Titel

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Kapitel 1:
Begriff

Kapitel 2:
NS-Staat

Kapitel 3:
Katholisch

Kapitel 4:
Evangelisch

Kapitel 5:
SPD

Kapitel 6:
Einzelne

Schluss

Quellen u.
Literatur

6. WIDERSTAND VON EINZELPERSONEN

Neben den großen gesellschaftlichen und politischen Widerstandsgruppen traten auch einzelne Personen meist aus moralischen Erwägungen dem Hitler-Regime entgegen. Angesichts der verschiedenen Lebensbereiche, aus denen sie stammten, waren ihre Motive sehr unterschiedlich.

6.1. Opposition gegen den Nationalsozialismus vor 1933 - 
        Das Beispiel Anton Ostler

Auch im Raum Lichtenfels erhob sich Widerspruch von zahlreichen Einzelpersonen. Schon 1930 protestierte der Romansthaler Anton Ostler gegen den Nationalsozialismus. Als Mitglied der Bayerischen Volkspartei, Vorstandsmitglied des „Christlichen Bayerischen Bauernvereins" und Gründer und Führer der „Jungbauernschaft" wurde er „angeregt, gegen die immer stärker werdende NSDAP öffentlich Stellung zu nehmen." (99) Schon nach dem Ersten Weltkrieg besuchte er Kurse in Regensburg, auf denen er sich staatspolitisch bilden ließ, und konnte rhetorisch gut gegen die Nationalsozialisten vorgehen.

Anfang März 1930 hatte Hans Schemm, Leiter des NSDAP‑Gaues Oberfranken und Mitglied des Bayerischen Landtages, vor den Bauern aus dem Bezirk Staffelstein eine Rede gehalten. Erbost über die Ausführungen Schemms, veröffentlichte Anton Ostler am 15. März einen Leserbrief im Staffelsteiner Tagblatt, in dem er die Person Schemms und den Nationalsozialismus in bezug auf seine Politik gegenüber den Bauern scharf kritisierte.

„Der nationalsozialistische Abgeordnete Hans Schemm ‑ Bayreuth hat am vergangenen Sonntag in Staffelstein die Katze aus dem Sacke gelassen, so dass wir Landwirte wissen, wohin der Hase läuft. Nach den Aussagen Schemms sind die Nationalsozialisten die größten Feinde der grünen Front und damit die Feinde des dt. Bauernstandes, und deshalb müssen sie von uns aufs schärfste bekämpft werden (...J Ich appelliere an die Vernunft aller einsichtigen Landwirte des Bezirks Staffelstein und fordere sie auf, mit mir den Kampf zu führen gegen die gegenwärtig schlimmsten Gegner des Bauernstandes, den [sic!]Nationalsozialisten." (100)

Aufgrund dieses Leserbriefes entwickelte sich ein heftiges Gefecht zwischen einem anonymen Mitglied der NSDAP--Ortsgruppe Staffelstein und Ostler, in deren Verlauf dieser den Nationalsozialismus grundsätzlich kritisierte.

Auf Ostlers erste schriftliche Veröffentlichung musste er sich von der NSDAP-Ortsgruppe eine beleidigende Antwort gefallen lassen. Mit den Ausführungen

„Doch dieser geistige Erguss krasser Unkenntnis (...), der da heraus kam, nötigt uns zur Richtigstellung ihrer Verdrehungen. Es ist zwar an und für sich nicht unsere Art, gegen Dummheit, wider die selbst Götter vergebens kämpfen, aufzutreten, doch derartigen Anrempelungen gegenüber, die der Verleumdung fast nahe stehen, sehen wir uns gezwungen folgendes festzustellen"

wurde Ostler als „Dummkopf und Spinner" hingestellt. Die Beschuldigung, der Nationalsozialismus sei antichristlich, wurde mit der Anführung, er berufe sich auf das „Positive Christentum", strikt zurückgewiesen.

Doch in dem folgenden Brief „Nationalsozialismus - Weltanschauung - Landwirtschaft" ging Ostler in die Offensive gegen das von den Nationalsozialisten propagierte „Positive Christentum", welches er mit folgenden Ausführungen bloßstellte:

„Also ich kann machen was ich will. Wir Katholiken (sind auch Christen) haben die Verpflichtung am Sonntag in die Kirche zu gehen. Die Braunhemden sind davon entbunden, drum laufen sie an den Sonntagen, wenn Versammlung ist, schon Vormittag unter der Hauptkirche in den Straßen der Stadt herum." (101)

Mit dem Hinweis, „der völkische Beobachter, gezeichnet von Adolf Hitler, Nr. 19, 1928 schreibt von dunklen, antideutschen Einflüssen, die von Rom ausgehen", wusste Ostler auch geschickt die NS‑Position zu widerlegen.

Nicht nur in dieser Zeitungskontroverse kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Ostler und den Nationalsozialisten. Auf zahlreichen Versammlungen der BVP hielt dieser couragierte Reden und wurde so manches Mal auf seinem „nächtlichen Heimweg' von Staffelstein nach Romansthal von Nationalsozialisten „verprügelt". Da Ostler den Nationalsozialisten schon vor ihrer Machtübernahme so unliebsam aufgefallen war, ist es nicht verwunderlich, dass er am 11. März 1933 sofort in Schutzhaft genommen wurde. Zwar erfolgte nach mehreren Stunden seine Entlassung, jedoch drangen in der gleichen Nacht Staffelsteiner Nationalsozialisten in seine Wohnung ein, um ihn erneut zu verhaften. Da sich Ostler aber weigerte mitzugehen, wurde am 14. März seine gesamte Wohnung durchsucht, ehe man ihn am darauffolgenden Tag mit Gewalt ins Gefängnis nach Lichtenfels verschleppte. Nach knapp einem Monat Gefangenschaft sollte er am 11. April auf „Anordnung des bayerischen Ministeriums" freigelassen werden. jedoch betraten um zwei Uhr nachts zwei SA‑Männer seine Zelle und brachten Ostler in ein Waldstück in der Nähe von Coburg.

„Dort wurde ich von 5 Nationalsozialisten mit Gewehrkolben über Kopf und Körper geschlagen, bis ich blutüberströmt zusammenbrach. Auf meine Hilferufe nach einem Arzt wurde ich nach Coburg verbracht, aber nicht zum Arzt, sondern in ein gut vorbereitetes Dachgeschoß des dortigen Zollhofes. Hier wurde ich von den Lichtenfelser Tyrannen den Coburgern gleicher Art übergeben u. einige Stunden lang schwer misshandelt, mit Gummiknütteln und Reitpeitsche über den von den Oberkleidern befreiten Körper (Rücken und Gesäß) geschlagen. 4 Mann standen abwechselnd zwei zu zweien immer zum Schlagen bereit, während ich über dem Stuhl lag. Ich brach schließlich ohnmächtig zusammen. Auf dem Fußboden lief das Blut in Strömen, Wände und Decke waren bespritzt. Wiederholt wurde ich zu Boden geworfen u. mit Erstechen u. mit Erschießen gedroht. Die gemeinsten Redensarten, wie 'ich bin ein Schweinehund' musste ich nachsprechen u.a.m."

Nach diesem Ereignis zog sich Anton Ostler ganz aus der Öffentlichkeit zurück. Von den Nationalsozialisten wurde er zur Niederlegung seiner gesamten Ämter gezwungen. Im Jahre 1937 wurde ihm eine Stelle als Fachberater für Gartenbau im Landkreis Staffelstein angeboten, wenn er dafür in die NSDAP eintreten würde. „Ich trat bei, um meine Stellung nicht wieder, wie mir angekündigt wurde, zu verlieren", rechtfertigte sich Ostler in seinen Aufzeichnungen (102).

Nach dem Krieg versuchte Ostler, die Nationalsozialisten, die ihn 1933 misshandelt hatten, gerichtlich zu belangen (103). Das Verfahren aufgrund seiner Anzeige vom 20. Februar 1946 wurde vom Oberstaatsanwalt des Landgerichts Coburg nach zwei Jahren eingestellt. Drei der Beschuldigten waren in der Zwischenzeit verstorben, den anderen angezeigten Personen war eine Beteiligung nicht nachzuweisen. Nur in einem Fall kam es zu einer Anklage wegen Freiheitsberaubung, Nötigung und gefährlicher Körperverletzung, die allerdings mit einem Freispruch aus Mangel an Beweisen endete (104).

6.2. Gesellschaftliche Verweigerung - Das Beispiel Edeltraud Krönert

Widerspruch und Ablehnung des Nationalsozialismus wurden in vielen Teilen der Bevölkerung nicht durch öffentliche Taten offenkundig. Wie bei Edeltraud Krönen aus Lichtenfels konnte sich Widerspruch auch durch Verweigerung und Resistenz gegen die Übergriffe der Nationalsozialisten äußern.

Edeltraud Krönert, die streng katholisch erzogen wurde, erfuhr die Ablehnung der Nationalsozialisten schon in ihrem Elternhaus. Im Alter von dreizehn Jahren engagierte sie sich erstmals in der katholischen Jugend. Als 1933 Hitler an die Macht gelangte, trat sie in den Bund der Quickborner ein, eine katholische Vereinigung, die in ihrer Gemeinschaft das christliche Leben zu verwirklichen suchte.

Trotz des Verbots aller katholischen Vereine und Verbände blieb sie bis zum Krieg den Quickbornern treu. In einem Bauernhaus in Roschlaub, auf dem Dachboden des alten Krankenhauses in Lichtenfels oder privat bei einem Mitglied trafen sie sich heimlich, um zum Beispiel gemeinsam aus dem Evangelium zu lesen. Dabei ließ sich Edeltraud Krönen weder durch Hausbesuche des Schutzmannes W., noch durch die allgemeine Provozierung und Einschüchterung der überzeugten Katholiken durch die Nationalsozialisten stören.

„Bei jeder Fronleichnamsprozession mussten wir uns in Listen eintragen", erinnert sich Frau Krönen. Die Nationalsozialisten führten diese Pflicht, sich bei der Teilnahme an der Prozession in Listen einzutragen, zur Einschüchterung der Christen ein. Trotzdem nahmen viele Katholiken, vor allem auch Quickborner, immer teil. Den sonntäglichen Gottesdienst versuchten die Nationalsozialisten ebenfalls zu stören und provozierten die Gemeinde durch lautstarkes Marschieren und Singen von Kriegsliedern vor der Kirche (105).

Trotz dieser Beschränkungen blieb Frau Krönen, bis sie 1941 nach Swenemünde zog, den Lichtenfelser und Bamberger Quickbornern treu, obwohl sie persönlich von vielen Seiten scharf angegriffen wurde.

6.3. Öffentliche Kritik am Nationalsozialismus: Der Fall P.

Adam P. (106) lebte in Burgkunstadt und arbeitete dort als Fabrikarbeiter. Als er am 23. Juni 1936 gegen 1 Uhr in die Bierwirtschaft F. in Burgkunstadt kam, schimpfte er dort lautstark, weil er zu wenig Unterstützung vom Staat bekäme (107). In lautem Ton äußerte er:

„Das Dritte Reich mit samt dem Führer gehört aufgehängt. Ich bin ein Kommunist und ich bleib ein Kommunist." (108)

Als er nach einem weiteren Besuch am selben Tag die Wirtschaft abends verließ, gab er seinen Protest noch einmal kund, indem er zur Verabschiedung mit „Heil Moskau!" grüßte. Gleich mehrere Personen zeigten ihn daraufhin an. Zwei Tage später wurde er im Amtsgerichtsgefängnis in Schutzhaft genommen, bis am 26. Oktober die Hauptverhandlung vor dem Sondergericht Bamberg folgte. Dort wurde er „wegen eines Vergehens nach § z. Abs. 1 und 11 des Gesetzes gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei (...1 zur Gefängnisstrafe von einem Jahr und zu den hierauf treffenden Kosten des Verfahrens verurteilt." (109)

Aus einem weiteren Schreiben, das sich in der Akte P. befindet, geht hervor, dass er auch im Konzentrationslager Dachau inhaftiert war. Es lautet folgendermaßen:

„Konzentrationslager Dachau, Kommandantur (406/8). An den Herrn Oberstaatsanwalt bei dem Landgerichte Bamberg.

Der Schutzhaftgefangene P., Adam, geb. am 22.7. 1901 zu Burgkunstadt, wurde am 19.12.1936 um 11 Uhr von hieraus auf Transport gesetzt.

(Gezeichnet) Der Lagerkommandant, SS‑Oberführer." (110)

6.4. Die Unterstützung von Juden

6.4.1. Die Familie Pa.

Familie Pa. bewirtschaftete einen Bauernhof in Lichtenfels in der Nähe des Burgberges. Als nach der „Machtergreifung" Hitlers mit der Zeit immer mehr Juden auch aus der Kreisstadt deportiert wurden, wollte die Familie den jüdischen Einwohnern soviel Unterstützung entgegenbringen wie möglich.

Da ihr Gutshaus von stattlicher Größe war und gleichzeitig noch über zwei getrennte Eingangstüren verfügte, konstruierten die Bewohner folgendes Versteck: Sie zogen zwischen den eng aneinandergebauten Türen zwei Mauern hoch, so dass dazwischen ein geheimer Raum entstand. In diesem Raum versteckten sie die Wertsachen von Juden, die deportiert werden sollten, um sie bis zu ihrer Rückkehr aufzubewahren (111). Nach Aussagen von Frau Krönert kehrte nach dem Krieg nur eine Familie zurück, um die vor den Nationalsozialisten geretteten Güter wieder abzuholen.

6.4.2. Die zwei Lichtenfelser Familien Hohlbein und Meisel (Pseudonym) (112)

Als die Berliner Jüdin Lisbeth Fiskau (Pseudonym) im Jahr 1943 durch einen anonymen Anruf gewarnt wurde, wonach sie in den nächsten Tagen deportiert werden sollte, bestieg sie in ihrer Verwirrung einen Zug nach Nürnberg, ohne ein Ziel vor Augen zu haben. Während der Fahrt erinnerte sie sich an eine frühere Bedienstete ihrer Eltern, die mit ihrer Familie in Lichtenfels wohnte. Folglich reiste sie hierhin, wo sie die Familie Hohlbein aufsuchte. Dort wurde sie herzlich aufgenommen. Trotz der drohenden Gefahr der Entdeckung fand Frau Fiskau bei Familie Hohlbein ein gutes Versteck und eine feste Bleibe.

„Was es heißt, in dieser Zeit eine Jüdin verborgen zu halten, wissen am besten die damaligen Zeitgenossen einzuschätzen. Gefängnis, wenn nicht gar schlimmere Strafen, waren zu erwarten, falls die Sache bekannt geworden wäre" beschreibt der Artikel „Berliner Jüdin fand Zuflucht bei mutigen Lichtenfelser Bürgern".

Nach einigen Tagen beschloss Familie Hohlbein, ihre Nachbarfamilie Meisel über „ihre Untermieterin" aufzuklären. Dort fanden die Hohlbeins nicht nur verschwiegene Mitwisser, sondern auch bereitwillige Helfer. Zur Abwechslung konnte Frau Fiskau allabendlich Familie Meisel besuchen.

Über mehrere Wochen hielten die zwei Familien die Jüdin versteckt, obwohl es vor allem bei der Lebensmittelversorgung einige Probleme gab. Um Frau Fiskau dennoch ernähren zu können, sorgte Herr Meisel „für zusätzliche Verpflegung (...] durch 'Hamstern' auf dem Lande" (113).

Als jedoch Anfang 1944 ein Polizist aus Lichtenfels das Haus der Hohlbeins kontrollierte und Recherchen anstellte, musste Frau Fiskau aus Sicherheitsgründen die Stadt verlassen. Sie fand Unterschlupf bei Verwandten der Familie Meisel in einem Ort bei Bamberg, aus dem sie einige Monate später ebenfalls flüchten musste.

6.4.3. Wilhelm Aumer

Wilhelm Aumer war zur Zeit des Hitlerregimes Bezirksamtsinspektor im Bezirksamt Lichtenfels und hatte dort das Passwesen unter sich. In seinem Amt unternahm er alles, was in seiner Macht stand, um den jüdischen Einwohnern zu helfen. Der 1932 geborene Jude Walter S. G. Kohn, der damals mit seiner alleinstehenden Mutter in Lichtenfels lebte, erinnert sich:

„Als das Naziregime sich dann tiefer und tiefer verankerte und die antisemitischen Maßnahmen an Zahl und Intensität zunahmen, wurde es immer schwieriger auszuwandern. [...] Ich erinnere mich noch, dass man von mir eine Bescheinigung verlangte, dass ich nicht Mitglied der Hitlerjugend sei. Und wie bekam man diese Dokumente, wenn jeder Besuch bei den Ämtern ein Opfergang sein konnte, wo man angeschrien und beleidigt werden konnte, wenn nicht sogar misshandelt, wenn das den Behörden gerade Spaß machte? In dieser Beziehung hatten wir in Lichtenfels Glück, denn im Bezirksamt saß der Herr Aumer, ein grundanständiger Beamter vom alten Schlag." (114)

Herr Aumer händigte Walter Kohn ohne weitere Probleme die Bescheinigung aus, und auf die Bitte von Frau Kohn, ihre Pässe auf zwei Länder auszustellen, da sie noch nicht wüssten, wohin sie auswandern würden, antwortete Aumer: „Darf ich zwar nicht, aber man darf heute viel nicht", und stellte Pässe für England und Nordamerika aus (115).

Im Jahre 1938 nahm Aumer eine weitaus größeres Risiko auf sich. Im Oktober kam aus Berlin die Anordnung, alle Pässe der im Lichtenfelser Bezirk wohnenden Juden einzuziehen. Diese Maßnahme bedeutete, dass keine weiteren Juden ohne ausdrückliche Genehmigung Deutschland verlassen und in ein anderes Land auswandern konnten. Noch in derselben Nacht machte sich Herr Aumer auf den Weg zu seinen jüdischen Nachbarn, der Familie Bamberger.

Frau Bamberger war seit 1933 Witwe, da ihr Mann einen Herzinfarkt erlitten hatte, als er von den Nationalsozialisten in „Schutzhaft" genommen worden war (116). Nach einem kurzen Klopfen an der Hintertür des Hauses wurde Aumer von der Köchin eingelassen. Was er in großer Aufregung Frau Bamber­ger berichtete, gab deren Sohn Klaus (Claude) Bamberger in einem autobiogra­fischen Essay, den er in den USA veröffentlichte, wie folgt wieder:

„Mrs. Bamberger, we have known each other for a very long time. You know what is happening in this town and all over Germany. 1 don't really agree, but 1 have a job and a family to feed. [ ...] 1 came to tell you that or­ders have come from Berlin today, that within the next two weeks we will have to confiscate the passports of all jewish families living in our district. I know you still have a valid passport and I urge you to leave as quickly as possible." (117)

Er bat Frau Bamberger eindringlich, Deutschland sofort zu verlassen. Ent­schuldigend äußerte er bei seinem Abschied:

„However, I can do no more than tell you that it would be best for your safety as [sic!] doubt after the passport confiscation, further orders might be coming which even could endanger your life." (118)

Walter S. G. Kohn nennt in diesem Zusammenhang noch einen weiteren Be­amten, Amtsgerichtsrat Konrad Reck. Wie Aumer versuchte auch er, jüdische Familien wenigstens etwas zu unterstützen.

„Was Herrn Amtsrichter Reck anbetrifft, so hielt er sich ans alte Recht, wo er nur konnte. Als der Staatsanwalt bei einer jüdischen Angeklagten deren Religion wissen wollte, sagte Herr Reck sofort, dass dies bisher nicht ueblich war."

Überhaupt scheint Reck den Nationalsozialisten distanziert gegenübergestan­den zu haben, wie ein Detail belegt, an das sich Walter Kohn erinnert:

„Sein spöttisches 'No klor’ als Bestaetigung auf Naziaeusserungen ist in un­serer Familie spruechwörtlich geworden."(119)

Aumer und Reck waren zwei Beamte, die „alles taten, die Gewalt wenigstens etwas zu stemmen und Gesetz und Recht und nicht Naziwillkür walten zu las­sen" (120).

6.5. Widerstand in letzter Stunde - Die Aktion von Dr. Baptist Hofmann, Max Stinglwagner und Hans Krug

„Ich habe den Befehl, Lichtenfels bis zur letzten Patrone zu verteidigen", waren die Worte des Oberleutnants Schreiter in der Nacht vom 11. auf den 12. April 1945, als die amerikanischen Truppen schon vor Lichtenfels standen. Die Sinnlosigkeit, in einer solchen Situation, in der die Stadt gerade mit 20‑25 Mann zur Verteidigung aufbringen konnte, bis zur letzten Sekunde zu kämp­fen, erkannte Dr. Baptist Hofmann, der seit 1942 stellvertretender Bürgermei­ster in Lichtenfels war (121). Mit den Ausführungen „[Ich] legte dar, dass es m. E unverantwortlich sei, die Stadt zu verteidigen. Ich machte darauf aufmerk­sam, dass gerade die Bevölkerung im Anger - dem nächstgelegenen Angriffsziel - völlig ungeschützt sei [...]", versuchte er den Oberleutnant ebenso wie die Kreisleitung , doch vergebens, umzustimmen (122).

So nahm er in Missachtung des Befehls der Kreisleitung und des Kampfkommandanten die Übergabe der Stadt selbst in die Hand. Auf seinen Befehl hin wurde auf dem Oberen Torturm eine weiße Fahne gehisst. Kurz nach der Mel­dung, dass der Kampfkommandant und die Kreisleitung mit Anhang die Stadt verlassen hatten, verschafften sich Hofmann und der Braumeister Max Stingl­wagner eine weiße Fahne, um mit ihr als Zeichen der Kapitulation den Ameri­kanern entgegenzugehen. Auf ihrem Weg zur Langen Brücke, an deren ande­rem Ufer sich die amerikanischen Truppen befanden, schloss sich ihnen der Metzgermeister Hans Krug an, der, nach der Verwundung von Stinglwagner durch „Infanterie- und Maschinengewehrfeuer", mit Hofmann allein die Stadt übergab (123).

Nachdem sie in der Coburger Straße nahe dem Gasthaus „Student" (heute ein chinesisches Restaurant) auf sieben Soldaten stießen und zu einem Sergeanten gebracht wurden, übergaben sie „bei der Firma Knab, wo sich der Kampfkom­mandant der amerikanischen Truppen befand (...] die Stadt und bat(en], das Feuer sofort einzustellen" (124). Nach etwa einer Stunde zogen die Amerika­ner in Lichtenfels ein; Hofmann wurde zum Bürgermeister erklärt und unter den Schutz der amerikanischen Soldaten gestellt, denn er „musste damit rech­nen, dass fanatische Nationalsozialisten [ihm] nach dem Leben trachte­ten" (125). „Man konnte [ ...] von soundsoviel Leuten hören, wenn die Amerikaner zurückgeworfen würden, koste es dem Dr. Hofmann seinen Kopf, weil er die Stadt kampflos übergeben hat", spekulierten die Lichtenfelser Bürger zu Recht, denn Hofmann hatte sich den ausdrücklichen Befehlen der Kreisleitung bewusst widersetzt. Er selbst beschreibt seine Gründe für diesen Schritt so:

„Ich kann es nicht verantworten, die Stadt in Schutt legen zu lassen, und übergebe sie aus diesem Grund bedingungslos den Amerikanern, wozu ich mich der Einwohnerschaft gegenüber verpflichtet fühle." (126)