BEILAGEN

 

Titelblatt

Inhalt

Vorwort

Einleitung

1500

1600

1700

1800

1900

 

Abbil-
dungen

Wiesen

Weismain

Kloster
Langheim

Kloster
Banz

Staffelstein

 

1500: Religiöse Aufgewühltheit und adlige Selbstbehauptung

 Als an Weihnachten 1499 das Heilige Jahr begann, blickte das Abendland nach Rom, war doch im Bereich der lateinischen Christenheit Rom unangefochten wie kaum zuvor. Ketzer – Abweichler von der kirchlichen, d. h. päpstlichen Lehre – gab es nur noch in wenigen Rückzugsregionen. Die Autorität der Amtskirche war nahezu unangefochten; ihr vielfältigen Angebote, den Glauben zu leben, wurden angenommen [8] .

Angstvolle Sorge um das Seelenheil trieb die Menschen aller Stände um. Man suchte die Hilfe von Heiligen im Diesseits wie für das Jenseits zu erlangen. Man verrichtete ,gute Werke’, um dereinst gerechtfertigt vor Gott zustehen, um jedenfalls dem Fegfeuer zu entgehen, in dem man die Sündenstrafen zu verbüßen hatte. So spendete man für fromme Zwecke, um Ablass zu erwerben, was von den Kanzeln als „leichter, sicherer Weg zum Heil gepriesen“ wurde [9] ; man besuchte Messen, bei denen es nicht um die Mitfeier der Eucharistie ging, sondern darum, die konsekrierte Hostie zu sehen, was Nutzen im Dies- wie im Jenseits versprach [10] ; man pilgerte zu einer Gnadenstätte, etwa zu einem Heiligengrab oder zu einer Kirche, die über einen großen Reliquienschatz verfügte. Als dann im Heiligen Jahr ein fünfzehntägiger Aufenthalt in Rom dafür sorgte, dass nicht nur eine bestimmte Anzahl von Tagen oder Jahren der Sündenschuld erlassen war, sondern die gesamte Schuld, zogen Massen nach Rom, um dieser Gnade teilhaftig zu werden.

Ein Heiliges Jahr war 1300 erstmals begangen worden, 1500 zum achten Mal. Papst Alexander VI., der berühmt-berüchtigte Borgia-Papst, und sein Zeremonienmeister Johann Burckhardt (1456–1506) hatten einen Ritus ersonnen, durch den der Nachfolger Petri das Heilige Jahr einleitete und der im Kern bis heute prägend ist: Am 24. Dezember 1499 ließ der Papst sich, auf einem Prunksessel sitzend, nach St. Peter tragen, eine brennende Kerze in der Linken, begleitet von Kardinälen und anderen Geistlichen mit Kerzen, die Gläubigen segnend; er ging die Stufen zur Basilika hinauf und schlug mit einem Prunkhammer dreimal an die vermauerte Heilige Pforte, was auf Mose Gewalt anspielte, durch das Schlagen auf einen Felsen Wasser entspringen zu lassen, und zugleich auf Petri Schlüsselgewalt. Daraufhin beseitigten Maurer die Steine.

Hinter der eigens geschaffenen Heiligen Pforte ließ Alexander VI. „eine große versiegelte Truhe aufstellen und hieß die päpstliche Garde dafür zu sorgen, dass jeder Eintretende, Römer oder Pilger, einen angemessenen Geldbetrag entrichtete“ [11] . Diese Praxis, die den Hunger der Kurie nach Geld unverhohlen demonstrierte, kritisierten schon Zeitgenossen, weil der Eindruck entstand, die Gnadenmittel des Heiligen Jahres seien käuflich, und weil ruchbar wurde, dass der Großteil des Gelds in Privatschatullen des Papstes floss und dem Aufbau eines mittelitalienischen Königreichs der Borgia dienen sollte. Der vorreformatorische Antiklerikalismus und die gelehrte Kritik an Rom [12] erhielten Nahrung. So bereitete das Heilige Jahr auch ein wenig den Boden für die Reformation.

„In der von Heilsnot und fiebriger Frömmigkeit geprägten Atmosphäre“ [13] der Zeit um 1500 legten die Einwohner von Wiesen den Grundstein zu ihrer Dorfkirche, einer Filiale der Pfarrei Döringstadt. Erstmals erwähnt wird die Wiesener Kirche in einem Ablassbrief. Eine Reihe von Kardinälen gewährte 1475 allen Gläubigen, die diese Kirche an Ostern, Pfingsten, an Mariä Himmelfahrt (15. August), am Andreas-Tag (30. November) oder an der Kirchweih besuchten, 100 Tage Ablass von ihrer Sündenstrafe [14] .

Ein Ablassbrief wie dieser wurde einer Kirche meist dann gewährt, wenn umfangreiche Baumaßnahmen anstanden, denn man wollte Menschen anziehen und dadurch das Opfer mehren. Vielleicht hatte man 1475 schon den Bau von Turm und Chor ins Auge gefasst, der 25 Jahre später begann. Es wäre nichts Ungewöhnliches, dass man Jahrzehnte auf einen solchen Neubau hinsparte. Aus Lichtenfels etwa ist eine Liste der rund 600 Spender erhalten [15] , die wohl zum Bau des Chors der Pfarrkirche beitrugen, der 1483 begann; die frühesten Geldgeber hatten ein halbes Jahrhundert vor Baubeginn gelebt. Und dennoch befanden die Heiligenpfleger, durch den „schweren Bau“ sei die Kirchenstiftung „uberladen“ [16] .

Trotz der Kosten wurde landauf, landab gebaut. Die erhaltenen Kirchen und Kapellen – viel ist durch Neubauten, vor allem im Barock, zugrundegegangen – zeugen von einer intensiven Bautätigkeit im 15. und frühen 16. Jahrhundert [17] : die Kirche in Herreth, der Turm der Marktzeulner Kirche, der Chor der Modschiedler Kirche, die Oberleiterbacher Kirche [18] , der Kirchturm in Schottenstein, Langhaus und Turm der Staffelsteiner Pfarrkirche. Die Unterleiterbacher errichteten 1501 die erste St.-Valentins-Kapelle, noch aus Holz [19] .

Für Wiesen muss der Bau von Chor und Turm ab 1500 ein ungeheurer Kraftakt gewesen sein, zu bewältigen wohl nur durch den Einsatz der – kaum mehr als 30 – Haushalte, die gewiss unentgeltlich Steinfuhren und Handlangerdienste beim Bau übernahmen, und durch die Unterstützung vieler auswärtiger Gläubiger, die mit ihrer Gabe versuchten, dem Himmel ein Stück näher zu rücken und die damit den Wiesenern halfen, eine Kirche zu bauen, die eigentlich ein wenig zu groß war für den Ort. Zu einem kompletten Neubau reichte das Geld aber wohl doch nicht: Teilweise war die Kirche noch im Jahr 1608 aus Holz [20] .

Ein Ehepaar ragte unter den Spendern offenbar heraus: Marx (Marcus) von Giech zu Oberbrunn und seine Frau, eine geborene Stiebar. Das Wappen des benachbarten Adligen ließ man als sichtbaren Dank und als Andenken am Chorbogen anbringen, denn mittelalterlichen Stiftern lag auch daran, sich das Gedenken der Nachwelt zu sichern.

Der Ablass von 1475 übte lange Zeit Zugkraft aus, so dass die Kirche auch nach dem Neubau Anziehungspunkt für Gläubige blieb. Wiesen war im weiteren Sinn ein Wallfahrtsort, indem die Filialkirche, deren Besuch heilswirksam schien, „am allgemeinen ,geläuff’ ihrer Tage“ partizipierte, „dessen Ausmaße wir uns heute schwerlich vorzustellen vermögen“ [21] . Ablass wurde angestrebt, zunächst von jedem für sich. Doch 1476 erklärte der Papst es für möglich, auch stellvertretend für einen Verstorbenen Ablass zu erlangen, „womit [...] ein ganz neuer Ablaßmarkt geschaffen wurde. Man kann sich ausmalen, wie das von den Ablaßpredigern propagierte Angebot, durch ein kleines Geldopfer die eigenen Eltern, Großeltern, Geschwister aus den Qualen des Fegfeuers zu erlösen, auf fromme Gemüter eine zwanghafte Wirkung ausüben konnte“ [22] .

Nicht nur groß angelegte Ablasskampagnen profitierten davon, sondern jede Kirche, deren Besuch eine genau benannte Minderung der Sündenstrafen versprach. 1525 erklärten die Einwohner von Wiesen rückblickend: „Wir haben in unserm Dorf ein Cappellein, dartzu etwo vorzeiten die Leut gros zulaufen, und darumb gros Gut dartzu gefallen ist, welchs wir dann daran verpaut.“ Demnach erfüllte der Ablass offenbar seinen Zweck, denn er brachte Geld für den Neubau. Weiter heißt es: „So sein auch derselben Zeit etlich Leut durch die Priester dermassen beret, das etlich in gemelte Capellen Jartege gestiefft“ [23] . Das heißt: Sie gaben Geld, vielleicht auch ein Grundstück, und die Zinsen oder der Pachtertrag ermöglichten es, dass alljährlich zu einem bestimmten Termin eine Seelmesse für den Verstorbenen und seine Familie zelebriert wurde. Wer es sich leisten konnte, der sorgte dafür, dass parallel zu einer Singmesse weitere Priester an den Nebenaltären stille Messen lasen.

Es ging wohl so viel ein, dass die Wiesener nicht nur ihre Kirche bauen, sondern sie auch ausstatten konnten [24] . Zwei Heiligenfiguren, eine stehende Muttergottes und eine Anna selbdritt, Arbeiten eines unbekannten Bamberger Bildhauers, die Renate Baumgärtel-Fleischmann stilistisch in die Zeit um 1500 bzw. um 1500/10 datiert [25] , sind noch erhalten. Auch zwei Leuchterengelchen stammen wohl aus dem frühen 16. Jahrhundert [26] .

Weit mehr als die bescheidene Dorfkirche zog freilich die nahegelegene Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen Fromme von Nah und Fern an. Die Wallfahrt geht auf vier Visionen zurück, die der Schäfer Hermann Leicht, dessen Vater den langheimischen Gutshof Frankenthal gepachtet hatte, in den Jahren 1445 und 1446 hatte; die Kapelle wurde 1448 zu Ehren Mariens und der vierzehn Nothelfer geweiht [27] . Die seelsorgerliche Betreuung der Wallfahrer übernahm das Kloster Langheim, auf dessen Grund die Kirche errichtet wurde.

Kritik blieb nicht aus, war Vierzehnheiligen doch ein Wallfahrtsort ohne Kultobjekt, gründend allein auf Erscheinungen. Als Otto Zert aus Marktzeuln den Bau der Kirche betrachtete, spottete er „der lieben heyligen [...] vnd sprach / was wil man da news Narrenwerck machen / es ist Ketzerey“ [28] .

Ungeachtet solcher Einzelstimmen entwickelte sich die Kirche rasch zum Zentrum der Nothelferverehrung, die besonders charakteristisch für den Versuch der spätmittelalterlichen Gläubigen war, die Hilfe von Heiligen in dies- wie jenseitigen Nöten zu erlangen. Die Gruppe war so zusammengestellt, „daß möglichst für alle Stände und gegen alle Nöte des Leibes und der Seele ein besonderer Nothelfer bestellt war“ [29] .

Bis aus dem Altmühltal, aus Sachsen, aus dem Egerland kamen Wallfahrer [30] ; selbst Kaiser Friedrich III. und mehrere Fürsten besuchten Vierzehnheiligen [31] . Der große Zulauf war insbesondere den Ablässen zu danken, die 1448 der Bamberger Bischof, 1449 der Papst und 1451 der päpstliche Legat Nikolaus Cusanus verliehen hatten [32] .

Der Besuch bei einer Gnadenstätte war ein Sonderfall, alltäglich war der Besuch der Messe, der als heilswirksam galt. Man glaubte, dass dem andächtigen Zuhörer Messfrüchte – im Jenseits wie im Diesseits – zufielen [33] , wobei „eine von vornherein feststehende Zahl von Meßfrüchten auf den beteiligten Personenkreis verteilt würde“ [34] .

So erklärt sich das Bemühen, die Zahl der Messen zu erhöhen. Ein Kennzeichen der spätmittelalterlichen Kirche ist die Gründung von Inkuratbenefizien, geistlichen Pfründen, deren Inhaber keine seelsorgerlichen Aufgaben hatten, sondern lediglich an bestimmten Tagen an festgelegten Altären Messen zu zelebrieren hatten, in der Regel drei- oder viermal in der Woche. Am Vorabend der Reformation bestanden in Lichtenfels, Burgkunstadt, Weismain und Scheßlitz drei derartige Pfründen [35] ; in Staffelstein waren es acht, ab 1519 sogar neun [36] . Von diesen Inkuratbenefizien, ab 1364 errichtet, waren fünf waren an Altäre der Pfarrkirche gestiftet, zwei an die Corporis-Christi-Kapelle (die heutige Annakapelle) und je eines an die St.-Georgs-Kirche und St. Adelgundis auf dem Staffelberg. Offenbar wurden die Benefizien von Staffelsteiner Geistlichen, Domherren oder Mitgliedern der Familie Marschalk von Ebneth gestiftet.

Die wenigsten Inhaber der Staffelsteiner Pfründen lebten um 1500 in der Stadt. Als Pfarrer wird von 1502 bis 1504 ein Bamberger Chorherr genannt. Diese Vergabepraxis war in der Diözese Bamberg alles andere als ungewöhnlich: Im frühen 16. Jahrhundert wurden hier für etwa die Hälfte aller Pfarreien Absenzgelder gezahlt [37] . Das heißt: Nur jeder zweite Pfarrer erledigte die mit seiner Pfründe verbundenen seelsorgerlichen Aufgaben selbst.

Auch die Staffelsteiner Inkuratbenefizien waren vor der Reformation größtenteils mit auswärtigen Priestern besetzt. 1510 waren drei Pfründen in der Hand von Bamberger Domherren, zwei in der Hand von Bamberger Chorherren, und je eine war einem Bamberger Domvikar und dem Eichstätter Generalvikar verliehen. Der Inhaber des Adelgundis-Benefiziums ist unbekannt. Auf Diözesanebene waren die Verhältnisse offenbar besser: 1519 wurde nur für knapp ein Viertel der Inkuratbenefizien die Absenzgebühr entrichtet [38] .

Obwohl am Beginn des 16. Jahrhunderts fast alle Staffelsteiner Pfründen in der Hand von Auswärtigen waren, lebte in Staffelstein eine ansehnliche Zahl von Priestern, wie überhaupt die Zahl der Geistlichen um 1500 außerordentlich hoch war [39] . Der Kastner Christoph Han, wohl um 1515 geboren, konnte sich 1576 erinnern, es seien hier einst „siben Priester ausser des Pfarrhers und Capelans gewesen“. Ältere Bürger erzählten ihm sogar, sie könnten sich an elf gleichzeitig in der Stadt lebende Geistliche erinnern [40] . Eine Urkunde von 1514 spricht von „den neun Pristern, so hie zu Staffelstein sind“ (zusätzlich zum Pfarrverweser) [41] .

Es scheint, als seien – wie unter den Bürgern – die Vermögensunterschiede zwischen den einzelnen Klerikern beträchtlich gewesen [42] . Es gab reiche Priester: Jakob Rosenberger, der Geldgeschäfte machte [43] und gemeinsam mit seinen beiden Schwestern Häuser, Güter, Äcker und Weinberge besaß [44] ,Georg Kurtz, der 1519 das St.-Anna-Benefizium errichtete und dafür sicherlich mehrere hundert Gulden aufwandte, wohl auch Johann Thauerer, der vor 1504 einen Jahrtag für sich und sein Geschlecht stiftete [45] . Zumindest Rosenberger und Thauerer waren aber schon von Haus aus wohlhabend; dies wird z. B. bei ihrer Immatrikulation deutlich, wo sie hohe Gebühren entrichteten [46] . Sie hatten ihr Vermögen also wohl nicht oder nur zum Teil selbst erworben. Ihnen standen Priester gegenüber, die nicht aus begüterten Familien kamen. Diese lebten wohl so lange in wirtschaftlicher Sicherheit – wenn auch keineswegs in Wohlstand –, wie sie ein Benefizium verwesten oder gar innehatten. Fanden sie aber keinen Pfründinhaber, der sie mit seiner Vertretung beauftragte, oder konnten sie, etwa wegen Krankheit, keiner Verwesertätigkeit nachgehen, dann waren sie wohl oft der Armut ausgeliefert. So waren denn arme Priester keine Seltenheit: In der Fiskalatsrechnung von 1517/18 werden alle 14 Priester ohne Pfründe, die damals in der Diözese Bamberg starben, als „pauper“ (arm) bezeichnet [47] .

Neben den örtlichen Geistlichen gehörten zum vorreformatorischen Straßenbild von Staffelstein sicherlich auch Mönche der Benediktinerabtei Banz. In dieses Kloster wurden – wie in viele spätmittelalterliche Benediktinerklöster – nur Männer adliger Herkunft als Mönche aufgenommen. Doch während fast alle anderen fränkischen Abteien im 15. Jahrhundert reformiert und dabei Nichtadligen geöffnet oder in weiterhin für Adlige bestimmte Chorherrenstifte umgewandelt wurden, blieb Banz bis weit ins 16. Jahrhundert ein Adelskloster [48] . Die Mönche ritterschaftlicher Abstammung, deren Zahl im frühen 16. Jahrhundert bei sechs lag, sahen im Kloster „ein [...] Spital der vom Adel, darin ihre Kinder erlich erhalten werden“, – mithin eine Versorgungsanstalt – und lebten mehr ihrer Herkunft als der Ordensregel gemäß [49] . Gewiss gab es Mönche, die ihren geistlichen Stand ernst nahmen. So erklärte 1515 der Prior seinem Abt, er beabsichtige, „seiner Selen zcu Heyl und mererm Vordinstnus [...] den Orden und Regel unnsers Vaters, des heyligen sanct Benedicten [...] höher zcu erfaren und strengklicher zcu halten“ [50] . Der Abt schickte ihn daraufhin in das Kloster Michelsberg. Doch verließ er Banz freilich nicht für immer, sondern nur für wenige Jahre.

In Banz besaßen die Konventualen eigene Häuser und Wohnungen innerhalb der Klostermauern, mussten nur im Chor den Habit tragen, durften das Klosterareal – wenn auch zeitlich und räumlich beschränkt – ohne Genehmigung des Abtes verlassen. Die Mönchsgemeinschaft hatte Teil an der Leitung des Klosters, und das klösterliche Vermögen war zwischen Abt und Konvent, zum Teil sogar unter die einzelnen Mönche, aufgeteilt [51] .

Die Ritter verteidigten das Adelsprinzip in Banz, sahen sie sich doch – wie auf anderen Feldern – durch das aufstrebende Bürgertum bedrängt. Um sich gegen die städtische Oberschicht abzugrenzen, veranstalteten die Ritter im 15. Jahrhundert unter großem Aufwand Turniere, zu denen nur Männer adliger Abstammung zugelassen waren; mittels dieser blutigen Kampfspiele demonstrierten sie ihren Status als Kämpfer mit besonderem Ehrenkodex [52] . Allerdings übernahm sich dabei mancher Ritter finanziell, war doch eine Turnierausrüstung kostspielig, wie die Schadensinventare der im Bauernkrieg von 1525 geplünderten Adelssitze belegen. Die Unterleiterbacher Schlossherrin hatte den Verlust einer prächtigen Rüstung zu beklagen; allein die Federbüsche kosteten mit 70 Gulden ein kleines Vermögen [53] .

Dabei wurde die wirtschaftliche Basis vieler Familien wurde zusehends schmaler, da neue Burgen und Schlösser hinzukamen, die zu unterhalten waren. In manchen Orten existierten mehrere Ansitze nebeneinander, so in Küps und in Schmölz. Auch in Redwitz entstanden zusätzlich zur ursprünglichen Burg auf der Anhöhe über der Rodach weitere Adelssitze. Um 1500 gab es das eigentliche „Schloss“, aufgeteilt in zwei Hälften, daneben den „Burgstall“ – einen abgegangenen Wehrbau, „vielleicht die ehemalige Vorburg“ –, eine „neue Behausung“ und eine „Kemenate“. Neben den Herren von Redwitz saßen hier die Marschalk zu Schney, die Rauschner zu Lindenberg und bis 1491 auch die Herren von Schaumberg. Die Adelssitze lagen offenbar in Nachbarschaft zueinander, so dass sich um die Burg des 13. Jahrhunderts eine regelrechte „Burgsiedlung“ herausbildete [54] .

Das Paradebeispiel eines fränkischen Ritters am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit war Wilwolt von Schaumberg († 1510) [55] , der 1503 von seinem Onkel das Schloss Schney erwarb. Schaumberg zog mit Friedrich III. zur Kaiserkrönung nach Rom, diente Herzog Karl dem Kühnen von Burgund, dann Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg, und kämpfte als oberster Feldhauptmann Herzog Albrechts von Sachsen in den Niederlanden. Prägend für das Bild des spätmittelalterlichen Niederadels waren die zahlreichen Fehden. So berichtet Ludwig von Eyb in seiner Biographie Wilwolt von Schaumbergs mit Blick auf die 1480er Jahre, es sei damals „die klain reiterei“ üblich gewesen, kriegerische Auseinandersetzungen bescheidenen Umfangs, oft nur lokalen Zuschnitts, „also das etlich freihern und vom adl mit einander, als gewöndlich sölicher zank in dem land zu Franken selten rut, zu schaffen hetten, sitz abgewunnen, dörfer buchten und brenten, vich namen und sölch hantierung triben“ [56] .

Eyb erzählt davon, wie um 1485 der Onkel Wilwolts, Conz Marschalk zu Schney, auf der einen und Georg und Conz Schott auf der anderen Seite „mit einander auf stießen und unwillig wurden“. Die Fehde, die sich zwei Jahre hinzog und an der sich viele Verwandte beider Parteien beteiligten, wurde blutig ausgetragen: Conz Schott erschoss einen „knecht“ der Gegenseite; Wilwolt von Schaumberg erschlug „der Schotten knecht ainen“ und gemeinsam mit Gottschalk von Sternberg und Eucharius von Aufseß erstach er einen weiteren; dabei wurde auch Conz Schott schwer verletzt. Der Vater der beiden Schott-Brüder, Lutz Schott, damals Amtmann in Lichtenfels, besaß „vill cartanen und schlangen“ – Geschütze –, die er offenbar zugunsten seiner Söhne einsetzen wollte. Als Georg Schott im Amtssitz seines Vaters, im Kastenhof [57] zu Lichtenfels, Pulver trocknete, explodierte es; neun Menschen kamen ums Leben, und durch die Druckwelle wurde „die kematen“ – das heizbare Wohngebäude – „im kastenhoff zurißen“ [58] .

Der Ewige Landfriede von 1495 verbot zwar Fehden, gleichwohl kam es noch viele Jahrzehnte lang hin und wieder vor, dass einzelne Personen oder Banden einem Fürsten, einer Stadt oder einem Dorf den Kampf ansagten [59] .


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[8]        Moeller, Bernd: Frömmigkeit in Deutschland um 1500. In: Archiv für Reformationsgeschichte 56 (1965), S. 5–31 (auch zum Folgenden).

[9]        Winterhauer, Wilhelm Ernst: Ablaßkritik als Indikator historischen Wandels vor 1517. Ein Beitrag zu Voraussetzungen und Einordnung der Reformation. In: Archiv für Reformationsgeschichte 90 (1999), S. 6–71, hier S. 8.

[10]       Jungmann, Joseph Andreas: Missarum Sollemnia. Eine genetische Erklärung der römischen Messe. Bd. 2. Wien 1949, S. 164.

[11]       Schilling, Heinz: 1500. Neue Welten und die Spaltung der Kirche – die „Zeit der Reformationen“. In: Gall (wie Anm. 5), S. 205–240, hier S. 218.

[12]       Dazu neuerdings auch Winterhauer (wie Anm. 9).

[13]       Ebd., S. 8.

[14]       AEB, Rep. I, PfA 134, Prod. 1.

[15]       AEB, Rep. I, U 334.

[16]       Dippold, Günter: Lichtenfels. Korb- und Eisenbahnerstadt am oberen Main. Stuttgart 1997, S. 19.

[17]       Breuer, Tilmann: Landkreis Lichtenfels. München 1962 (Bayerische Kunstdenkmale 16); Lippert, Karl-Ludwig: Landkreis Staffelstein. München 1968 (Bayerische Kunstdenkmale 28); Chevalley, Denis André / Lübbeke, Hans-Wolfram / Nitz, Michael (Bearb.): Denkmäler in Bayern. Bd. 4: Oberfranken. Ensembles, Baudenkmäler, archäologische Geländedenkmäler. München 1986.

[18]       Faber, Annette: Die Filialkirche St. Laurentius in Oberleiterbach. In: Gunzelmann, Thomas (Hrsg.): Pfarrei Kirchschletten 1698–1998. Zapfendorf 1998, S. 145–154.

[19]       Korth, Thomas: Die Valentinikapelle in Unterleiterbach. Ein Hauptwerk der Sakralbaukunst von Johann Jakob Michael Küchel. In: Absch, Dietmar / Dippold, Günter (Hrsg.): Dorf-Leben. Politik, Glaube und Kultur im Wandel. 1200 Jahre Unterleiterbach. Unterleiterbach 2000, S. 147–166, hier S. 148f.

[20]       StAB, B 81, Nr. 1140, Q 105.

[21]       Brückner, Wolfgang: Zur Phänomenologie und Nomenklatur des Wallfahrtswesens und seiner Erforschung. Wörter und Sachen in systematisch-semantischen Zusammenhang. In: Harmening, Dieter u.a. (Hrsg.): Volkskultur und Geschichte. Festgabe für Josef Dünninger zum 65. Geburtstag. Berlin 1970, S. 384–424, hier S. 401.

[22]       Winterhauer (wie Anm. 9), S. 9.

[23]       StAB, B 48, Nr. 12, fol. 226r.

[24]       Zum Folgenden vgl. Lippert (wie Anm. 17), S. 306–308.

[25]       Baumgärtel-Fleischmann, Renate: Bamberger Plastik von 1470 bis 1520. In: BHVB 104 (1968), S. 5–353, hier S. 299.

[26]       Lippert (wie Anm. 17), S. 308.

[27]       Dünninger, Josef: Die Wallfahrtslegende von Vierzehnheiligen. In: Festschrift für Wolfgang Stammler. Berlin / Bielefeld 1953, S. 192–205; Guth, Klaus: Das Entstehen fränkischer Wallfahrten. Zur Phänomenologie, Typologie und Aitiologie der Wallfahrtsgenese. In: Mainfränkisches Jahrbuch 29 (1977), S. 39–53, hier S. 44–47, 50–53; Korth, Thomas: Das Jesuskind von Franckenthal. Bemerkungen zur „Verortung“ des Nothelferkultes in Vierzehnheiligen. In: Lebendige Volkskultur. Festgabe für Elisabeth Roth zum 60. Geburtstag. Bamberg 21985, S. 173–188; Dippold, Günter: Hermann, die vierzehn Nothelfer und die Entstehung einer Wallfahrt. Historische Anmerkungen. In: Bornschlegel, Andreas: Der Schäfer und die vierzehn Heiligen. Erzählung. Staffelstein 1993, S. 56–59. Zur Geschichte der Wallfahrt insgesamt Pölnitz, Sigmund Frhr. von: Vierzehnheiligen. Eine Wallfahrt in Franken. Weißenhorn 1971.

[28]       Historia et origo peregrinationis et miracvlorum ad sacellum 14 Auxiliatorum in Franca Valle prope Staphelsteinium. Histori vnd vrsprung der Wallfart vnd wunderzeichen zun viertzehen Nothelffern im Franckenthal bey Staffelstein gelegen. Bamberg 1596, fol. G4r. Zert erkrankte auf dem Heimweg, wurde aber wieder als er „sich zu den heyligen mit einem opffer“ verlobte. – Ähnliche Äußerungen werden im Vierzehnheiligener Mirakelbuch auch von einem Bamberger Knecht berichtet: „der war gesessen in einem Schenckhauß / Da hett man der lieben Heyligen gedacht / hat der der lieben Heyligen gespott / vnd keinen Glauben daran gehabt“. Ebd., fol. G4v.

[29]       Geldner, Ferdinand: Die Vierzehn Nothelfer in der frühen Druckgraphik. In: Gutenberg-Jahrbuch 1985, S. 303–315.

[30]       Harmening, Dieter: Fränkische Mirakelbücher. Quellen und Untersuchungen zur historischen Volkskunde und Geschichte der Volksfrömmigkeit. In: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 28 (1966), S. 25–240, hier S. 143 und Karte 1.

[31]       Guth, Klaus: Vierzehnheiligen und die Anfänge der Nothelferverehrung. Anatomie einer Wallfahrtsgenese. In: Staffelstein. Die Geschichte einer fränkischen Stadt. Landschaft, Kultur und Menschen in achteinhalb Jahrhunderten. Staffelstein 1980, S. 233–252, hier S. 248.

[32]       Ebd., S. 245f.

[33]       Jungmann, Joseph Andreas: Missarum Sollemnia. Eine genetische Erklärung der römischen Messe. Bd. 2. Wien 1949, S. 164.

[34]       Iserloh, Erwin: Das innerkirchliche Leben: Stadtpfarrei, Liturgie, Predigt, Katechese, Ordenswesen. In: Jedin, Hubert (Hrsg.): Handbuch der Kirchengeschichte. Bd. III/2. Freiburg i. Br. / Basel / Wien 1968, S. 676–697, hier S. 685; ausführlich zu den Meßfrüchten Franz, Adolph: Die Messe im deutschen Mittelalter. Beiträge zur Geschichte der Liturgie und des religiösen Volkslebens. Freiburg i. Br. 1902, S. 36–72.

[35]       Guttenberg, Erich Frhr. von / Wendehorst, Alfred: Das Bistum Bamberg. Teil 2: Die Pfarreiorganisation. Berlin 1966 (Germania Sacra 2, 1, 2), S. 160, 169f., 164, 152.

[36]       Dippold, Günter: Staffelstein zur Zeit von Adam Ries. In: Adam Rieß vom Staffelstein, Rechenmeister und Cossist. Staffelstein 1992 (Staffelsteiner Schriften 1), S. 39–86, hier S. 65–69.

[37]       Zeißner, Werner: Altkirchliche Kräfte in Bamberg unter Bischof Weigand von Redwitz (1522–1556). Bamberg 1975 (Historischer Verein Bamberg, Beiheft 6), S. 22.

[38]       Vgl. ebd., S. 23.

[39]       Vgl. Moeller (wie Anm. 8), S. 28.

[40]       StAB, B 86, Nr. 12, fol. 270r.

[41]       StAB, A 38, L. 388, Nr. 280, fol. 3r.

[42]       Zu diesem Ergebnis gelangt allgemein Kurze, Dietrich: Der niedere Klerus in der sozialen Welt des späteren Mittelalters. In: Schulz, Knut (Hrsg.): Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Mittelalters. Festschrift für Herbert Helbig. Köln / Wien 1976, S. 273–305, hier S. 292f., 295.

[43]       StAB, L 47 Staffelstein, Nr. 1, fol. 39v.

[44]       StAB, Stb. 3239, fol. 7r, auch 8r, 44v, 47v, 52r, 54v, 85v, 105r.

[45]       Pfarrarchiv Staffelstein, L 2, fol. 22v.

[46]       Rosenberger entrichtete bei seiner Immatrikulation in Leipzig 1477 eine Gebühr von zehn Groschen. Einen ebenso hohen Betrag hatte dort erst ein Staffelsteiner gezahlt. Erler, Georg (Hrsg.): Die Matrikel der Universität Leipzig. Bd. 1: Die Immatrikulationen von 1409–1559. Leipzig 1895 (Codex diplomaticus Saxoniae regiae 2, 16), S. 311. Thauerer zahlte 1464 in Erfurt den Höchstsatz. Weissenborn, J. C. Hermann (Bearb.): Acten der Erfurter Universität. Teil 1. Halle 1881 (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete 8, 1), S. 304, zur Gebühr S. XVII.

[47]       Zeißner (wie Anm. 37), S. 33.

[48]       Wendehorst, Alfred: Der Adel und die Benediktinerklöster im späten Mittelalter. In: Angerer, Joachim F. / Lenzenweger, Josef (Hrsg.): Consuetudines monasticae. Eine Festgabe für Kassius Hallinger aus Anlaß seines 70. Geburtstages. Rom 1982 (Studia Anselmiana 85), S. 333–353; Dippold, Günter: Die Banzer Klosterschule 1531–1575. In: Bielmeier, Horst / Rupprecht, Klaus (Hrsg.): Festgabe Gerd Zimmermann zum 65. Geburtstag. Bamberg 1989 (Historischer Verein Bamberg, Beiheft 23), S. 155–180, hier S. 155–158. Allgemein Schreiner, Klaus: Mönchsein in der Adelsgesellschaft des hohen und späten Mittelalters. Klösterliche Gemeinschaftsbildung zwischen spiritueller Selbstbehauptung und sozialer Anpassung. In: Historische Zeitschrift 248 (1989), S. 557–620, hier S. 595–615; ders.: Vom adligen Hauskloster zum „Spital des Adels“. Gesellschaftliche Verflechtungen oberschwäbischer Benediktinerkonvente im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 9 (1990), S. 27–54.

[49]       StAB, B 93, Nr. 22, fol. 135r; vgl. auch Dippold, Klosterschule (wie Anm. 48), S. 156f. (mit Lit.).

[50]       StAB, B 93, Nr. 20, fol. 18r.

[51]       Pfuhlmann, Heinz: Spenn, Zwytrecht, Gebrechen und Widerwillen. Zwei Schiedsverträge des Bamberger Bischofs Heinrich III. Groß von Trockau zwischen Abt und Konvent des Klosters Banz von 1488 und 1490. In: Geschichte am Obermain 16 (1987/88), S. 49–65.

[52]       Über spätmittelalterliche Turniere vgl. Jackson, William H.: Tournament and Chivalry in German Tournament Books of the Sixteenth Century and in the Literary Works of Emperor Maximilian I. In: Harper-Bill, Christopher / Harvey, Ruth (Hrsg.): The Ideals and Practice of Medieval Knighthood. Paper from the first and second Strawberry Hill Conferences. Woodbridge 1986, S. 49–73; Jackson, William H.: Tournaments and the German Chivalric „renovatio“. Tournament Discipline and the Myth of Origins. In: Anglo, Sydney (Hrsg.): Chivalry in the Renaissance. Woodbridge 1990, S. 77–91; Ranft, Andreas: Einer von Adel. Zu adligem Selbstverständnis und Krisenbewußtsein im 15. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift 263 (1996), S. 317–343.

[53]       Endres, Rudolf: Adelige Lebensformen in Franken zur Zeit des Bauernkrieges. Würzburg 1974 (Neujahrsblätter der Gesellschaft für fränkische Geschichte 35), S. 18–20.

[54]       Kunstmann, Hellmut: Schloß Guttenberg und die früheren oberfränkischen Burgen des Geschlechts. Würzburg 1966 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte IX, 22), S. 333f.

[55]       Über ihn Herd, Rudolf: Ein fränkischer Ritterspiegel aus dem Jahre 1507. In: Geschichte am Obermain 4 (1966/67), S. 87–100; Goez, Werner: Das Leben auf der Ritterburg. In: Meckseper, Cord / Schraut, Elisabeth (Hrsg.): Mentalität und Alltag im Spätmittelalter. Göttingen 1985, S. 9–33, hier S. 10–13; Boockmann, Hartmut: Fürsten, Bürger, Edelleute. Lebensbilder aus dem späten Mittelalter. München 1994, S. 107–122.

[56]       Keller, Adelbert von (Hrsg.): Die Geschichten und Taten Wilwolts von Schaumburg. Stuttgart 1859 (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart 50), S. 60.

[57]       Meyer, Heinrich: Der ältere Lichtenfelser Kastenhof, in: Heimat-Blätter. Land am Obermain in Vergangenheit und Gegenwart 1963, Nr. 6f.

[58]       Keller (wie Anm. 56), S. 70f.

[59]       Beispiele aus dem Hochstift Bamberg bei Schrott, Konrad: Um Galgen, Rat und Schwert. Strafgerichtsbarkeit im Hochstift Bamberg 1540–1611. O. O., o. J. [Bamberg 1992], S. 363–372.