dunkler, wetterschwerer Wolke

Ein mächtig leuchtendes Gestirn hervor,

und Aller Augen richten sich empor:

das ist das Führerlicht dem deutschen Volke!

Ihm nach vereint zu Kampf- und Siegesglück:

Ein hochbeseligender Augenblick. –

 

Nun ging ein Brausen durch des Volkes Stämme,

Und Waffenklang durchtönte Berg und Thal,

Ein Heer von ungeahnter Kraft und Zahl,

Vom deutschen Meer bis zu der Alpen Kämme.

Ein treues Band der Einheit All 'umschlingt,

Das Fried' und Freiheit, Ruh' und Wohlstand bringt.

 

München, 1. 4. 1888                         J. G. F. Stammberger"

 

War in dem gereiften Manne ein Gesinnungswandel vorgegangen? Oder hatte er als Liberaler tatsächlich in Bismarck die große Persönlichkeit verehrt, die die politischen Forderungen seiner Jugendjahre erfüllt hatte?

Wie immer es sei, das Beispiel Stammberger zeigt, dass es zu allen Zeiten politisch interessierte Menschen gab, die selbst zu größten persönlichen Opfern bereit waren, den Staat nach ihrem Sinne zu formen.

 

Quellen:              

Gerichtsakten aus dem Staatsarchiv Bamberg, sowie Unterlagen aus dem Privatbesitz der Familie Wolfgang Stammberger, München.

Gesuch und Antrag Stammbergers Genehmigung des Antrages im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München Abt. 1 MF 34 407