Neben den großen
gesellschaftlichen und politischen Widerstandsgruppen traten auch
einzelne Personen meist aus moralischen Erwägungen dem Hitler-Regime
entgegen. Angesichts der verschiedenen Lebensbereiche, aus denen sie
stammten, waren ihre Motive sehr unterschiedlich.
Auch im Raum Lichtenfels
erhob sich Widerspruch von zahlreichen Einzelpersonen. Schon 1930
protestierte der Romansthaler Anton Ostler gegen den
Nationalsozialismus. Als Mitglied der Bayerischen Volkspartei,
Vorstandsmitglied des „Christlichen Bayerischen Bauernvereins"
und Gründer und Führer der „Jungbauernschaft" wurde er
„angeregt, gegen die immer stärker werdende NSDAP öffentlich
Stellung zu nehmen." (99) Schon nach dem Ersten Weltkrieg besuchte
er Kurse in Regensburg, auf denen er sich staatspolitisch bilden ließ,
und konnte rhetorisch gut gegen die Nationalsozialisten vorgehen.
Anfang März 1930 hatte Hans
Schemm, Leiter des NSDAP‑Gaues Oberfranken und Mitglied des
Bayerischen Landtages, vor den Bauern aus dem Bezirk Staffelstein eine
Rede gehalten. Erbost über die Ausführungen Schemms, veröffentlichte
Anton Ostler am 15. März einen Leserbrief im Staffelsteiner Tagblatt,
in dem er die Person Schemms und den Nationalsozialismus in bezug auf
seine Politik gegenüber den Bauern scharf kritisierte.
„Der nationalsozialistische Abgeordnete Hans Schemm ‑ Bayreuth
hat am vergangenen Sonntag in Staffelstein die Katze aus dem Sacke
gelassen, so dass wir Landwirte wissen, wohin der Hase läuft. Nach den
Aussagen Schemms sind die Nationalsozialisten die größten Feinde der
grünen Front und damit die Feinde des dt. Bauernstandes, und deshalb müssen
sie von uns aufs schärfste bekämpft werden (...J Ich appelliere an die
Vernunft aller einsichtigen Landwirte des Bezirks Staffelstein und
fordere sie auf, mit mir den Kampf zu führen gegen die gegenwärtig
schlimmsten Gegner des Bauernstandes, den [sic!]Nationalsozialisten."
(100)
Aufgrund dieses Leserbriefes
entwickelte sich ein heftiges Gefecht zwischen einem anonymen Mitglied
der NSDAP--Ortsgruppe Staffelstein und Ostler, in deren Verlauf
dieser den Nationalsozialismus grundsätzlich kritisierte.
Auf Ostlers erste
schriftliche Veröffentlichung musste er sich von der NSDAP-Ortsgruppe
eine beleidigende Antwort gefallen lassen. Mit den Ausführungen
„Doch dieser geistige
Erguss krasser Unkenntnis (...), der da heraus kam, nötigt uns zur
Richtigstellung ihrer Verdrehungen. Es ist zwar an und für sich nicht
unsere Art, gegen Dummheit, wider die selbst Götter vergebens kämpfen,
aufzutreten, doch derartigen Anrempelungen gegenüber, die der
Verleumdung fast nahe stehen, sehen wir uns gezwungen folgendes
festzustellen"
wurde Ostler als „Dummkopf
und Spinner" hingestellt. Die Beschuldigung, der
Nationalsozialismus sei antichristlich, wurde mit der Anführung, er
berufe sich auf das „Positive Christentum", strikt zurückgewiesen.
Doch in dem folgenden Brief
„Nationalsozialismus - Weltanschauung - Landwirtschaft" ging Ostler in die Offensive gegen das von den
Nationalsozialisten propagierte „Positive Christentum", welches
er mit folgenden Ausführungen bloßstellte:
„Also ich kann machen
was ich will. Wir Katholiken (sind auch Christen) haben die
Verpflichtung am Sonntag in die Kirche zu gehen. Die Braunhemden sind
davon entbunden, drum laufen sie an den Sonntagen, wenn Versammlung
ist, schon Vormittag unter der Hauptkirche in den Straßen der Stadt
herum." (101)
Mit dem Hinweis, „der völkische
Beobachter, gezeichnet von Adolf Hitler, Nr. 19, 1928 schreibt von
dunklen, antideutschen Einflüssen, die von Rom ausgehen", wusste
Ostler auch geschickt die NS‑Position zu widerlegen.
Nicht nur in dieser
Zeitungskontroverse kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Ostler und
den Nationalsozialisten. Auf zahlreichen Versammlungen der BVP hielt
dieser couragierte Reden und wurde so manches Mal auf seinem „nächtlichen
Heimweg' von Staffelstein nach Romansthal von Nationalsozialisten
„verprügelt". Da Ostler den Nationalsozialisten schon vor ihrer
Machtübernahme so unliebsam aufgefallen war, ist es nicht
verwunderlich, dass er am 11. März 1933 sofort in Schutzhaft genommen
wurde. Zwar erfolgte nach mehreren Stunden seine Entlassung, jedoch
drangen in der gleichen Nacht Staffelsteiner Nationalsozialisten in
seine Wohnung ein, um ihn erneut zu verhaften. Da sich Ostler aber
weigerte mitzugehen, wurde am 14. März seine gesamte Wohnung
durchsucht, ehe man ihn am darauffolgenden Tag mit Gewalt ins Gefängnis
nach Lichtenfels verschleppte. Nach knapp einem Monat Gefangenschaft
sollte er am 11. April auf „Anordnung des bayerischen
Ministeriums" freigelassen werden. jedoch betraten um zwei Uhr
nachts zwei SA‑Männer seine Zelle und brachten Ostler in ein
Waldstück in der Nähe von Coburg.
„Dort wurde ich von 5
Nationalsozialisten mit Gewehrkolben über Kopf und Körper
geschlagen, bis ich blutüberströmt zusammenbrach. Auf meine
Hilferufe nach einem Arzt wurde ich nach Coburg verbracht, aber nicht
zum Arzt, sondern in ein gut vorbereitetes Dachgeschoß des dortigen
Zollhofes. Hier wurde ich von den Lichtenfelser Tyrannen den Coburgern
gleicher Art übergeben u. einige Stunden lang schwer misshandelt, mit
Gummiknütteln und Reitpeitsche über den von den Oberkleidern
befreiten Körper (Rücken und Gesäß) geschlagen. 4 Mann standen
abwechselnd zwei zu zweien immer zum Schlagen bereit, während ich über
dem Stuhl lag. Ich brach schließlich ohnmächtig zusammen. Auf dem Fußboden
lief das Blut in Strömen, Wände und Decke waren bespritzt.
Wiederholt wurde ich zu Boden geworfen u. mit Erstechen u. mit Erschießen
gedroht. Die gemeinsten Redensarten, wie 'ich bin ein Schweinehund'
musste ich nachsprechen u.a.m."
Nach diesem Ereignis zog
sich Anton Ostler ganz aus der Öffentlichkeit zurück. Von den
Nationalsozialisten wurde er zur Niederlegung seiner gesamten Ämter
gezwungen. Im Jahre 1937 wurde ihm eine Stelle als Fachberater für
Gartenbau im Landkreis Staffelstein angeboten, wenn er dafür in die
NSDAP eintreten würde. „Ich trat bei, um meine Stellung nicht wieder,
wie mir angekündigt wurde, zu verlieren", rechtfertigte sich
Ostler in seinen Aufzeichnungen (102).
Nach dem Krieg versuchte
Ostler, die Nationalsozialisten, die ihn 1933 misshandelt hatten,
gerichtlich zu belangen (103). Das Verfahren aufgrund seiner Anzeige vom
20. Februar 1946 wurde vom Oberstaatsanwalt des Landgerichts Coburg nach
zwei Jahren eingestellt. Drei der Beschuldigten waren in der
Zwischenzeit verstorben, den anderen angezeigten Personen war eine
Beteiligung nicht nachzuweisen. Nur in einem Fall kam es zu einer
Anklage wegen Freiheitsberaubung, Nötigung und gefährlicher Körperverletzung,
die allerdings mit einem Freispruch aus Mangel an Beweisen endete (104).
Widerspruch und Ablehnung
des Nationalsozialismus wurden in vielen Teilen der Bevölkerung nicht
durch öffentliche Taten offenkundig. Wie bei Edeltraud Krönen aus
Lichtenfels konnte sich Widerspruch auch durch Verweigerung und
Resistenz gegen die Übergriffe der Nationalsozialisten äußern.
Edeltraud Krönert, die
streng katholisch erzogen wurde, erfuhr die Ablehnung der
Nationalsozialisten schon in ihrem Elternhaus. Im Alter von dreizehn
Jahren engagierte sie sich erstmals in der katholischen Jugend. Als 1933
Hitler an die Macht gelangte, trat sie in den Bund der Quickborner ein,
eine katholische Vereinigung, die in ihrer Gemeinschaft das christliche
Leben zu verwirklichen suchte.
Trotz des Verbots aller
katholischen Vereine und Verbände blieb sie bis zum Krieg den
Quickbornern treu. In einem Bauernhaus in Roschlaub,
auf dem Dachboden
des alten Krankenhauses in Lichtenfels oder privat bei einem Mitglied
trafen sie sich heimlich, um zum Beispiel gemeinsam aus dem Evangelium
zu lesen. Dabei ließ sich Edeltraud Krönen weder durch Hausbesuche des
Schutzmannes W., noch durch die allgemeine Provozierung und Einschüchterung
der überzeugten Katholiken durch die Nationalsozialisten stören.
„Bei jeder
Fronleichnamsprozession mussten wir uns in Listen eintragen",
erinnert sich Frau Krönen. Die Nationalsozialisten führten diese
Pflicht, sich bei der Teilnahme an der Prozession in Listen einzutragen,
zur Einschüchterung der Christen ein. Trotzdem nahmen viele Katholiken,
vor allem auch Quickborner, immer teil. Den sonntäglichen Gottesdienst
versuchten die Nationalsozialisten ebenfalls zu stören und provozierten
die Gemeinde durch lautstarkes Marschieren und Singen von Kriegsliedern
vor der Kirche (105).
Trotz dieser Beschränkungen
blieb Frau Krönen, bis sie 1941 nach Swenemünde zog, den Lichtenfelser
und Bamberger Quickbornern treu, obwohl sie persönlich von vielen
Seiten scharf angegriffen wurde.
Adam P. (106) lebte in
Burgkunstadt und arbeitete dort als Fabrikarbeiter. Als er am 23. Juni
1936 gegen 1 Uhr in die Bierwirtschaft F. in Burgkunstadt kam, schimpfte
er dort lautstark, weil er zu wenig Unterstützung vom Staat bekäme
(107). In lautem Ton äußerte er:
„Das Dritte Reich mit
samt dem Führer gehört aufgehängt. Ich bin ein Kommunist und ich
bleib ein Kommunist." (108)
Als er nach
einem weiteren Besuch am selben Tag die Wirtschaft abends verließ, gab
er seinen Protest noch einmal kund, indem er zur Verabschiedung mit
„Heil Moskau!" grüßte. Gleich mehrere Personen zeigten ihn
daraufhin an. Zwei Tage später wurde er im Amtsgerichtsgefängnis in
Schutzhaft genommen, bis am 26. Oktober die Hauptverhandlung vor dem
Sondergericht Bamberg folgte. Dort wurde er „wegen eines Vergehens
nach § z. Abs. 1 und 11 des Gesetzes gegen heimtückische Angriffe auf
Staat und Partei (...1 zur Gefängnisstrafe von einem Jahr und zu den
hierauf treffenden Kosten des Verfahrens verurteilt." (109)
Aus einem weiteren
Schreiben, das sich in der Akte P. befindet, geht hervor, dass er auch
im Konzentrationslager Dachau inhaftiert war. Es lautet folgendermaßen:
„Konzentrationslager
Dachau, Kommandantur (406/8). An den Herrn Oberstaatsanwalt bei dem
Landgerichte Bamberg.
Der Schutzhaftgefangene
P., Adam, geb. am 22.7. 1901 zu Burgkunstadt, wurde am 19.12.1936 um
11 Uhr von hieraus auf Transport gesetzt.
(Gezeichnet) Der
Lagerkommandant, SS‑Oberführer." (110)
6.4.1.
Die Familie Pa.
Familie Pa. bewirtschaftete
einen Bauernhof in Lichtenfels in der Nähe des Burgberges. Als nach der
„Machtergreifung" Hitlers mit der Zeit immer mehr Juden auch aus
der Kreisstadt deportiert wurden, wollte die Familie den jüdischen
Einwohnern soviel Unterstützung entgegenbringen wie möglich.
Da ihr Gutshaus von
stattlicher Größe war und gleichzeitig noch über zwei getrennte
Eingangstüren verfügte, konstruierten die Bewohner folgendes Versteck:
Sie zogen zwischen den eng aneinandergebauten Türen zwei Mauern hoch,
so dass dazwischen ein geheimer Raum entstand. In diesem Raum
versteckten sie die Wertsachen von Juden, die deportiert werden sollten,
um sie bis zu ihrer Rückkehr aufzubewahren (111). Nach Aussagen von
Frau Krönert kehrte nach dem Krieg nur eine Familie zurück, um die vor
den Nationalsozialisten geretteten Güter wieder abzuholen.
6.4.2.
Die zwei Lichtenfelser Familien Hohlbein und Meisel (Pseudonym) (112)
Als die Berliner Jüdin
Lisbeth Fiskau (Pseudonym) im Jahr 1943 durch einen anonymen Anruf
gewarnt wurde, wonach sie in den nächsten Tagen deportiert werden
sollte, bestieg sie in ihrer Verwirrung einen Zug nach Nürnberg, ohne
ein Ziel vor Augen zu haben. Während der Fahrt erinnerte sie sich an
eine frühere Bedienstete ihrer Eltern, die mit ihrer Familie in
Lichtenfels wohnte. Folglich reiste sie hierhin, wo sie die Familie
Hohlbein aufsuchte. Dort wurde sie herzlich aufgenommen. Trotz der
drohenden Gefahr der Entdeckung fand Frau Fiskau bei Familie Hohlbein
ein gutes Versteck und eine feste Bleibe.
„Was es heißt, in dieser
Zeit eine Jüdin verborgen zu halten, wissen am besten die damaligen
Zeitgenossen einzuschätzen. Gefängnis, wenn nicht gar schlimmere
Strafen, waren zu erwarten, falls die Sache bekannt geworden wäre"
beschreibt der Artikel „Berliner Jüdin fand Zuflucht bei mutigen
Lichtenfelser Bürgern".
Nach einigen Tagen beschloss
Familie Hohlbein, ihre Nachbarfamilie Meisel über „ihre
Untermieterin" aufzuklären. Dort fanden die Hohlbeins nicht nur
verschwiegene Mitwisser, sondern auch bereitwillige Helfer. Zur
Abwechslung konnte Frau Fiskau allabendlich Familie Meisel besuchen.
Über mehrere Wochen hielten
die zwei Familien die Jüdin versteckt, obwohl es vor allem bei der
Lebensmittelversorgung einige Probleme gab. Um Frau Fiskau dennoch ernähren
zu können, sorgte Herr Meisel „für zusätzliche Verpflegung (...]
durch 'Hamstern' auf dem Lande" (113).
Als jedoch Anfang 1944 ein
Polizist aus Lichtenfels das Haus der Hohlbeins kontrollierte und
Recherchen anstellte, musste Frau Fiskau aus Sicherheitsgründen die
Stadt verlassen. Sie fand Unterschlupf bei Verwandten der Familie Meisel
in einem Ort bei Bamberg, aus dem sie einige Monate später ebenfalls flüchten
musste.
6.4.3.
Wilhelm Aumer
Wilhelm Aumer war zur Zeit
des Hitlerregimes Bezirksamtsinspektor im Bezirksamt Lichtenfels und
hatte dort das Passwesen unter sich. In seinem Amt unternahm er alles,
was in seiner Macht stand, um den jüdischen Einwohnern zu helfen. Der
1932 geborene Jude Walter S. G. Kohn, der damals mit seiner
alleinstehenden Mutter in Lichtenfels lebte, erinnert sich:
„Als das Naziregime
sich dann tiefer und tiefer verankerte und die antisemitischen Maßnahmen
an Zahl und Intensität zunahmen, wurde es immer schwieriger
auszuwandern. [...] Ich erinnere mich noch, dass man von mir eine
Bescheinigung verlangte, dass ich nicht Mitglied der Hitlerjugend sei.
Und wie bekam man diese Dokumente, wenn jeder Besuch bei den Ämtern
ein Opfergang sein konnte, wo man angeschrien und beleidigt werden
konnte, wenn nicht sogar misshandelt, wenn das den Behörden gerade
Spaß machte? In dieser Beziehung hatten wir in Lichtenfels Glück,
denn im Bezirksamt saß der Herr Aumer, ein grundanständiger Beamter
vom alten Schlag." (114)
Herr Aumer händigte Walter
Kohn ohne weitere Probleme die Bescheinigung aus, und auf die Bitte von
Frau Kohn, ihre Pässe auf zwei Länder auszustellen, da sie noch nicht
wüssten, wohin sie auswandern würden, antwortete Aumer: „Darf ich
zwar nicht, aber man darf heute viel nicht", und stellte Pässe für
England und Nordamerika aus (115).
Im Jahre 1938 nahm Aumer
eine weitaus größeres Risiko auf sich. Im Oktober kam aus Berlin die
Anordnung, alle Pässe der im Lichtenfelser Bezirk wohnenden Juden
einzuziehen. Diese Maßnahme bedeutete, dass keine weiteren Juden ohne
ausdrückliche Genehmigung Deutschland verlassen und in ein anderes Land
auswandern konnten. Noch in derselben Nacht machte sich Herr Aumer auf
den Weg zu seinen jüdischen Nachbarn, der Familie Bamberger.
Frau Bamberger war seit 1933
Witwe, da ihr Mann einen Herzinfarkt erlitten hatte, als er von den
Nationalsozialisten in „Schutzhaft" genommen worden war (116).
Nach einem kurzen Klopfen an der Hintertür des Hauses wurde Aumer von
der Köchin eingelassen. Was er in großer Aufregung Frau Bamberger
berichtete, gab deren Sohn Klaus (Claude) Bamberger in einem autobiografischen
Essay, den er in den USA veröffentlichte, wie folgt wieder:
„Mrs. Bamberger, we
have known each other for a very long time. You know what is happening
in this town and all over Germany. 1 don't really agree, but 1 have a
job and a family to feed. [ ...] 1 came to tell you that orders have
come from Berlin today, that within the next two weeks we will have to
confiscate the passports of all jewish families living in our district.
I know you still have a valid passport and I urge you to leave as
quickly as possible." (117)
Er bat Frau Bamberger
eindringlich, Deutschland sofort zu verlassen. Entschuldigend äußerte
er bei seinem Abschied:
„However, I can do no
more than tell you that it would be best for your safety as [sic!]
doubt after the passport confiscation, further orders might be coming
which even could endanger your life." (118)
Walter S. G. Kohn nennt in
diesem Zusammenhang noch einen weiteren Beamten, Amtsgerichtsrat
Konrad Reck. Wie Aumer versuchte auch er, jüdische Familien wenigstens
etwas zu unterstützen.
„Was Herrn
Amtsrichter Reck anbetrifft, so hielt er sich ans alte Recht, wo er
nur konnte. Als der Staatsanwalt bei einer jüdischen Angeklagten
deren Religion wissen wollte, sagte Herr Reck sofort, dass dies bisher
nicht ueblich war."
Überhaupt scheint Reck den
Nationalsozialisten distanziert gegenübergestanden zu haben, wie ein
Detail belegt, an das sich Walter Kohn erinnert:
„Sein spöttisches
'No klor’ als Bestaetigung auf Naziaeusserungen ist in unserer
Familie spruechwörtlich geworden."(119)
Aumer und Reck waren zwei
Beamte, die „alles taten, die Gewalt wenigstens etwas zu stemmen und
Gesetz und Recht und nicht Naziwillkür walten zu lassen" (120).
6.5.
Widerstand in letzter Stunde - Die Aktion von Dr. Baptist Hofmann,
Max Stinglwagner und Hans Krug
„Ich habe den Befehl,
Lichtenfels bis zur letzten Patrone zu verteidigen", waren die
Worte des Oberleutnants Schreiter in der Nacht vom 11. auf den 12. April
1945, als die amerikanischen Truppen schon vor Lichtenfels standen. Die
Sinnlosigkeit, in einer solchen Situation, in der die Stadt gerade mit
20‑25 Mann zur Verteidigung aufbringen konnte, bis zur letzten
Sekunde zu kämpfen, erkannte Dr. Baptist Hofmann, der seit 1942
stellvertretender Bürgermeister in Lichtenfels war (121). Mit den
Ausführungen „[Ich] legte dar, dass es m. E unverantwortlich sei, die
Stadt zu verteidigen. Ich machte darauf aufmerksam, dass gerade die
Bevölkerung im Anger - dem nächstgelegenen Angriffsziel - völlig
ungeschützt sei [...]", versuchte er den Oberleutnant ebenso wie
die Kreisleitung , doch vergebens, umzustimmen (122).
So nahm er in Missachtung
des Befehls der Kreisleitung und des Kampfkommandanten die Übergabe der
Stadt selbst in die Hand. Auf seinen Befehl hin wurde auf dem Oberen
Torturm eine weiße Fahne gehisst. Kurz nach der Meldung, dass der
Kampfkommandant und die Kreisleitung mit Anhang die Stadt verlassen
hatten, verschafften sich Hofmann und der Braumeister Max Stinglwagner
eine weiße Fahne, um mit ihr als Zeichen der Kapitulation den Amerikanern
entgegenzugehen. Auf ihrem Weg zur Langen Brücke, an deren anderem
Ufer sich die amerikanischen Truppen befanden, schloss sich ihnen der
Metzgermeister Hans Krug an, der, nach der Verwundung von Stinglwagner
durch „Infanterie- und Maschinengewehrfeuer", mit Hofmann allein
die Stadt übergab (123).
Nachdem sie in der Coburger
Straße nahe dem Gasthaus „Student" (heute ein chinesisches
Restaurant) auf sieben Soldaten stießen und zu einem Sergeanten
gebracht wurden, übergaben sie „bei der Firma Knab, wo sich der
Kampfkommandant der amerikanischen Truppen befand (...] die Stadt und
bat(en], das Feuer sofort einzustellen" (124). Nach etwa einer
Stunde zogen die Amerikaner in Lichtenfels ein; Hofmann wurde zum Bürgermeister
erklärt und unter den Schutz der amerikanischen Soldaten gestellt, denn
er „musste damit rechnen, dass fanatische Nationalsozialisten [ihm]
nach dem Leben trachteten" (125). „Man konnte [ ...] von
soundsoviel Leuten hören, wenn die Amerikaner zurückgeworfen würden,
koste es dem Dr. Hofmann seinen Kopf, weil er die Stadt kampflos übergeben
hat", spekulierten die Lichtenfelser Bürger zu Recht, denn Hofmann
hatte sich den ausdrücklichen Befehlen der Kreisleitung bewusst
widersetzt. Er selbst beschreibt seine Gründe für diesen Schritt so:
„Ich kann es nicht
verantworten, die Stadt in Schutt legen zu lassen, und übergebe sie
aus diesem Grund bedingungslos den Amerikanern, wozu ich mich der
Einwohnerschaft gegenüber verpflichtet fühle." (126)