Beilagen

 

Eva-Maria Allert:
Das Lichtenfelser Schützenfest

Titel
Inhalt
1. Vorgeschichte
2. Erstes SF 1811
3. Schießen
4 Schützenwiese

Vom Schießen der Schützen


Schützen-Festscheibe aus dem Jahre 1864, erinnert an die Eröffnung des neuen Schießhauses.

 

Berichtet man aber von Schützenfesten, ist es unerlässlich, auch von dem eigentlichen Kern eines jeden Schützenfestes, dem Schießen, einen Eindruck zu vermitteln.

 

Die Einlage für das Schießen bestand aus einem Gulden und dreißig Kreuzern (1 fl 30 kr) für das Los. Alle Gattungen gezogener Büchsen und Standrohre waren zugelassen. Bis zum Aufkommen der Freischießen wurde mit aufgelegtem Gewehr geschossen. Die Büchsen waren Vorderlader. Eigene Ladetische, an denen nicht geraucht werden durfte, waren außerhalb der Schießstände aufgestellt. Dort wurden zuerst die Zündhütchen in die Gewehre eingesetzt, und dann maß man das notwendige Quantum Pulver mit dem Pulvermaß ab, das nach der Entfernung, auf welche geschossen wurde, abgestimmt war. Dieses Pulvermaß war ein kleines röhrenförmiges Gefäß aus Messing, das mit einer Stricheinteilung und einem verschiebbaren Boden versehen war; je weniger Pulver für den beabsichtigten Schuss benötigt war, desto höher wurde der Boden des Pulvermaßes geschoben. Wenn das Pulver in den Lauf geschüttet war, wurde ein Propfen aus Leinen nachgeschoben und die eingefettete Kugel in den Lauf gebracht. Sie musste nun mit dem Ladestock so lange nach unten gestoßen werden, bis beim Stoßen kein hohler Klang mehr zu hören war und der Ladestock leicht zurücksprang. Das war das Zeichen, dass die Kugel auf dem Boden fest aufsaß.

 

Es gab damals nur zwei Schießstände. Sie waren vollständig abgeschlossen, damit der Schütze ungestört seinen Schuss abgeben konnte. Nur ein kleines, rundes Glasfenster in der Türe ermöglichte einen Einblick in den Stand. Nach jedem Schuss musste der „Schießgeselle" den Stand verlassen und einem anderen Schützen Platz machen, da das oben beschriebene Laden der Büchse eine längere Zeit in Anspruch nahm.

 

Die Scheiben waren dreiteilig und nur „Dreier"- und „Zentrum"-Treffer wurden gewertet. Im Mittelpunkt der Scheibe, die unbeweglich war, befand sich ein Rohr. Gelangte die Kugel in das Zentrum und damit in das Rohr, wurde ein Mechanismus ausgelöst, der eine Figur, einen Bajazzo, hochschnellen ließ. War das Zentrum einmal von einem Schützen getroffen worden, wurde das Schießen eingestellt und eine Kommission begab sich an den Schützenstand, um festzustellen, ob es damit seine Richtigkeit habe. War dies der Fall, wurde der Schütze vom Scheibenstand zum Schießhaus geführt, die Musik und die Zieler begleiteten ihn, und die Festbesucher jubelten.

 

Das ganze Schießen wurde von den Schützenmeistern und Kleinodienmeistern beaufsichtigt und geleitet. Da man eine so anstrengende Tätigkeit nicht umsonst verlangen konnte, hatten die Schützenmeister das „Zuckerwasser", das sie während des Schützenfestes tranken, frei. Der Genus von Bier war ihnen bei der Durchführung ihres schweren Amtes nicht gestattet.5)

 

Der Erste Weltkrieg beendete für mehr als vier Jahre jede praktische Tätigkeit der Schützengesellschaft, und auch auf die Durchführung der Schützenfeste musste in den Jahren 1915 - 1918 verzichtet werden.

 

Am 3. August 1919 konnte nach fünfjähriger Pause erstmals wieder das „Freischießen" durchgeführt werden, allerdings nur drei Tage lang. Das „Tagblatt" schrieb damals: „Es war das altgewohnte, anmutige, so viele Jahre vermisste Bild, dass der Festzug sich unter den Klängen der Bamberger Militärmusik und unter Teilnahme der eingeladenen Vereine nach dem Schießanger bewegte; doch war etwas anders wie sonst. Die Zeiten haben sich geändert und auch die Menschen. Die reine Festesfreude und Stimmung kam nicht zum Durchbruch."6)

 

Die Schützenfeste von 1921, 1922 und 1923 standen im Zeichen der Inflation. Das Treiben auf dem Festplatz verlief wie in früheren Zeiten, aber man musste jetzt mit Zehntausendmarkscheinen Dinge bezahlen, die man früher für zehn Pfennig erhielt.7)

 

Am 20. September 1925 konnte die Scharfschützengesellschaft eine seltene Ehrung begehen: Ehrenschützenmeister Kommerzienrat Krauss feierte das Goldene Schützenjubiläum. Mit herzlichen Worten wurden die hohen Verdienste des Jubilars um die Schützensache hervorgehoben. Anlässlich seiner 50jährigen Mitgliedschaft bei der Schützengesellschaft wurde er zum Ehrenschützenmeister des Oberfränkischen Schützenbundes ernannt und zugleich wurde ihm die Ehrenschleife des Verbandes (Prinz-Alfons-Erinnerungszeichen) überreicht. 8)

 

Mit der Machtübernahme durch Hitler brachte das Jahr 1933 die Gleichschaltung der Gesellschaft im Sinne der Richtlinien der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei. Ein Versuch, sich diesem Eingriff nach Möglichkeit zu entziehen, blieb erfolglos. Doch am 4. 3. 1933 lehnte die Schützengesellschaft die offizielle Teilnahme an der von der NSDAP veranstalteten öffentlichen Kundgebung noch mit der Begründung ab: „Wir haben uns in dieser Sache an den Deutschen Schützenbund gewandt und von daher die Weisung erhalten, dass unsere auf vaterländischem Boden stehenden Schützenvereine sich nur dann an derartigen Veranstaltungen beteiligen sollen, wenn dazu von der Regierung selbst oder von der Gesamtheit der vaterländischen Verbände aufgerufen wird."9)

 

Am 17. November fand die entscheidende Generalversammlung im Schützenhaus statt. Die vom Führer des Deutschen Schützenbundes für die Neugestaltung der Schützengesellschaften herausgegebenen Richtlinien und Vorschriften wurden bekannt gegeben. Für die Gesellschaft war bisher die Bayerische Schützenordnung von 1868 gültig gewesen. Die neuen Satzungen waren in der Hauptsache auf die Durchführung des Führerprinzips ausgerichtet. Sie bestimmten, dass nur noch der Führer, sein Stellvertreter und zwei Kassenprüfer gewählt wurden, während die Beiräte und Mitarbeiter vom Führer bestimmt wurden.

 

Gegen die Beibehaltung des bisherigen Namens war vom Deutschen Schützenbund nichts eingewendet worden. Da jedoch das königliche Privilegium durch die neuen Verhältnisse praktisch unwirksam wurde, beschloss die Versammlung, das „königlich" wegzulassen und den Namen „Privilegierte Scharfschützen-Gesellschaft Lichtenfels" zu führen. Udo Krauss wurde einstimmig zum Führer der Gesellschaft gewählt.10)

 

In der zweiten Julihälfte 1939 konnte, nur wenige Wochen vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, das Schützenfest in vollem Glanz noch einmal durchgeführt werden. Zum Kinderfest waren auch die Schulen der Nachbarorte Trieb, Seubelsdorf, Kösten, Schney und Mistelfeld eingeladen. Jede Klasse beteiligte sich mit einigen Gruppen.11) Während des Krieges fanden Schützenfeste nicht mehr statt, doch die Schießübungen wurden in beschränktem Umfang weitergeführt.12) Als Ersatz wurden 1942 Kriegsschießen veranstaltet, an denen auch benachbarte Schützengesellschaften teilnahmen, und 1944 konnte nochmals ein SA-Wehrschießen abgehalten werden.13)

 

Als der Krieg seinem Ende entgegenging, bestand die Privilegierte Scharfschützengesellschaft nicht mehr; ohne rechtliche Vertretung war sie aufgelöst.



Anmerkungen

5) Lichtenfelser Tagblatt, 1928/Nr. 160

6) Lichtenfelser Tagblatt, 1919/Nr. 178

7) Lichtenfelser Tagblatt, 1923/Nr. 166

8) Lichtenfelser Tagblatt, 1925/Nr. 216

9) Stadtarchiv Lichtenfels, Schützen-Karteikarte 1933

10) Lichtenfelser Tagblatt, 1933/Nr. 270

11) Stadtarchiv Lichtenfels, Schützen-Karteikarte 1939

12) Stadtarchiv Lichtenfels, Schützen-Karteikarte 1941

13) Stadtarchiv Lichtenfels, Schützen-Karteikarten 1942, 1943, 1944