Beilagen

 

Eva-Maria Allert:
Das Lichtenfelser Schützenfest

Titel
Inhalt
1. Vorgeschichte
2. Erstes SF 1811
3. Schießen
4 Schützenwiese

Das erste Lichtenfelser Schützenfest



Blick zur Spitalkirche (links) und zum Bamberger Tor (Bildmitte). Im Hintergrund die Türme der Stadtpfarrkirche und des oberen Tores. Das Gemälde aus dem Jahre 1828 befindet sich im Besitz der Staatl. Bibliothek Bamberg.

 

Einen äußerst lebendigen Bericht von diesem ersten Freischießen und ein anschauliches Bild von der Landschaft, in der es stattfand, gibt uns Bibliothekar Jäck in seinem Taschenbuch „Bamberg und dessen Umgebung". Jäck schreibt:

 

„Plötzlich rollte ein außerordentlicher Kanonendonner den Maingrund herab, dicke Rauchwolken erheben sich zwischen Banz und 14-Heiligen im fernsten Hintergrund, die ganze Länge der Chaussee ist mit Reisenden so bedeckt, dass es den Anschein gewinnt, als wären alle Bewohner der Stadt Bamberg durch jenen Kanonendonner aus ihrem Schlummer erweckt worden. 

Neugierig nach der ungewöhnlichen Erscheinung eilen wir den Berg hinab in unsern Wagen und folgen der Rauchwolke entgegen der langen Reihe von Karossen nach . . . Nur unter flüchtigen Seitenblicken auf den perpendiculär sich erhebenden Staffelberg und der auf das schöne Gut Au gelangen wir in Staffelstein an. wo wir durch die wiederholten Stöße, welche wir vom schlechten Pflaster leiden, nur noch heftiger in unserm Wortwechsel werden. Endlich eröffnet sich der schönste Grund des Bamberger Landes durchschlängelt vom Main in 100 Krümmungen -, beherrscht vom Staffel- und Banzer Berge. Während wir uns mit dem Plane beschäftigen, die äußerst schöne Wallfahrtskirche von 14-Heiligen bey dieser schicklichen Gelegenheit zu besuchen, ruft uns die Glocke der rivalisierenden Nachbarin zur wiedergeborenen Rosenkranz-Bruderschaft . . . 

Der Kanonendonner wird unterdessen vernehmlicher, die Rauchwolke vergrößert sich, die schönste militärische Musik durchdringt unser Innerstes, unsere Geruchsnerven werden durch die ungewöhnlichen Dämpfe von Bratwürsten gereizt, das Städtchen Lichtenfels - einst nur der Burgsitz eines Großen gleichen Namens liegt vor uns in seiner ganzen Ausdehnung; unsere Sehnsucht steigt und unsere Rosse, deren Magenwände sich zu reiben scheinen, eilen mit beflügelten Schritten dahin. In der Linie des Burgberges, dessen einst reiche Bewohner (z. B. von Orlamund) ihren Sitz der ärmsten Classe von Tagelöhnern eingeräumt haben, zeigt sich uns eine eckelhafte Abbildung des gekreuzigten Jesus und seiner beyden Schächer, welche wahrscheinlich nach dem Muster der gleich abscheulichen Bildnisse in der mit einem Galgen (wozu?) noch jetzt versehenen Vorstadt Staffelstein geschnitzt wurden. Hinter dem Bürgerspitale und einigen anderen Gebäuden, welche als die erste Vorstadt im nächsten Jahre noch durch eine Reihe gleich geformter Häuser vermehrt werden sollen, ist die von Mauern und Gräben eingeschlossene Stadt versteckt; ein hoher Wachtthurm von alten festen Sandsteinen mit dem Wappen des Orts Lichtenfels und des Fürstb. Joh. Gottfried v. Aschhausen v. 1618 eröffnet uns den durch ein altes Vorgebäude verfinsterten Eingang. Die gerade holperichte Landstraße führt uns neben dem aus den Ruinen des Burgschlosses erbauten Rathhause auf den breiten Marktplatz, wo sich soeben 36 Karossen voller Lustreisender zusammendrängen. Wir verlassen eilig unseren Wagen, um in einem der beyden Gasthäuser ein gutes Nachtquartier vor Andern zu bestellen; allein auch bey der größten Eilfertigkeit kommen wir zu spät, indem die Fremdlinge der 34 Chaisen schon die wenigen Gastzimmer in Besitz genommen haben. So tröstet uns schon der Wirth mit der vom K. Landgerichte getroffenen Einrichtung, dass alle übrige Fremde in den Gebäuden anderer wohlhabender Bürger Nachtquartier finden würden. Froh, uns aus dieser ungewöhnlichen Verlegenheit wieder befreyt zu wissen, wandeln wir durch eine lange Seitenstraße über zwey Kanäle des Mains dem Schießplatz zu, welcher erst am Ende der Stadt sichtbar wird.

 Plötzlich stellte sich das ganze Etablissement zum Vergnügen unserem Auge dar; unzählige Menschen durchkreuzen sich hier auf dem schönsten Wiesengrunde unter dem wohlthätigsten Schatten und höchst aromatischen Geruche 100jähriger Lindenbäume. Zur Rechten ist eine hohe Vogelstange und ihr gegenüber ein niedliches chinesisches Haus errichtet, dessen vier grüne Vorhänge die Scharfschützen gegen Sonne, Wind und Regen in gleichem Maße sichern. Diesem zur Seite steht ein sehr geschmackvoll koloriertes italienisches Gebäude von 60 Schuhen in der Länge - 20 in der Breite und Höhe mit drey vorspringenden Pavillons; neugierig nach dessen innerer Einrichtung betreten wir es sogleich durch die nahe Seitenthür. In diesem Hause finden wir zahlreiche Diener der Schützen mit dem Laden der Büchsen zum Erringen des Ehrenpreises so beschäftigt, dass man sich ohne zu genieren kaum durchwinden kann. Wir bleiben vor der Barriere des ersten Pavillons stehen, in welchem sich der Protokollist über die einzelnen Schüsse beschäftigt; der Schützenmeister (diese Ehrenstelle wird in kleinen Städten gewöhnlich den reichen Bürgern überlassen; auch in Lichtenfels ist sie dem H. Hauptmann der Bürgermiliz, kön. Salzfactor, Besitzer sehr vieler Walddistrikte - einer Potagen- und Porzellanfabrik, Groß- und Kleinhändler in Tuch-, Galanterie- und Spezereywaaren, Spediteur, Kommissionär, Holzhändler engros Felix Silbermann anvertraut) kommt uns entgegen. Wir . . . entrichten das bestimmte Opfer zur Aufnahme in die Gesellschaft, und begeben uns mit einem blau-weißen Ordenszeichen beehrt einstweilen zur Ansicht der übrigen Anstalten durch die entgegengesetzte Flügelthüre. 

Erst hier bemerken wir, dass das ganze Viereck zum dreyfachen Scheibenstande verplankt und mit jungen Pappelbäumen, welche über den neugierigen Pöbel wohltätigen Schatten verbreiten, besetzt ist. Auch das mit einer blauweißen Fahne gezierte Schießhaus maßkirt den Stamm einer tausendjährigen Linde, deren Seitenäste sich weit über dasselbe ausbreiten, und deren Haupt sich hoch in den Wolken verliert. Dicht an dieses Haus reihen sich fünf Zelte, deren jedes zur Aufnahme einer großen Familie hinlänglichen Raum bietet . . . An diese kleineren Zelte schließt sich ein allgemeines Gastzelt zum Bewirthen zahlreicher Fremden an; nach einem schmalen Zwischenraume folgt ein langes breites und hohes Gebäude mit Fichtenstrauch zierlich umwunden. Noch unbekannt mit dessen Zwecke ist uns ein Einheimischer mit der Belehrung willkommen, dass dieses nach dem Muster des französischen Schlosses Trianon errichtete Gebäude zum Tanze bestimmt sey. Gleich daneben sehen wir eine Reihe Dampfmaschinen zu Bratwürsten und anderen Fleischspeisen, deren Geruch sich in die weiteste Umgebung verbreitet. Hinter einer langen Reihe von kleineren Zelten und Hütten belustigt sich die männliche und weibliche Jugend dem Geiste unseres reitlustigen Zeitalters gemäß auf einem Karoussell von 4 Pferden, und eine große Halle schützt die Spieler von zwey Kegelbahnen vor zu großer Sonnenhitze. 

Mühsam wenden wir uns auf der Rückkehr durch die vermehrte Volksmenge zu den hinter dem Tanzhause aufgestellten Buden von Galanterieund Zuckerwaren, wohin die manigfaltigsten Gegenstände Käufer aus allen Gegenden locken, und kehren endlich in das Schießhaus zurück, um unsere Kunst an der Vogelstange sowohl als Scheibe zu erproben. Noch haben wir das Ziel nicht erreicht, und die Trompete ruft uns schon zur Tafel in das allgemeine Gasthaus. 

Daß diese neue Anlage aus allen Gegenden einen außerordentlichen Zusammenfluß von Menschen bewirken würde, war um so gewisser zu erwarten, je bekannter schon die Stimmung der Einwohner von Lichtenfels für Freuden des Lebens besonders seit der Errichtung des Gesellschaftstheaters geworden ist, und je leichter und ungezwungener auch jeder Fremde mit ihnen sympathesiren kann; dass sich aber zur Table d'Hotes noch mehr Fremde einfinden würden, als der Raum erlaubt, und dass die Einheimischen aus Delicateß sich zurückziehen würden, um den Fremden Platz zu geben, übertrifft noch unsere Erwartung. Die Auswahl, Zahl, Mischung und Zubereitung der seltensten und kostspieligsten Speisen setzten uns bald außer Zweifel, dass der Koch und Leiter des ganzen Tisches, Heinrich Krappmann, in großen fürstlichen Hofküchen müsse erzogen und gebildet worden seyn. Die durch Rollzüge nach Belieben beweglichen Seitenwände von Leinwand öffnen der äußeren Atmosphäre einen freyen Zutritt in das von Menschen angefüllte allgemeine Gastzelt. Die muntersten Gespräche, reine Getränke, und ein vollständiges Orchester würzen die niedlichen Speisen, und stimmen die Gemüter aller Anwesenden zur besonderen Fröhlichkeit. Zahlreiche Toasts unter dem Kanonendonner, Trompeten- und Paukenschalle auf das Wohl des königlichen und herzoglichen Hauses sowohl als der ganzen Gesellschaft schließen das festliche Mahl . . . 

Der Abend nahet unterdessen heran, wir schreiten durch das unthere Thor* auf der Hauptstraße der Stadt vor, unsere Aufmerksamkeit wird wieder durch eine außerordentliche Erscheinung gefesselt; das Zusammenströmen der festlich gekleideten Stadtbewohner nach dem in der Mitte stehenden Rathhause bringt uns auf die Vermuthung, dass nach dem öffentlichen Anschlagzettel soeben Thaliens Tempel daselbst geöffnet wird . . . Zum heutigen Sujet ist der Fridolin von Holbein gewählt worden; die Zahl der Zuschauer wird außerordentlich groß.

 Nach beendigtem Schauspiele eilte die große Menge von Zuschauern und Spielern dem Schießhause wieder zu, wo selbst bereits der Ball im Trianon eröffnet ist. Dieses durch vier Lustres erleuchtete Tanzhaus öffnet sich durch zwey große Thüren in den Wiesengrund, auf welchem die erhitzten Tänzer im Mondschein sich abkühlen können; in der Mitte des Saales ist eine Erhöhung, auf welcher die einheimischen berühmten Tonkünstler die schönsten Proben ihrer musicalischen Fertigkeit geben. Dadurch wird derselbe in zwey Theile gleichsam geteilt und der unschätzbare Vortheil gewonnen, dass die eigentlichen Honorationen und civilisirteren Bürgerlichen zwey geschlossene Reihen bilden, und auf diese Art jede Kollission beseitigen können. Doch diese ist auch nicht von ferne zu besorgen: vielmehr gehen alle Anwesende so harmonisch und vertraulich mit einander um, dass man glauben sollte, sie gehören zu einer einzigen großen Familie. Tritt eine musicalische Pause ein, so zieht man sich theils in das allgemeine Gastzelt, theils in eines der außen und innen beleuchteten Privatzelte zurück, oder drängt sich an einer der beiden Bogenöffnungen zu der im Hintergrund des Tanzsaales angebrachten Spieshalle, aus welcher Erfrischungen jeder Art in großen Pokalen gereicht werden. Vom übergenuße der Vergnügungen betäubt, lassen wir uns endlich in die uns bestimmten Privathäuser führen, um uns zur Ruhe, zu begeben. 

So durchkreuzten sich die Festlichkeiten jeden Tag der Woche; erst die wiederkehrende Morgensonne setzte der Fröhlichkeit der Tänzer Schranken und gebot ihnen, sich für den kommenden Tag durch einen kurzen Schlaf neue Kräfte zu geben. Der letzte Tag war der feyerlichste geworden durch die Anwesenheit seiner Durchlaucht des Herzogs Wilhelm von Baiern und durch eine Menge anderer höherer Personen aus Bamberg. Höchstdieselben kamen mit einer kleinen Suite zwischen 10 - 11 Uhr in Lichtenfels an: am Thore und am Schießplatze paradirte das Bürgermilitär, Trompeten und Pauken erschollen - unter dem lebhaftesten Donner der Kanonen - von der platten Verdachung des Schießhauses; der kurz davor unterrichtete H. Landrichter Schell und H. Schützenhauptmann hatten die Ehre, Se. Durchlaucht im Namen der ganzen Gesellschaft zu empfangen und von allen Verhältnissen zu unterrichten. Gegen 7 Uhr abends kehrten Höchstdieselben zusammen sehr vergnügt nach Bamberg zurück, und gaben zwey Tage hernach bey der Preisverteilung Höchst-Ihre besondere Zufriedenheit in einem gnädigsten Handbillet und durch eine schwere goldene Medaille mit dem Bilde von Höchst-Ihnen und der Durchlauchtigsten Frau Gemahlin, welche wie ein Ordenszeichen der Schützengesellschaft zum ewigen Andenken und bey den jährlichen Feierlichkeiten dem Hauptmanne zur besonderen Decoration dienen wird, zu erkennen. Auch die Tonkünstler, welche an diesem trüben Tage vorzüglich zur erhöhten Munterkeit der zahlreichen Gäste beygetragen hatten, und die flüchtigen Bedienten wurden von HöchstDenselben reichlich beschenkt. 

Die dicke Finsterniß in der Nacht jenes Donnerstags wurde durch Beleuchtung des Schießhauses auf geraume Zeit wieder verscheucht. Während dieser Illumination wurde auch ein Feuerwerk abgebrannt, welches sich aber durch die Ungeschicklichkeit der Fabrikanten desselben beinahe auf eine für viele Menschen sehr tragische Art beendigt hätte. 

Zur Beförderung dieser Festlichkeiten trugen alle Jahre und besonders am zweyten Tage die Honoratien von Koburg durch zahlreiche Theilnahme ganz vorzüglich bey, und erprobten auf diese Art vom Neuen die schöne Eintracht, welche zwischen den Bewohnern von Lichtenfels und Koburg schon seit Jahrhunderten herrscht. Die ausgezeichnete Achtung, mit welcher man ihnen hier zu begegnen suchte, haben sie während des Freischießens außer ihrem Stadtbezirke im vollsten Maße erwiedert. Dazu waren ihre glänzenderen Anstalten, zu deren ausführlicher Beschreibung sich vielleicht einst Gelegenheit geben wird, sehr beförderlich. 

Auch die Schützengesellschaft von Cronach bewies ihre lebhafte Theilnahme an den Festins zu Lichtenfels durch einige Abgeordnete, aus welchen einer sogar den ersten Preis daselbst gewann: sie behielt sich vor, die empfangenen Gefälligkeiten den Einwohnern von Lichtenfels zu erwiedern und hat ihr Wort redlich erfüllt." 2) 

Vergleicht man dieses einmalige Schützenfest mit heutigen Veranstaltungen, wird man viele Parallelen feststellen können. Damals wie heute nahm die Bevölkerung starken Anteil an den gesamten Festlichkeiten. Auch der Kontakt mit anderen Schützengesellschaften, wie hier mit denen von Coburg und Kronach, war bereits sehr eng. In den Schützenvereinen lässt sich aber ein Wandel erkennen. Ihre Mitglieder kommen heute aus allen Schichten der Bevölkerung, die Schützengesellschaften sind nicht mehr ein Privileg des wohlhabenden Bürgertums.

 

Man mag wohl der euphorischen Schilderung des Bibliothekars Jäck mit Skepsis gegenüberstehen, dennoch muss dieses Schützenfest im Jahre 1811 als eines der bedeutendsten der Lichtenfelser Schützengesellschaft gesehen werden.  

Der Verein war für seinen ersten Versuch verhältnismäßig groß. In der Zeit vom 21. bis 25. Juli 1811 traten 74 Personen der Schützengesellschaft bei. Darunter waren 28 Lichtenfelser, 12 Kronacher, 5 Coburger und 4 Bamberger, während die übrigen aus dem Umland kamen.

 

Wer am Schießen teilnehmen wollte, musste mindestens für ein Jahr Mitglied der Gesellschaft sein. Im Gründungsjahr konnte der Verein auch einige höchst vornehme Herren als Ehrenmitglieder in seinen Listen verzeichnen, so z. B. Herzog Wilhelm von Bayern, den Schloßherrn zu Banz, Stephan Freiherr von Stengel, den Regierungspräsidenten des Obermainkreises, und den Herzoglich Bayerischen Hofmarschall Generalmajor Baron von Massenbach aus München. Das Herzogliche Haus in Coburg war vertreten durch den Reichsmarschall und Türkenbezwinger Prinz Friedrich Josias.3)

 

Für die Jahre 1818 bis 1834 sind nur spärliche Nachrichten über den Fortgang des Schützenwesens vorhanden. Ab 1819 wurde darauf verzichtet, die mit so großem Erfolg begonnenen Schützenfeste fortzuführen. Der hohe Aufwand für die Durchführung der glänzenden Feste konnte wohl auf die Dauer nicht getragen werden. Zwangsläufig folgte dem schwungvollen Auftakt eine Zeit des Rückgangs und der Ermüdung.

 

Doch die Menschen erinnerten sich gerne an die stolzen Tage von 1811 bis 1818. Als der Kaufmann und Magistratsrat Johann Baptist Silbermann, ein Sohn des oben erwähnten Felix Silbermann, sich entschloss, die alte Tradition fortzuführen und pflegen zu wollen, folgten viele seinem Beispiel. Im Jahre 1834 erneuerten 74 Männer aus Lichtenfels und der näheren Umgebung ihre Mitgliedschaft bei der Gesellschaft oder traten dem Verein bei.

 

Am 29. Mai 1834 erfolgte die sogenannte zweite Taufe der Schützengesellschaft. Die Schützengesellschaft wollte dem Freischießen einen volksfestartigen Charakter verleihen und deshalb Spiele veranstalten und zulassen. Dazu musste aber eine Erlaubnis von der Regierung in Bayreuth eingeholt werden. Die Behörde verbot Hazardspiele, ließ jedoch kleine und nur zur Erhöhung des Vergnügens dienende Gesellschaftsspiele zu. Solche Unterhaltungen aber wollten die Schützen. So stand dem Freischießen nichts mehr im Wege.

 

1872 wurde das erste und vorläufig einzige Kinderfest gefeiert. „Jubelnd begrüßen unsere Kinder das bevorstehende Kinderfest", schreibt das Tagblatt, und am 24. Juli war es endlich so weit: mittags um ein Uhr versammelte sich die Schuljugend am Rathaus. Unter den Klängen des Musikkorps des 7. Infanterie-Regiments bewegte sich der Zug vom Rathaus durch das Obere Tor zur Friedenslinde. Voraus marschierten Knaben mit Fahnen und blauweißen Schärpen, dann folgten die Musik und die städtischen Fahnen. Auf einem reich verzierten Wagen, der von Jugendlichen gezogen wurde, konnte man den Kriegsgedenkstein sehen, der an der Friedenslinde gesetzt werden sollte. Er wurde begleitet von Mädchen in weißen Kleidern und blauen Schärpen, die Girlanden und Kränze trugen. Zum Schluss kamen die königlichen und städtischen Beamten und die gesamte Schuljugend - insgesamt 400 Teilnehmer. An der Friedenslinde erläuterte dann der Bürgermeister in einer Ansprache den Zweck des Festes und eiferte die Jugend zur Vaterlandsliebe an. Hierauf folgte unter fortwährendem Kanonendonner die Setzung des Gedenksteines. Anschließend begab sich der Zug wieder zur Stadt hinunter, deren Häuser mit Fahnen und Blumen geschmückt waren, und weiter zum Schießplatz, wo sich ein reges und fröhliches Treiben entfaltete: alle Kinder erhielten kostenlos Bratwürste, sie machten Spiele und besuchten Buden, Karussells und Kasperltheater. Jung und alt war begeistert, und überall sah man lachende Gesichter.4)



Anmerkungen

2) Jäck, „Das Lichtenfelser Schützenfest im Jahre 1811", in „Bamberg und dessen Umgebungen", S. 161-180

3) Lichtenfelser Tagblatt, 1956/Nr. 161

4) Lichtenfelser Tagblatt, 1872/Nr. 173