BEILAGEN

 

Titelblatt

Inhalt

Vorwort

Einleitung

1500

1600

1700

1800

1900

 

Abbil-
dungen

Wiesen

Weismain

Kloster
Langheim

Kloster
Banz

Staffelstein

 

1600: Konfessioneller Kampf und humanistische Gelehrsamkeit

Ein Bewohner von Schney, der sich am 22. Dezember 1599 auf dem Weg nach Lichtenfels gemacht hätte, wäre in der eine knappe Wegstunde entfernten Stadt am Neujahrstag des Jahres 1600 eingetroffen. Denn im bambergischen Lichtenfels galt nicht derselbe Kalender wie im ritterschaftlichen Schney.

1582 hatte Papst Gregor XIII. nach jahrelangen Vorbereitungen eine Kalenderreform verkündet, die nötig geworden war, weil der Julianische Kalender nicht mit dem astronomischen Jahr übereinstimmte. Im Laufe der Zeit hatte sich die Differenz auf zehn Tage aufsummiert. Deshalb verfügte Gregor XIII., dass auf den 4. der 15. Oktober 1582 folge. In Bamberg führte Bischof Ernst von Mengersdorf (reg. 1583–1591) den reformierten Kalender im November 1583 ein [60] .

Die evangelischen Fürsten und Herren lehnten die neue Zeitrechnung ab, kam sie doch aus Rom. Daher gab es für mehr als ein Jahrhundert, bis zum Jahr 1700, zwei Kalender in Deutschland: den alten, an dem die Protestanten festhielten, und den neuen, der davon um zehn Tage abwich. Gerade in konfessionell gemischten Gebieten wie Franken machte der Kalenderstreit [61] die Unterschiede deutlich, feierten die Protestanten doch die Hochfeste nicht am selben Tag wie die Katholiken.

Die konfessionellen Gegensätze hatten sich um 1600 zugespitzt [62] . Die reformatorische Bewegung hatte um 1520 die Menschen am Obermain erfasst; die Masse wandte sich vom Katholizismus ab. Auch wenn der Elan der neuen Lehre nach wenigen Jahren verebbte, so gelang es doch der alten Kirche nicht, die Gläubigen zurückzugewinnen. 1552/53 okkupierte Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach einen erheblichen Teil des Hochstifts Bamberg, darunter Niesten, Burgkunstadt und später auch Lichtenfels, und setzte hier evangelische Geistliche ein, falls die amtierenden Pfarrer und Kapläne nicht ohnehin bereit waren, den markgräflichen Priestereid zu schwören, der sie auf die Augsburger Konfession verpflichtete. Auch wenn die Mehrzahl der evangelischen Geistlichen 1553/54 nach der militärischen Niederlage Albrechts vertrieben wurde – in den langheimischen Pfarreien Isling, Modschiedel, Altenkunstadt und Kirchlein sowie in den Pfarreien rechts des Mains konnten sie sich halten –, so belebte ihr Wirken doch das Gemeindeleben lutherischer Prägung.

Bis in die 1590er Jahre waren konfessionelle Gegensätze im Alltag wenig von Belang, zumal auch die fürstbischöflichen Beamten, bis in die Spitze des Hochstifts hinein, sich großteils zum evangelischen Glauben bekannten; Entsprechendes galt für die Klöster Banz und Langheim.

Als erster Reichsfürst wandte der Würzburger Oberhirte Julius Echter von Mespelbrunn (reg. 1573–1617) von 1585 an das ius reformandi an, das der Augsburger Religionsfrieden den Herrschenden zugestand: Er stellte seine evangelischen Untertanen vor die Wahl, katholisch zu werden oder das Land zu verlassen. Darüber hinaus drängte er seinen jeweiligen Bamberger Amtsbruder, es ihm gleich zu tun.

Doch die Bamberger Fürstbischöfe verhielten sich lange Zeit reserviert. Ernst von Mengersdorf (reg. 1583–1591) bemühte sich zwar in seiner Eigenschaft als Landesherr, vom kirchlich zuständigen Würzburger Bischof immer wieder ermahnt, die evangelischen Pfarrer in Döringstadt, Altenbanz, Marktzeuln und Marktgraitz abzusetzen; Erfolg hatte er allerdings nur in Altenbanz. In den übrigen Orten weigerten sich die Gemeinden, die Kirchentür zu öffnen und den ihnen vorgestellten katholischen Seelsorger anzunehmen. Gewaltsam einzugreifen, lehnte Ernst von Mengersdorf jedoch ab, um die evangelischen Nachbarfürsten nicht zu provozieren.

Erst Fürstbischof Neithard von Thüngen (reg. 1591–1598) gab dem Drängen Echters nach, brauchte er doch dessen Wohlwollen. Denn Thüngen wollte seine einträglichste Pfründe, die Würzburger Dompropstei, behalten, die er als Bischof eigentlich hätte resignieren müssen; überdies gab sein Lebenswandel zu Bedenken Anlass. So schwenkte er auf die Linie Echters ein.

Offenbar bewegte er die Äbte von Banz, Langheim und Michelsberg, zunächst ihre Hintersassen vor die Wahl zwischen Annahme des katholischen Bekenntnisses und Emigration zu stellen. Als sich erwies, dass ein – immer wieder befürchteter – flächendeckender Aufstand nicht ausbrach, begann auch der Fürstbischof, dieses Verfahren anzuwenden.

Die von Ort zu Ort unterschiedliche Reaktion der Untertanen schilderte der Scheßlitzer Schuster Hans Zeis in seinem Hausbuch so: „Haben sich ir viel bekert zum cotolischen Glauben [...]. Aber Steinach, Cronach und Zeuln haben sich greulich gewerd, die jenigen, so inn meins gnedigen Herrn von Bambergs Namen da hin gesandt worden, veracht, sie nit inn die Kirchen lassen wöllen, sonder mit wehrenter Hand angreifen wöllen, also das sie mit Schandt und Spot abzihen müssen, jdoch lezlich abfallen müssen oder aus meins Herrn Landt zihen müssen. Zu Staffelstein die haben sich auch mit gewerten Handt zusamen verfügt, uf die Gesanten auch nichts geben wöllen, haben denich gemüst oder aus der Stat gemüst.“ [63]

In den meisten Orten hatte die Gegenreformation rasch Erfolg. Nach einigen Monaten konvertierte die Mehrzahl der Protestanten zum katholischen Glauben; eine Minderheit entschied sich für die Auswanderung. Diese Exulanten übersiedelten in benachbarte evangelische Städte wie Coburg, Kulmbach oder Königsberg, einzelne auch in die Reichsstädte (Bad) Windsheim und Schweinfurt, die meisten aber in ritterschaftliche Dörfer. In Schney ließen die Herren von Schaumberg eigens eine Siedlung für die Zuziehenden errichten, längs der heutigen Friedrich-Ebert-Straße.

Als besonders widerspenstig erwiesen sich die Frauen. Er habe einer jeden eine eigene Predigt halten müssen, stöhnte der Lichtenfelser Pfarrer Michael Lang; mit tausend Männern komme er leichter zurecht als mit hundert Frauen.

Seine Politik setzte Neithard von Thüngen durch, mochte das Domkapitel auch Bedenken tragen oder vehement protestieren. Nach seinem Tod aber wählten die Domherren 1599 seinen profiliertesten Gegenspieler, den Domdekan Johann Philipp von Gebsattel, zu seinem Nachfolger. Die evangelischen Untertanen freuten sich über diese Entscheidung, wussten sie doch, dass Gebsattel Thüngens Vorgehen abgelehnt hatte. Sie hätten, sagte ein Teuschnitzer Ratsherr bald nach der Bischofswahl zum Ortspfarrer, einen Herren bekommen, „welcher der luterischen Religion geneigt“; er werde die Gegenreformation beenden [64] . Trotz mancher Anzeichen für eine Neuorientierung der bischöflichen Politik vollzog Gebsattel keinen abrupten Kurswechsel. So beauftragte er 1600 seinen Weihbischof und den Domprediger, sich in den Pfarreien des Hochstifts nach Personen zu erkundigen, die noch nicht katholisch geworden oder nach ihrer Konversion wieder abgefallen seien, und befahl, streng gegen sie vorzugehen.

Im Juli 1600 ließ er zum Beispiel den Einwohnern von Lettenreuth befehlen, innerhalb von vier Wochen katholisch zu werden oder fortzuziehen. Die Untertanen freilich versetzten – wohl um den Bischof hinzuhalten –, sie könnten die katholische Religion nicht annehmen. Sie seien „derselben gantz unberichtet undt [könnten] nicht wiessen, was dieselbige in sich helt“. Der Bischof solle zuerst einen katholischen Pfarrer einsetzen, dann würden sie sich „vleissig in die Kirchen verfugen, die Predig und Gotteß Wordt anhoren undt alßdan [...] gehorsamblich einstellen“ [65] .

Einen katholischen Pfarrer in der zuständigen Pfarrei Marktgraitz einzusetzen, war schon des öfteren versucht worden, doch die Gemeinde hatte dies meist vereitelt. Zwar hatte Neithard von Thüngen 1598 Erfolg, doch kaum war er am 26. Dezember dieses Jahres gestorben, luden die Marktgraitzer die Habe des katholischen Pfarrers auf einen Wagen, trieben den Geistlichen aus dem Dorf und warfen einige Kilometer davon entfernt, auf freiem Feld, den beladenen Karren um. Anschließend trat der frühere evangelische Pfarrer sein Amt wieder an. Als er Anfang 1600 abzog, übertrugen die Untertanen die Pfarrstelle kurzerhand wieder einem evangelischen Geistlichen, bevor eine Kommission aus Bamberg zur Stelle war, um einen katholischen Priester einzuführen. Im Vorfeld sprach die Gemeinde sogar Drohungen gegen die fürstbischöflichen Gesandten aus, und als diese in Marktgraitz eintrafen, weigerten sie sich, mit ihnen zu sprechen.

Marktgraitz und Marktzeuln opponierten über Jahre hinweg, entschiedener als fast alle anderen Orte des Hochstifts, gegen die landesherrliche Gegenreformation. Um sie zum Einlenken zu bewegen, kündigte der Bischof 1600 sogar an, er wolle persönlich dorthin reisen und mit den Untertanen im Guten verhandeln, was er allerdings nicht in die Tat umsetzte. Es blieb dem Nachfolger Gebsattels, dem 1609 gewählten Johann Gottfried von Aschhausen († 1622), vorbehalten, die evangelischen Geistlichen aus den beiden Pfarreien endgültig zu vertreiben. Doch auch ihm gelang es aufgrund des hartnäckigen Widerstands beider Gemeinden nur zum Teil, die Untertanen zur Annahme des katholischen Glaubens zu bewegen. Erst 1624 führte Fürstbischof Johann Georg Fuchs von Dornheim (reg. 1623–1633) unter Einsatz militärischer Gewalt die Gegenreformation hier zum Sieg.

Wenn Gebsattel sich dieser beiden Gemeinden, aber auch Döringstadts besonders annahm, dann wohl weniger aus rein konfessionellen Gründen, sondern weil durch den Widerstand der Untertanen seine fürstliche Reputation in Frage gestellt war. Verstand sich Gebsattel doch kaum als Oberhirte, vielmehr als Landesherr. Aus diesem Blickwinkel sah er im Grundsatz eine harte Linie bei der Gegenreformation als schädlich für das Hochstift an; wie die Mehrheit im Domkapitel favorisierte er eine allmähliche ,Bekehrung’ seiner Untertanen. Damit aber erregte er den Unwillen Echters und der Bamberger Protagonisten einer raschen Gegenreformation und Katholischen Reform.

Gebsattel, dessen Mildtätigkeit und gute Beziehung zu seinen evangelischen Nachbarfürsten gerühmt wurden, der dagegen militärische Konflikte mit Echter nicht scheute, zeigte gegenüber seinen evangelischen Untertanen ein gerüttelt Maß an Duldsamkeit, so dass der Schwürbitzer Notar Kilian Schauer († 1614), Sohn eines evangelischen Pfarrers, 1610 reimte:

 

„Barmhertzigkeit über die Maß

            An armen Leuthen übt,

Dergleich nit balt gehöret waß.

            Kein Menschen er betrübt

                        Noch zwang zu frembter Lehr,

            Ließ jedem sein Gewissen

            Im Glauben unzerrissen,

                        Der gottseelige Herr.“ [66]

 

Heftig geißelte Schauer dagegen das Vorgehen der Bischöfe Neithard von Thüngen und Johann Gottfried von Aschhausen. Ihnen glich in der Härte des Vorgehens der Abt von Langheim, der gebürtige Weismainer Johann Bückling (reg. 1592–1608) [67. 1599 rühmte er sich, er habe 2000 seiner Hintersassen zur Konversion bewegt. Gegen diejenigen, die am evangelischen Glauben festhielten, wandte er drastische Zwangsmaßnahmen an. So ließ er 1601 achtzehn Personen unter einem Vorwand ins Kloster vorladen, um sie hier „in ungehewre, abschewliche, für Dieb, Mörder und andere Übelthätter verordnete Gefengknus“ [68] zu werfen. Einige der Festgenommenen blieben 13 Wochen in Haft, bis sie schworen, binnen Monatsfrist katholisch zu werden oder fortzuziehen. Klagen beim Reichskammergericht in Speyer halfen den lutherischen Hintersassen des Klosters wenig. Der Eifer des Abtes fand selbst in Rom Anerkennung: 1594 sprach ihm Papst Clemens VIII. sein Lob aus, 1599 der Generalabt des Zisterzienserordens.

Doch scheute Bückling keineswegs den Kontakt zu Protestanten. Wenngleich er als Abt eine streng katholische Position verfocht, so pflegte er doch andererseits im Geist des Humanismus die überkonfessionelle Gemeinschaft der Gelehrten. Joachim Heinrich Jäck zufolge war Bückling „ein außerordentlicher Beförderer der Künste und Wissenschaften, liebte nichts mehr als den Besuch und Umgang gelehrter Männer, mit welchen er auch den lebhaftesten Schriftenwechsel führte“ [69] .

Sein Kunstverstand erwies sich 1605 beim Neubau des Wirtshauses in Hochstadt am Main [70] , das vermutlich nach Plänen des Coburger Malers und Architekten Peter Sengelaub errichtet wurde; dieser evangelische Künstler illustrierte 1613/14 auch liturgische Handschriften des Klosters [71] .

Johann Bückling hatte ab 1580, bereits Priester, an der Universität Ingolstadt studiert; als erster Langheimer Mönch seit Jahrzehnten hatte er eine Universität besucht, und dies qualifizierte ihn wohl nach seiner Rückkehr, die jungen Mönche in Philosophie und Theologie zu unterrichten. Auch als Abt erwies sich Johann Bückling als „studiorum Mecoenas“ [72] , als Förderer der Wissenschaften, wie ihn der Bamberger Späthumanist Martin Hofmann (1544–1599) bezeichnete.

Als Lehrer für seine Novizen holte er sich spätestens 1598 den aus Altewalde in Niederschlesien stammenden Johann Cyaneus (1563–1603), Sohn eines katholischen Geistlichen, nach Langheim [73] , der zuvor als Professor für Poetik am Collegium Ernestinum in Bamberg gewirkt hatte. 1595 beglückwünschte Cyaneus den Bruder des Abtes, Georg Bückling, durch ein lateinisches Glückwunschgedicht zur Hochzeit [74] . Im Auftrag des Abtes schilderte er im Jahr darauf die Entstehungsgeschichte der Wallfahrt Vierzehnheiligen [75] in lateinischen Hexametern, formal streng an der „Aeneis“ des Vergil orientiert und inhaltlich fantasievoll ausschweifend – sogar der Hund, der den Schäfer Hermann 1445/46 begleitete, erhält einen Namen: „,Harpalus’ (,Räuber’) heißt er, wie einer der Hunde des Actaeon in Ovids Metamorphosen“. Werner Taegert beurteilt die Absicht des Werkes wie folgt: „Cyaneus wandte sich an ein humanistisch geschultes – und damit exklusives – Publikum. Hier konnte er die intime Vergil-Kenntnis erwarten, die für die rechte Würdigung seiner Leistung unabdingbar war und ist. Er hielt die Visionen des schlichten Schäfers für würdig, im Medium der ranghöchsten klassischen Dichtungsgattung verherrlicht, nachgerade heroisiert zu werden. Damit leistete der Dichter Kultpropaganda auf einem anspruchsvollen Niveau: Die epische Stilisierung mißt der [...] Nothelferverehrung [...] den Anspruch erhabener Geltung und Dignität zu. Das außerordentliche formale Raffinement ist nicht belanglose Etüde, nicht spielerischer Selbstzweck, sondern gesteigerter Ausdruck der Huldigung gegenüber den vierzehn Heiligen.“ [76]

Cyaneus war nicht der einzige Literat, der um 1600 in der Obermainregion zu Hause war oder wenigstens Beziehungen hierher hatte. Das belegt schon sein Vierzehnheiligen-Werk, zu dem auch zwei junge Langheimer Mönche, Johann Schreiner († 1610) und Christoph Seyfried († 1616), beide aus Weismain stammend, lateinische Gedichte beisteuerten.

Ein späthumanistischer Autor wohnte um 1600 in Weismain: Dr. Lorenz Neydecker († 1607) [77] , der, um 1545 geboren, nach Studium und Lehrtätigkeit in Ingolstadt und Aufenthalten in Weismain, Kulmbach und Hollfeld, seit ca. 1595 im Haushalt seiner Schwester lebte. Neydecker verfasste von etwa 1570 an eine größere Anzahl lateinischer Schriften [78] . Noch in seiner Weismainer Zeit erschienen Werke aus seiner Feder: 1601 in Mainz und 1604 in Köln. Im Mittelpunkt der Veröffentlichungen stand die Rhetorik, namentlich für Juristen relevante Reden. So schrieb er ein rhetorisches Lehrbuch für Juristen sowie eine Stilkritik, in der es besonders um das Zitieren antiker Autoren ging; ferner analysierte er Cicero-Reden von rechtlichem Belang. Daneben verfasste er Schriften zu zivilrechtlichen Problemen, namentlich zu Fragen des Erb- und des Eherechts.

Der Autor widmete seine Werke verschiedenen Würdenträgern: dem Fiskal Johann Neydecker († 1579) – einem entfernten Verwandten [79] , der wie der Autor aus Weismain stammte –, den Äbten von Banz und Langheim sowie dem Hofer Amtshauptmann Hans Paul von Schaumberg zu Schney (1522–1589). Die Widmungen waren nicht nur artige Höflichkeiten, sondern erwiesen sich für den Autor zumeist als recht einträglich.

Der Weismainer Pfarrer Pankraz Volck gratulierte Johann Bückling 1593 durch ein lateinisches Preisgedicht zur Erlangung der Abtswürde [80] . Friedrich Müller von Lichtenfels widmete 1583 Fürstbischof Ernst von Mengersdorf „ein Tractetlein“ [81] . Philipp Cunovius, der 1597/98 als Schulmeister in Staffelstein nachzuweisen ist [82] , verfasste 1596 die lateinische Inschrift für das Epitaph des fünf Jahre zuvor verstorbenen Bischofs Ernst [83] .

In die Reihe der späthumanistischen Autoren mit Bezug zur Obermainregion ist Laurentius Creidius (Lorenz Kreid) [84] aus Lettenreuth zu zählen. Nachdem er in Wittenberg zusammen mit zwei Marktzeulnern, den nachmaligen evangelischen Pfarrern Heinrich Bauter und Christoph Thumler [85] , studiert hatte, wurde er 1579 Rektor zu Treuenbrietzen, 1582 Konrektor, 1588 Rektor des Gymnasiums zu Berlin. Hier ließ er eine Reihe lateinischer Dichtungen drucken, die, abgesehen von Gelegenheitswerken, biblische Stoffe behandelten. 1590 wurde er evangelischer Pfarrer im sächsischen Herzberg.

Erwähnt sei ferner der evangelische Adlige und vormalige Domherr Veit Ulrich Marschalk von Ebneth († 1625), der in der Obermainregion begütert war – seinen Staffelsteiner Besitz verkaufte er 1600 dem Bamberger Domkapitel – und als graue Eminenz am Hofe Gebsattels galt [86] . Er trat zwar nicht als Verfasser hervor, unterhielt aber in seinem neuen Schloss zu Frensdorf [87] eine umfangreiche Bibliothek [88] . 1608 entlieh er aus der Banzer Klosterbibliothek ein Werk des Erasmus von Rotterdam [89] .

Der Kontakt zum Kloster Banz kam wohl nicht von ungefähr, erwies sich doch auch der Banzer Abt als Freund der Musen. Der Coburger „musicus“ Benedikt Faber sandte ihm 1608 „cantiones“ [90] ; im selben Jahr schickte der Münchner Hoforganist Rudolph di Lasso, Sohn des großen Orlando di Lasso, eine Komposition nach Banz [91] .

Selbstverständlich wurde der Abt nicht bloß deswegen bedacht, weil er als kunstverständig galt, sondern weil er auch über die finanziellen Mittel verfügte, um seiner Anerkennung handfesten Ausdruck zu verleihen. So ehrte auch Heinrich Zenck aus Scheßlitz, von 1610 bis 1616 Pfarrer von Staffelstein, den Banzer Abt 1611 durch eine „Elegia“ zu dessen Namenstag, nicht ohne um Holz zu bitten [92] . 1608 übermittelte der Schneyer Vogt Nikolaus Breithaupt, gebürtig aus Creuzburg, mit der Tochter des reichsten Lichtenfelsers verheiratet, dem Prälaten Neujahrsglückwünsche in gewandtem Latein mit griechischen Einsprengseln [93] . Abt Thomas Bach (reg. 1598–1624), aus Markelsheim im Taubertal gebürtig, hinterließ sogar ein selbst verfasstes lateinisches Gedicht [94] .

Bach sei ein „der Disciplin wol zugethaner Prelat“ gewesen, rühmte ihn sein Nachfolger [95] ; tatsächlich aber lebte Bach im Konkubinat mit der Staffelsteiner Bürgerstochter Margaretha Wagner, die der Staffelsteiner Pfarrer 1612 mokant als „Margaretha abbatissa in Bantz“ bezeichnete [96] . Der Abt hatte mit ihr zwei Söhne, die seinen Familiennamen trugen, und auch einige Mönche hatten Konkubinen und wurden Väter.

Damit ähnelte Thomas Bach dem Bamberger Fürstbischof Johann Philipp von Gebsattel, der sieben Kinder hinterließ. Wie dieser pflegte er freundlichen Umgang mit Herzog Johann Casimir von Sachsen-Coburg [97] , der ihn mehrfach zum Stahlschießen einlud, und mit der Coburger Regierung. Der Bruder Johann Casimirs, der Herzog von Sachsen-Eisenach, schenkte 1598 dem Banzer Abt drei lebende Tiere: ein Wildschein, ein Reh und ein Kamel [98] .

Trotz unübersehbarer Gemeinsamkeiten hatte Abt Thomas ein schlechtes Verhältnis zu Gebsattel, während er mit dessen Opponenten, dem aus Weismain stammenden Domprediger und späteren Weihbischof Friedrich Förner, und mit Bischof Aschhausen in gutem Einvernehmen stand, trotz seines Lebenswandels, den der Bischof bei einem bambergischen Pfarrer nicht toleriert hätte [99] .

Auch in seiner Religionspolitik erweist sich Thomas Bach als eigenständig. Einerseits forderte er evangelische Untertanen zur Konversion oder Auswanderung auf, gebot er seinen Hintersassen die österliche Beichte und Kommunion, befahl er den Altenbanzern, ihre Kinder zum katechetischen Unterricht zu schicken, ließ er im Kloster neue Altäre aufrichten und eine Kapelle bauen. Doch andererseits untersagte er – ganz und gar ungewöhnlich in der Zeit der katholischen Reform – seinen Untertanen in Draisdorf, sich an der Wallfahrt der Pfarrei Döringstadt nach Vierzehnheiligen zu beteiligen, „weiln es dan wegen Ferne des Wegß ohne Zehrung nich[t] leichtlich außgehet unndt offtermals, was am Vormittag gebettet, Nachmittag beim Trunck wider verflucht oder sonsten verderbt wirdt“ [100] .

Den Klöstern Banz und Langheim stand die Benediktinerabtei Michelsberg, an deren Spitze mit Johann Müller (reg. 1593–1622) [101] ein gebürtiger Weismainer stand, als Kulturträger nicht nach. Martin Hofmann, Vogt des Benediktinerklosters Michelsberg zu Bamberg [102] , dessen Schwager Hans Blumenschein von 1582 an für wenige Jahre als Vogt in Lichtenfels amtierte [103] , veröffentlichte 1595 eine Geschichte der Stadt Bamberg und der Michelsberger Äbte, das er dem Fürstbischof und dem amtierenden Abt widmete. Darin würdigte er ausführlich den aus Staffelstein stammenden Abt Andreas Lang (reg. 1483–1503), der selbst schriftstellerisch hervorgetreten war. Indem er den Landstrich schilderte, aus dem Andreas Lang hervorgegangen war, lieferte Martin Hofmann das früheste Staffelberg-Gedicht:

 

„Est Babebergenses inter pulcherrima montes

Exit et in longas vallis utrimque plagas.

Quam super hinc caelo surgens stat saxea rupes,

Quae vetus a gradibus nomen adepta tenet.

In medio gelidas aequante cacumine nubes

Antra per obscuras stant latebrosa vias,

Quae tenuisse ferunt terrestria numina Sylphes.

Atque sub his auri vim posuisse locis.

Testis erunt grandes excisi rupibus arcus,

Testis et antiquae prisca moneta notae.“

 

Der Bamberger Archivar Michel Hofmann – übrigens Berater Carl Orffs bei der Textauswahl für die „Carmina Burana“ – hat die Verse Hofmanns 1956 wie folgt ins Deutsche übertragen:

 

„Dort inmitten der Höhen des Babenberger Gebirges

Dehnt sich ein herrliches Tal weit durch die Lande dahin,

Himmelan hebt darüber ein Fels die steinerne Stirne,

Nach seinen Staffeln gewiß schon von den Alten benamst.

Hier wo das kühle Gewölk berührt den mittleren Gipfel,

Führt ein finsterer Pfad tief in das Höhlen-Versteck,

Wo nach der Sage des Volks vor Zeiten die Erdgeister hausten,

Wo sie den goldenen Hort bargen im Innern des Bergs.

So bezeugt es die Wölbung, die breit aus dem Felsen gemeißelt,

Auch altertümliches Gold, wie es die Vorzeit geprägt.“ [104]

 


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[60]       Weiß, Dieter J.: Das exemte Bistum Bamberg 3: Die Bischofsreihe von 1522 bis 1693. Berlin / New York 2000 (Germania Sacra NF 38, 1, 3), S. 246.

[61]       Zur Kalenderreform und ihren Folgen in Franken allgemein Vogt, Eduard: Die Einführung des Gregorianischen Kalenders im Hochstift Bamberg. Phil. Diss. (masch.). Erlangen 1924; Wendehorst, Alfred: Die Folgen der Einführung des Gregorianischen Kalenders für das Wirtschaftsleben besonders in Franken und Schwaben. In: Schneider, Jürgen (Hrsg.): Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege. Festschrift für Hermann Kellenbenz. II: Wirtschaftskräfte in der europäischen Expansion. Stuttgart 1978 (Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte 5/II), S. 381–391.

[62]       Zum Folgenden vgl., wenn nichts anderes angegeben, Dippold, Günter: Konfessionalisierung am Obermain. Reformation und Gegenreformation in den Pfarrsprengeln von Baunach bis Marktgraitz. Staffelstein 1996 (Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns 71). – Da eine ergänzende Untersuchung zur Gegenreformation in Lichtenfels und Staffelstein vorbereitet wird, beschränken sich die Quellennachweise auch für diese beiden Orte auf ein Minimum.

[63]       StAB, A 245/VI, Nr. 40, fol. 82r.

[64]       StAB, B 49, Nr. 191, Schreiben vom 15.5.1599.

[65]       StAB, B 49, Nr. 59, Brief von 29.7.1600.

[66]       Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Reichskammergericht 11289, Q 11.

[67]       Zu Bückling vgl. Dippold, Günter: Das Zisterzienserkloster Langheim im Zeitalter von Reformation und Gegenreformation. In: Zeitschrift für bayerische Kirchengeschichte 58 (1989), S. 89–140, hier bes. S. 103–110, 131f.

[68]       Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Reichskammergericht 8807, Q 1.

[69]       Jäck, Joachim Heinrich: Pantheon der Litteraten und Künstler Bambergs. Bamberg / Erlangen 1812–1815, Sp. 120.

[70]       Dippold, Günter: Zur Baugeschichte des langheimischen Wirtshauses in Hochstadt. In: Vom Main zum Jura, Heft 3 (1986), S. 19–36.

[71]       Dippold, Günter: Miniaturen in liturgischen Handschriften des Klosters Langheim – Werke von Peter Sengelaub? In: Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 42 (1997), S. 225–236.

[72]       Hofmann, Martin: Vrbs Bamberga et abbates montis monachorum prope Bambergam, eleiaco versu descripti. Nürnberg 1595, fol. I 4v.

[73]       Ein gedrucktes Gedicht vom Januar 1598 ist signiert: „Joan: Cyaneo Sylvano, Poeta Lavreato, et Notario Pvblico, Caesareo et Pontificio: nec non ivniorvm Fratrum ibidem Praeceptore“. Staatsbibliothek Bamberg, VI F 130. Über Cyaneus vgl. Taegert, Werner: Spuren Vergils in und um Bamberg. In: Karasek, Dieter (Hrsg.): Buch und Bibliothek in Bamberg. Festschrift zur Einweihung des zentralen Bibliotheksgebäudes der Universitätsbibliothek. Bamberg 1986 (Schriften der Universitätsbibliothek Bamberg 3), S. 397–437, hier bes. S. 415 Anm. 60.

[74]       Es erschien im Druck: Staatsbibliothek Bamberg, VI F 123.

[75]       Vgl. Taegert (wie Anm. 73), S. 414–417; auch Taegert, Werner: Lorbeerkranz und Mitra. Der späthumanistische Dichter Johannes Cyaneus und sein „Maecenas“ Abt Johann Bückling von Langheim. In: Dippold, Günter (Hrsg.): Weismain. Eine fränkische Stadt am nördlichen Jura. Bd. 2. Weismain 1996, S. 390–392.

[76]       Ebd., S. 392.

[77]       Dippold, Günter: Die Neydecker. Zur Geschichte eines Weismainer Bürgergeschlechts. In: ders., Weismain (wie Anm. 75), S. 283–311, hier S. 308f.

[78]       Verzeichnis bei Jäck (wie Anm. 59), Sp. 813f. (18 Titel, z. T. mehrmals aufgelegt).

[79]       Die Familie Neydecker wurde im beginnenden 17. Jahrhundert durch den Poeta laureatus Janus Heinrich Scröter aus Güstrow ,bedichtet‘. Abschrift in: Stadtarchiv Bamberg, HV Rep. 3, Nr. 883; zum Verfasser vgl. Jäck (wie Anm. 59), Sp. 1060f.

[80]       Es erschien im Druck: Staatsbibliothek Bamberg, VI F 159.

[81]       StAB, A 231, Nr. 1808/I, „Pro Diversis“.

[82]       Dippold, Günter: Schulen, Lehrer und Universitätsbesucher in Kleinstädten des Hochstifts Bamberg. In: Dickerhof, Harald (Hrsg.): Bildungs- und schulgeschichtliche Studien zu Spätmittelalter, Reformation und konfessionellem Zeitalter. Wiesbaden 1994 (Wissensliteratur im Mittelalter 19), S. 129–200, hier S. 167f.

[83]       StAB, A 231, Nr. 1821/I, fol. 144r.

[84]       Über ihn Heidemann, Julius: Geschichte des Grauen Klosters zu Berlin. Berlin 1874, S. 128f.

[85]       Album Academiae Vitebergensis. Vol. 2. Halle 1904, S. 259f., 275.

[86]       Bauer, Lothar: Die Kurie und Johann Philipp von Gebsattel, Bischof von Bamberg (1608/09). In: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 40 (1960), S. 89–115, hier S. 106.

[87]       Neundorfer, Bruno: Das Wasserschloß in Frensdorf. In: BHVB 100 (1964), S. 439–450; Neundorfer, Joseph: Heimatbuch der Gemeinde Frensdorf. Bamberg 1981, S. 60–67 et passim.

[88]       Schottenloher, Karl: Bamberger Privatbibliotheken aus alter und neuer Zeit. Leipzig 1907, S. 21f.

[89]       StAB, B 93, Nr. 30, fol. 92v.

[90]       Ebd., fol. 35v–36v.

[91]       Ebd., fol. 37v.

[92]       Ebd., fol. 272r–273r.

[93]       Ebd., fol. 8r–v.

[94]       StAB, B 93, Nr. 36, fol. 368r ff.

[95]       StAB, B 93, Nr. 37, fol. 639v.

[96]       AEB, Kirchenbücher Staffelstein, Bd. 1, pag. 244.

[97]       Zu Gebsattel vgl. Weiß (wie Anm. 60), S. 315, 321.

[98]       StAB, B 93, Nr. 27, fol. 167r.

[99]       Zum Vorgehen gegen das Konkubinat der Geistlichen vgl. Dippold, Günter: Klerus und Katholische Reform im Hochstift Bamberg. In: Jahrbuch für Volkskunde NF 21 (1998), S. 57–83, hier S. 70–72.

[100]      StAB, B 93, Nr. 31, fol. 354v.

[101]      Über ihn Dippold, Günter: Weismainer im Kloster Michelsberg. In: ders., Weismain (wie Anm. 75), S. 341–346.

[102]      Über ihn Arneth, Konrad: M. Martin Hofmann. Ein Bamberger Späthumanist. In: BHVB 110 (1974), S. 38–165.

[103]      Ebd., S. 86 (mit abweichender Interpretation). Zur Amtszeit Blumenscheins vgl. StAB, B 26b, Nr. 7, fol. 196r.

[104]      Hofmann, Michel: Das Querkeles-Loch am Staffelberg-Gipfel. In: Fränkische Blätter 8 (1956), S. 28.