Beilagen

 

Eva-Maria Allert:
Das Lichtenfelser Schützenfest

Titel
Inhalt
1. Vorgeschichte
2. Erstes SF 1811
3. Schießen
4 Schützenwiese

Die Schützenwiese


Der Schützenanger um 1730,
damals noch Schiffanger genannt (Ausschnitt aus einem Lichtenfelser Flurplan um 1730. In der Mitte des Bildes die erste Schießhütte. Rechts dahinter die Lange Brücke sowie der Eingang zur Alten Coburger Straße mit Geleitstein und Zolltafel. Im Vordergrund links der Turm der Spitalkirche, rechts die Spitze des Bamberger Tores.)

 

 

Eng mit dem Lichtenfelser Freischießen ist der Ort verbunden, auf dem seit mehr als 250 Jahren dieses gefeiert wird, die Schützenwiese. Obwohl sie mitten in der Stadt liegt, bleibt sie doch vom störenden Verkehr verschont und bildet somit einen idealen Vergnügungspark inmitten einer freundlichen Umgebung.

 

Die Schützenwiese wird vom Main und Mühlbach begrenzt; mächtige Linden, hohe Pappeln, dazu Eschen und Weiden bieten den Festbesuchern Schutz vor Sonne und Wind und schmücken den Schützenplatz. Von hier aus kann man auf Burgberg und Herberg blicken und in weiterer Ferne noch Schloss Banz und den Staffelberg sehen. In der Mitte des Schützenangers liegt heute das Schützenhaus, an dessen Biergarten sich während des Schützenfestes die Betriebe und Schausteller anreihen.

 

Im 16. Jahrhundert wird der Burgberg als Schießplatz angegeben. Er darf wohl als die älteste Schießstätte angesehen werden. Wann aber zum ersten Mal auf der heutigen Schützenwiese geschossen wurde, ist nicht genau bekannt. Wahrscheinlich war es zu Anfang des 19. Jahrhunderts, denn erstmals wird die Schießmauer auf dem Anger im Jahre 1827 erwähnt. Damals bezeichnete man das große, unbebaute und öde Gelände nördlich des Mühlbaches als „Gemeinanger". Mit der wirtschaftlichen Entfaltung der Stadt wurde erst allmählich der Platz in den oberen und unteren Anger, sowie in den Schlaf- und Steinanger unterteilt. Der an die Stadt angrenzende Teil hieß S c h i f f a n g e r . Dieser Name tauchte erstmals kurz nach dem Bauernkrieg im Jahre 1526 auf. Nach einer Forstrechnung aus diesem Jahr gab der Forstmeister den Bürgern der Stadt 24 kleine Hölzer zum Wasserbau auf dem Schiffanger. Auf diesem Schiffanger arbeiteten die Lichtenfelser Schiff- und Schelchmacher. Ihre Schelche fuhren nicht nur bis Schweinfurt, Würzburg und Frankfurt, sondern vollbeladen mit Waren den Rhein abwärts bis nach Holland.

 

Die beigehefteten historischen Bilder verdeutlichen die Lage der Schützenwiese: Das obere Bildzeigt einen Ausschnitt aus einem Lichtenfelser Flurplan um 1730. Der Anger ist hier noch völlig kahl, nur einen alten, kräftigen Baum, vielleicht eine Linde, kann man erblicken. Ferner sieht man zwei kleine Hütten; die eine stellt die Werkstätte von Schiffmachern, die andere bereits die erste Schießhütte dar, vor der ein Schelchmacher bei der Arbeit zu erkennen ist. Rechts dahinter erstreckt sich die Lange Brücke, die zur Alten Coburger Straße mit Geleitstein und Zolltafel führt. Links im Vordergrund erhebt sich der Turm der Spitalkirche, rechts ragt die Spitze des Bamberger Tores hervor.

 

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts starb das Handwerk der Schiffmacher am Main aus. Die Ursache hierfür war wohl ursprünglich die Entstehung von Fuhrunternehmen, dann der Ausbau der Eisenbahn, die den Verkehr auf dem Wasser zurückdrängten.

 


Stammbuchblatt: Lichtenfels im Jahre 1816.
Tuschzeichnung eines unbekannten Porzellanmalers aus Lichtenfels oder Hausen. Das Original befindet sich in Privatbesitz in Bamberg. Auftraggeber war Bürgermeister und Porzellanfabrikant Joseph Silbermann in Lichtenfels.

Dieses Bild zeigt im Vordergrund den mit Linden und Pappeln bepflanzten Schützenanger. In seiner Mitte befindet sich der Schießplatz mit dem Schützenstand und dem Mast mit Adler, der beim Vogelschießen als Ziel benutzt wurde. Wann der Anger mit Bäumen bepflanzt wurde, ist aus den vorliegenden Quellen nicht genau zu entnehmen, doch gibt es eine Notiz aus dem Jahre 1715, in der es heißt: „Die Linden auf dem Anger sollen unten mit Pfählen ringsum eingezäunt werden." 14)

 

Laut Stadtrechnung von 1716 zahlte der Bürgermeister dem Banzer Klosterjäger vier Pfund sechs Pfennig Trinkgeld für die Lindenwildlinge, die er für den Anger beschafft hatte. Doch die damals gepflanzten Linden stehen schon lange nicht mehr, denn der Angerboden war nicht für sie geeignet, und so konnten sie dort nicht richtig gedeihen. Trotzdem bemühten sich die Bürger immer wieder, die Linden auf dem Anger zu erhalten. Der Stadt stand das Hutrecht unter den Linden zu, sie nutzte es aber nicht. Noch im Jahre 1750 durften die Bürger Schweine und Gänse dorthin treiben. „Der Schiffanger bei der Schießmauer hat Gemeine Stadt allein zu behüten, ist aber wegen der Schweine und Gänsen mit zu genießen." 15)

 

Der Taglöhner Lorenz Müller erhielt 1807 zwei Gulden, weil er 16 Linden im Wald ausgegraben und auf den Schießanger gesetzt hatte; 1808 pflanzte er noch einmal 16 Linden.16)

 

Die Stadtrechnungen geben noch mehr Aufschluß über die weitere Bepflanzung. Im Jahre 1834 wurden 25 Pappelbäume, die aus einem Grundstück Felix Silbermanns stammten, gepflanzt. Zwei Jahre später wurde die Schießbahn mit 41 Pappeln umsäumt, die wieder Silbermann zur Verfügung stellte. Diese Pappelanpflanzungen wurden in den Jahren 1838/39 und 1855 fortgesetzt, aber sie hatten keine große Lebensdauer. Im Laufe der Zeit mussten alle Bäume gefällt werden, die letzte und älteste Pappel im Jahre 1935 aus Gründen der Sicherheit, da sie völlig hohl war.

 

1856 beschloss der Magistrat, das Viehhüten auf dem Schießplatz mit einem Gulden und dreißig Kreuzern zu bestrafen. Diese Androhung blieb aber wirkungslos, und so wurde „die Verpachtung der Grasnutzung am Schießanger, jedoch ohne alle Garantie einer Ernte", beschlossen.l7)

 

Zur Verschönerung des Platzes vor dem Schießhaus legte man 1873 ein Rondell an. Doch dieser Blumenschmuck konnte ebenfalls nicht richtig gedeihen, da immer noch Gänse und Hühner frei herumliefen.

 

Neue Gefahren drohten dem Schießanger durch die Stadterweiterung. Er sollte für Bauplätze herangezogen werden. Im Jahre 1921 erschien ein Inserat im „Lichtenfelser Tagblatt": „Aufruf an Alle! Große Protestversammlung gegen den Beschluss des Stadtrates wegen Bebauung des Schießangers, unseres letzten Restes ungeteilten Eigentums, des Tummelplatzes unserer Jugend!"18) Diese von den Gegnern der Bebauung des Schießangers einberufene Protestversammlung wurde von vielen Bürgern der Stadt besucht, und alle forderten, dass der Anger in seiner jetzigen Gestalt der Bevölkerung, besonders im Interesse der Hausfrauen und der Jugend, erhalten bleiben müsste.

 

Die Versammlung nahm folgende Resolution einstimmig an: „Die heute, Dienstag, den 21. Juni, abends 8 Uhr im Saale der Witwe Püls versammelten Bürger und Sportanhänger der Stadt Lichtenfels erheben hiermit schärfsten Protest gegen den gefassten Beschluss des Stadtrates betreff Bebauung des Schießangers bzw. Sportplatzes des Fußballclubs. Der Schießanger soll und muss ein für alle mal als öffentlicher Platz dienen, was er seit Menschengedenken gewesen ist. Und zwar als Schießplatz der Scharfschützen, Übungsplatz der Feuerwehr, Belustigungsplatz für Volksfeste und andere Belustigungen, Turnplatz der Turnvereine, Tennisplatz der Tennisspieler, Sportplatz der Sportvereine, Tummelplatz der Jugend, Weideplatz der Gänse und Ziegen, Lagerplatz der Holzhändler, Wäschebleiche der Hausfrauen."19)

 

Diesem Antrag war ein großer Erfolg beschieden: die Schützenwiese konnte der Bevölkerung erhalten bleiben, wenn sie auch heute nicht mehr so viele Funktionen innehat wie zur damaligen Zeit.

 

1939 wurde beabsichtigt, den Anger in einen Stadtpark zu verwandeln, doch konnte diese Idee wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges nicht verwirklicht werden. Später geriet das Vorhaben wieder in Vergessenheit. Auch der 1955 geäußerte Wunsch von den Sportverbänden, auf dem Anger ein modernes Stadion zu errichten, wurde nicht in die Tat umgesetzt, und somit blieb die Schützenwiese als Vergnügungspark bis heute erhalten.



Anmerkungen

14) Stadtarchiv Lichtenfels, Schützen-Karteikarte 1715
15) Stadtarchiv Lichtenfels, Schützen-Karteikarte 1750
16) Stadtarchiv Lichtenfels, Schützen-Karteikarte 1807/08
17) Stadtarchiv Lichtenfels, Schützen-Karteikarte 1856
18) Lichtenfelser Tagblatt, 1921/Nr. 140 1
19)  Lichtenfelser Tagblatt, 1921/Nr. 141