1500:
Religiöse Aufgewühltheit und adlige Selbstbehauptung
Als an Weihnachten 1499 das Heilige Jahr begann, blickte
das Abendland nach Rom, war doch im Bereich der lateinischen Christenheit
Rom unangefochten wie kaum zuvor. Ketzer – Abweichler von der
kirchlichen, d. h. päpstlichen Lehre – gab es nur noch in wenigen
Rückzugsregionen. Die Autorität der Amtskirche war nahezu unangefochten;
ihr vielfältigen Angebote, den Glauben zu leben, wurden angenommen
[8]
.
Angstvolle Sorge um das Seelenheil trieb die Menschen
aller Stände um. Man suchte die Hilfe von Heiligen im Diesseits wie für
das Jenseits zu erlangen. Man verrichtete ,gute Werke’, um dereinst
gerechtfertigt vor Gott zustehen, um jedenfalls dem Fegfeuer zu entgehen,
in dem man die Sündenstrafen zu verbüßen hatte. So spendete man für
fromme Zwecke, um Ablass zu erwerben, was von den Kanzeln als „leichter,
sicherer Weg zum Heil gepriesen“ wurde
[9]
;
man besuchte Messen, bei denen es nicht um die Mitfeier der Eucharistie
ging, sondern darum, die konsekrierte Hostie zu sehen, was Nutzen im Dies-
wie im Jenseits versprach
[10]
;
man pilgerte zu einer Gnadenstätte, etwa zu einem Heiligengrab oder zu
einer Kirche, die über einen großen Reliquienschatz verfügte. Als dann
im Heiligen Jahr ein fünfzehntägiger Aufenthalt in Rom dafür sorgte,
dass nicht nur eine bestimmte Anzahl von Tagen oder Jahren der
Sündenschuld erlassen war, sondern die gesamte Schuld, zogen Massen nach
Rom, um dieser Gnade teilhaftig zu werden.
Ein Heiliges Jahr war 1300 erstmals begangen worden, 1500
zum achten Mal. Papst Alexander VI., der berühmt-berüchtigte
Borgia-Papst, und sein Zeremonienmeister Johann Burckhardt (1456–1506)
hatten einen Ritus ersonnen, durch den der Nachfolger Petri das Heilige
Jahr einleitete und der im Kern bis heute prägend ist: Am 24. Dezember
1499 ließ der Papst sich, auf einem Prunksessel sitzend, nach St. Peter
tragen, eine brennende Kerze in der Linken, begleitet von Kardinälen und
anderen Geistlichen mit Kerzen, die Gläubigen segnend; er ging die Stufen
zur Basilika hinauf und schlug mit einem Prunkhammer dreimal an die
vermauerte Heilige Pforte, was auf Mose Gewalt anspielte, durch das
Schlagen auf einen Felsen Wasser entspringen zu lassen, und zugleich auf
Petri Schlüsselgewalt. Daraufhin beseitigten Maurer die Steine.
Hinter der eigens geschaffenen Heiligen Pforte ließ
Alexander VI. „eine große versiegelte Truhe aufstellen und hieß die
päpstliche Garde dafür zu sorgen, dass jeder Eintretende, Römer oder
Pilger, einen angemessenen Geldbetrag entrichtete“
[11]
.
Diese Praxis, die den Hunger der Kurie nach Geld unverhohlen
demonstrierte, kritisierten schon Zeitgenossen, weil der Eindruck
entstand, die Gnadenmittel des Heiligen Jahres seien käuflich, und weil
ruchbar wurde, dass der Großteil des Gelds in Privatschatullen des
Papstes floss und dem Aufbau eines mittelitalienischen Königreichs der
Borgia dienen sollte. Der vorreformatorische Antiklerikalismus und die
gelehrte Kritik an Rom
[12]
erhielten Nahrung. So bereitete das Heilige Jahr auch ein wenig den Boden
für die Reformation.
„In der von Heilsnot und fiebriger Frömmigkeit
geprägten Atmosphäre“
[13]
der Zeit um 1500 legten die Einwohner von Wiesen den Grundstein zu ihrer
Dorfkirche, einer Filiale der Pfarrei Döringstadt. Erstmals erwähnt wird
die Wiesener Kirche in einem Ablassbrief. Eine Reihe von Kardinälen
gewährte 1475 allen Gläubigen, die diese Kirche an Ostern, Pfingsten, an
Mariä Himmelfahrt (15. August), am Andreas-Tag (30. November) oder an der
Kirchweih besuchten, 100 Tage Ablass von ihrer Sündenstrafe
[14]
.
Ein Ablassbrief wie dieser wurde einer Kirche meist dann
gewährt, wenn umfangreiche Baumaßnahmen anstanden, denn man wollte
Menschen anziehen und dadurch das Opfer mehren. Vielleicht hatte man 1475
schon den Bau von Turm und Chor ins Auge gefasst, der 25 Jahre später
begann. Es wäre nichts Ungewöhnliches, dass man Jahrzehnte auf einen
solchen Neubau hinsparte. Aus Lichtenfels etwa ist eine Liste der rund 600
Spender erhalten
[15]
,
die wohl zum Bau des Chors der Pfarrkirche beitrugen, der 1483 begann; die
frühesten Geldgeber hatten ein halbes Jahrhundert vor Baubeginn gelebt.
Und dennoch befanden die Heiligenpfleger, durch den „schweren Bau“ sei
die Kirchenstiftung „uberladen“
[16]
.
Trotz der Kosten wurde landauf, landab gebaut. Die
erhaltenen Kirchen und Kapellen – viel ist durch Neubauten, vor allem im
Barock, zugrundegegangen – zeugen von einer intensiven Bautätigkeit im
15. und frühen 16. Jahrhundert
[17]
:
die Kirche in Herreth, der Turm der Marktzeulner Kirche, der Chor der
Modschiedler Kirche, die Oberleiterbacher Kirche
[18]
,
der Kirchturm in Schottenstein, Langhaus und Turm der Staffelsteiner
Pfarrkirche. Die Unterleiterbacher errichteten 1501 die erste
St.-Valentins-Kapelle, noch aus Holz
[19]
.
Für Wiesen muss der Bau von Chor und Turm ab 1500 ein
ungeheurer Kraftakt gewesen sein, zu bewältigen wohl nur durch den
Einsatz der – kaum mehr als 30 – Haushalte, die gewiss unentgeltlich
Steinfuhren und Handlangerdienste beim Bau übernahmen, und
durch die Unterstützung vieler auswärtiger Gläubiger, die mit ihrer
Gabe versuchten, dem Himmel ein Stück näher zu rücken und die damit den
Wiesenern halfen, eine Kirche zu bauen, die eigentlich ein wenig zu groß
war für den Ort. Zu einem kompletten Neubau reichte das Geld aber wohl
doch nicht: Teilweise war die Kirche noch im Jahr 1608 aus Holz
[20]
.
Ein Ehepaar ragte unter den Spendern offenbar heraus:
Marx (Marcus) von Giech zu Oberbrunn und seine Frau, eine geborene Stiebar.
Das Wappen des benachbarten Adligen ließ man als sichtbaren Dank und als
Andenken am Chorbogen anbringen, denn mittelalterlichen Stiftern lag auch
daran, sich das Gedenken der Nachwelt zu sichern.
Der Ablass von 1475 übte lange Zeit Zugkraft aus, so
dass die Kirche auch nach dem Neubau Anziehungspunkt für Gläubige blieb.
Wiesen war im weiteren Sinn ein Wallfahrtsort, indem die Filialkirche,
deren Besuch heilswirksam schien, „am allgemeinen ,geläuff’ ihrer
Tage“ partizipierte, „dessen Ausmaße wir uns heute schwerlich
vorzustellen vermögen“
[21]
.
Ablass wurde angestrebt, zunächst von jedem für sich. Doch 1476
erklärte der Papst es für möglich, auch stellvertretend für einen
Verstorbenen Ablass zu erlangen, „womit [...] ein ganz neuer Ablaßmarkt
geschaffen wurde. Man kann sich ausmalen, wie das von den Ablaßpredigern
propagierte Angebot, durch ein kleines Geldopfer die eigenen Eltern,
Großeltern, Geschwister aus den Qualen des Fegfeuers zu erlösen, auf
fromme Gemüter eine zwanghafte Wirkung ausüben konnte“
[22]
.
Nicht nur groß angelegte Ablasskampagnen profitierten
davon, sondern jede Kirche, deren Besuch eine genau benannte Minderung der
Sündenstrafen versprach. 1525 erklärten die Einwohner von Wiesen
rückblickend: „Wir haben in unserm Dorf ein Cappellein, dartzu etwo
vorzeiten die Leut gros zulaufen, und darumb gros Gut dartzu gefallen ist,
welchs wir dann daran verpaut.“ Demnach erfüllte der Ablass offenbar
seinen Zweck, denn er brachte Geld für den Neubau. Weiter heißt es: „So
sein auch derselben Zeit etlich Leut durch die Priester dermassen beret,
das etlich in gemelte Capellen Jartege gestiefft“
[23]
.
Das heißt: Sie gaben Geld, vielleicht auch ein Grundstück, und die
Zinsen oder der Pachtertrag ermöglichten es, dass alljährlich zu einem
bestimmten Termin eine Seelmesse für den Verstorbenen und seine Familie
zelebriert wurde. Wer es sich leisten konnte, der sorgte dafür, dass
parallel zu einer Singmesse weitere Priester an den Nebenaltären stille
Messen lasen.
Es ging wohl so viel ein, dass die Wiesener nicht nur
ihre Kirche bauen, sondern sie auch ausstatten konnten
[24]
.
Zwei Heiligenfiguren, eine stehende Muttergottes und eine Anna selbdritt,
Arbeiten eines unbekannten Bamberger Bildhauers, die Renate
Baumgärtel-Fleischmann stilistisch in die Zeit um 1500 bzw. um 1500/10
datiert
[25]
,
sind noch erhalten. Auch zwei Leuchterengelchen stammen wohl aus dem
frühen 16. Jahrhundert
[26]
.
Weit mehr als die bescheidene Dorfkirche zog freilich die
nahegelegene Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen Fromme von Nah und Fern an.
Die Wallfahrt geht auf vier Visionen zurück, die der Schäfer Hermann
Leicht, dessen Vater den langheimischen Gutshof Frankenthal gepachtet
hatte, in den Jahren 1445 und 1446 hatte; die Kapelle wurde 1448 zu Ehren
Mariens und der vierzehn Nothelfer geweiht
[27]
.
Die seelsorgerliche Betreuung der Wallfahrer übernahm das Kloster
Langheim, auf dessen Grund die Kirche errichtet wurde.
Kritik blieb nicht aus, war Vierzehnheiligen doch ein
Wallfahrtsort ohne Kultobjekt, gründend allein auf Erscheinungen. Als
Otto Zert aus Marktzeuln den Bau der Kirche betrachtete, spottete er „der
lieben heyligen [...] vnd sprach / was wil man da news Narrenwerck machen
/ es ist Ketzerey“
[28]
.
Ungeachtet solcher Einzelstimmen entwickelte sich die
Kirche rasch zum Zentrum der Nothelferverehrung, die besonders
charakteristisch für den Versuch der spätmittelalterlichen Gläubigen
war, die Hilfe von Heiligen in dies- wie jenseitigen Nöten zu erlangen.
Die Gruppe war so zusammengestellt, „daß möglichst für alle Stände
und gegen alle Nöte des Leibes und der Seele ein besonderer Nothelfer
bestellt war“
[29]
.
Bis aus dem Altmühltal, aus Sachsen, aus dem Egerland
kamen Wallfahrer
[30]
;
selbst Kaiser Friedrich III. und mehrere Fürsten besuchten
Vierzehnheiligen
[31]
.
Der große Zulauf war insbesondere den Ablässen zu danken, die 1448 der
Bamberger Bischof, 1449 der Papst und 1451 der päpstliche Legat Nikolaus
Cusanus verliehen hatten
[32]
.
Der Besuch bei einer Gnadenstätte war ein Sonderfall,
alltäglich war der Besuch der Messe, der als heilswirksam galt. Man
glaubte, dass dem andächtigen Zuhörer Messfrüchte – im Jenseits wie
im Diesseits – zufielen
[33]
,
wobei „eine von vornherein feststehende Zahl von Meßfrüchten auf den
beteiligten Personenkreis verteilt würde“
[34]
.
So erklärt sich das Bemühen, die Zahl der Messen zu
erhöhen. Ein Kennzeichen der spätmittelalterlichen Kirche ist die
Gründung von Inkuratbenefizien, geistlichen Pfründen, deren Inhaber
keine seelsorgerlichen Aufgaben hatten, sondern lediglich an bestimmten
Tagen an festgelegten Altären Messen zu zelebrieren hatten, in der Regel
drei- oder viermal in der Woche. Am Vorabend der Reformation bestanden in
Lichtenfels, Burgkunstadt, Weismain und Scheßlitz drei derartige
Pfründen
[35]
;
in Staffelstein waren es acht, ab 1519 sogar neun
[36]
.
Von diesen Inkuratbenefizien, ab 1364 errichtet, waren fünf waren an
Altäre der Pfarrkirche gestiftet, zwei an die Corporis-Christi-Kapelle
(die heutige Annakapelle) und je eines an die St.-Georgs-Kirche und St.
Adelgundis auf dem Staffelberg. Offenbar wurden die Benefizien von
Staffelsteiner Geistlichen, Domherren oder Mitgliedern der Familie
Marschalk von Ebneth gestiftet.
Die wenigsten Inhaber der Staffelsteiner Pfründen lebten
um 1500 in der Stadt. Als Pfarrer wird von 1502 bis 1504 ein Bamberger
Chorherr genannt. Diese Vergabepraxis war in der Diözese Bamberg alles
andere als ungewöhnlich: Im frühen 16. Jahrhundert wurden hier für etwa
die Hälfte aller Pfarreien Absenzgelder gezahlt
[37]
.
Das heißt: Nur jeder zweite Pfarrer erledigte die mit seiner Pfründe
verbundenen seelsorgerlichen Aufgaben selbst.
Auch die Staffelsteiner Inkuratbenefizien waren vor der
Reformation größtenteils mit auswärtigen Priestern besetzt. 1510 waren
drei Pfründen in der Hand von Bamberger Domherren, zwei in der Hand von
Bamberger Chorherren, und je eine war einem Bamberger Domvikar und dem
Eichstätter Generalvikar verliehen. Der Inhaber des
Adelgundis-Benefiziums ist unbekannt. Auf Diözesanebene waren die
Verhältnisse offenbar besser: 1519 wurde nur für knapp ein Viertel der
Inkuratbenefizien die Absenzgebühr entrichtet
[38]
.
Obwohl am Beginn des 16. Jahrhunderts fast alle
Staffelsteiner Pfründen in der Hand von Auswärtigen waren, lebte in
Staffelstein eine ansehnliche Zahl von Priestern, wie überhaupt die Zahl
der Geistlichen um 1500 außerordentlich hoch war
[39]
.
Der Kastner Christoph Han, wohl um 1515 geboren, konnte sich 1576
erinnern, es seien hier einst „siben Priester ausser des Pfarrhers und
Capelans gewesen“. Ältere Bürger erzählten ihm sogar, sie könnten
sich an elf gleichzeitig in der Stadt lebende Geistliche erinnern
[40]
.
Eine Urkunde von 1514 spricht von „den neun Pristern, so hie zu
Staffelstein sind“ (zusätzlich zum Pfarrverweser)
[41]
.
Es scheint, als seien – wie unter den Bürgern – die
Vermögensunterschiede zwischen den einzelnen Klerikern beträchtlich
gewesen
[42]
.
Es gab reiche Priester: Jakob Rosenberger, der Geldgeschäfte machte
[43]
und gemeinsam mit seinen beiden Schwestern Häuser, Güter, Äcker und
Weinberge besaß
[44]
,Georg
Kurtz, der 1519 das St.-Anna-Benefizium errichtete und dafür sicherlich
mehrere hundert Gulden aufwandte, wohl auch Johann Thauerer, der vor 1504
einen Jahrtag für sich und sein Geschlecht stiftete
[45]
.
Zumindest Rosenberger und Thauerer waren aber schon von Haus aus
wohlhabend; dies wird z. B. bei ihrer Immatrikulation deutlich, wo sie
hohe Gebühren entrichteten
[46]
.
Sie hatten ihr Vermögen also wohl nicht oder nur zum Teil selbst
erworben. Ihnen standen Priester gegenüber, die nicht aus begüterten
Familien kamen. Diese lebten wohl so lange in wirtschaftlicher Sicherheit
– wenn auch keineswegs in Wohlstand –, wie sie ein Benefizium
verwesten oder gar innehatten. Fanden sie aber keinen Pfründinhaber, der
sie mit seiner Vertretung beauftragte, oder konnten sie, etwa wegen
Krankheit, keiner Verwesertätigkeit nachgehen, dann waren sie wohl oft
der Armut ausgeliefert. So waren denn arme Priester keine Seltenheit: In
der Fiskalatsrechnung von 1517/18 werden alle 14 Priester ohne Pfründe,
die damals in der Diözese Bamberg starben, als „pauper“ (arm)
bezeichnet
[47]
.
Neben den örtlichen Geistlichen gehörten zum
vorreformatorischen Straßenbild von Staffelstein sicherlich auch Mönche
der Benediktinerabtei Banz. In dieses Kloster wurden – wie in viele
spätmittelalterliche Benediktinerklöster – nur Männer adliger
Herkunft als Mönche aufgenommen. Doch während fast alle anderen
fränkischen Abteien im 15. Jahrhundert reformiert und dabei Nichtadligen
geöffnet oder in weiterhin für Adlige bestimmte Chorherrenstifte
umgewandelt wurden, blieb Banz bis weit ins 16. Jahrhundert ein
Adelskloster
[48]
.
Die Mönche ritterschaftlicher Abstammung, deren Zahl im frühen 16.
Jahrhundert bei sechs lag, sahen im Kloster „ein [...] Spital der vom
Adel, darin ihre Kinder erlich erhalten werden“, – mithin eine
Versorgungsanstalt – und lebten mehr ihrer Herkunft als der Ordensregel
gemäß
[49]
.
Gewiss gab es Mönche, die ihren geistlichen Stand ernst nahmen. So
erklärte 1515 der Prior seinem Abt, er beabsichtige, „seiner Selen zcu
Heyl und mererm Vordinstnus [...] den Orden und Regel unnsers Vaters, des
heyligen sanct Benedicten [...] höher zcu erfaren und strengklicher zcu
halten“
[50]
.
Der Abt schickte ihn daraufhin in das Kloster Michelsberg. Doch verließ
er Banz freilich nicht für immer, sondern nur für wenige Jahre.
In Banz besaßen die Konventualen eigene Häuser und
Wohnungen innerhalb der Klostermauern, mussten nur im Chor den Habit
tragen, durften das Klosterareal – wenn auch zeitlich und räumlich
beschränkt – ohne Genehmigung des Abtes verlassen. Die
Mönchsgemeinschaft hatte Teil an der Leitung des Klosters, und das
klösterliche Vermögen war zwischen Abt und Konvent, zum Teil sogar unter
die einzelnen Mönche, aufgeteilt
[51]
.
Die Ritter verteidigten das Adelsprinzip in Banz, sahen
sie sich doch – wie auf anderen Feldern – durch das aufstrebende
Bürgertum bedrängt. Um sich gegen die städtische Oberschicht
abzugrenzen, veranstalteten die Ritter im 15. Jahrhundert unter großem
Aufwand Turniere, zu denen nur Männer adliger Abstammung zugelassen
waren; mittels dieser blutigen Kampfspiele demonstrierten sie ihren Status
als Kämpfer mit besonderem Ehrenkodex
[52]
.
Allerdings übernahm sich dabei mancher Ritter finanziell, war doch eine
Turnierausrüstung kostspielig, wie die Schadensinventare der im
Bauernkrieg von 1525 geplünderten Adelssitze belegen. Die
Unterleiterbacher Schlossherrin hatte den Verlust einer prächtigen
Rüstung zu beklagen; allein die Federbüsche kosteten mit 70 Gulden ein
kleines Vermögen
[53]
.
Dabei wurde die wirtschaftliche Basis vieler Familien
wurde zusehends schmaler, da neue Burgen und Schlösser hinzukamen, die zu
unterhalten waren. In manchen Orten existierten mehrere Ansitze
nebeneinander, so in Küps und in Schmölz. Auch in Redwitz entstanden
zusätzlich zur ursprünglichen Burg auf der Anhöhe über der Rodach
weitere Adelssitze. Um 1500 gab es das eigentliche „Schloss“,
aufgeteilt in zwei Hälften, daneben den „Burgstall“ – einen
abgegangenen Wehrbau, „vielleicht die ehemalige Vorburg“ –, eine „neue
Behausung“ und eine „Kemenate“. Neben den Herren von Redwitz saßen
hier die Marschalk zu Schney, die Rauschner zu Lindenberg und bis 1491
auch die Herren von Schaumberg. Die Adelssitze lagen offenbar in
Nachbarschaft zueinander, so dass sich um die Burg des 13. Jahrhunderts
eine regelrechte „Burgsiedlung“ herausbildete
[54]
.
Das Paradebeispiel eines fränkischen Ritters am
Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit war Wilwolt von Schaumberg (†
1510)
[55]
,
der 1503 von seinem Onkel das Schloss Schney erwarb. Schaumberg zog mit
Friedrich III. zur Kaiserkrönung nach Rom, diente Herzog Karl dem Kühnen
von Burgund, dann Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg, und kämpfte
als oberster Feldhauptmann Herzog Albrechts von Sachsen in den
Niederlanden. Prägend für das Bild des spätmittelalterlichen
Niederadels waren die zahlreichen Fehden. So berichtet Ludwig von Eyb in
seiner Biographie Wilwolt von Schaumbergs mit Blick auf die 1480er Jahre,
es sei damals „die klain reiterei“ üblich gewesen, kriegerische
Auseinandersetzungen bescheidenen Umfangs, oft nur lokalen Zuschnitts, „also
das etlich freihern und vom adl mit einander, als gewöndlich sölicher
zank in dem land zu Franken selten rut, zu schaffen hetten, sitz
abgewunnen, dörfer buchten und brenten, vich namen und sölch hantierung
triben“
[56]
.
Eyb erzählt davon, wie um 1485 der Onkel Wilwolts, Conz
Marschalk zu Schney, auf der einen und Georg und Conz Schott auf der
anderen Seite „mit einander auf stießen und unwillig wurden“. Die
Fehde, die sich zwei Jahre hinzog und an der sich viele Verwandte beider
Parteien beteiligten, wurde blutig ausgetragen: Conz Schott erschoss einen
„knecht“ der Gegenseite; Wilwolt von Schaumberg erschlug „der
Schotten knecht ainen“ und gemeinsam mit Gottschalk von Sternberg und
Eucharius von Aufseß erstach er einen weiteren; dabei wurde auch Conz
Schott schwer verletzt. Der Vater der beiden Schott-Brüder, Lutz Schott,
damals Amtmann in Lichtenfels, besaß „vill cartanen und schlangen“
– Geschütze –, die er offenbar zugunsten seiner Söhne einsetzen
wollte. Als Georg Schott im Amtssitz seines Vaters, im Kastenhof
[57]
zu Lichtenfels, Pulver trocknete, explodierte es; neun Menschen kamen ums
Leben, und durch die Druckwelle wurde „die kematen“ – das heizbare
Wohngebäude – „im kastenhoff zurißen“
[58]
.
Der Ewige Landfriede von 1495 verbot zwar Fehden,
gleichwohl kam es noch viele Jahrzehnte lang hin und wieder vor, dass
einzelne Personen oder Banden einem Fürsten, einer Stadt oder einem Dorf
den Kampf ansagten
[59]
.
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