1. Besitzerwerb und Ausbau der Herrschaft in Franken im 12.
Jahrhundert
1.1 Herkunft der Familie und erster Kontakt mit Franken
Altbayerische Wurzeln
Kurz nach 1000 lässt sich die Familie der Andechser als
Inhaber einer Grafschaft an der oberen Isar sicher nachweisen. Bis zur Mitte des
11. Jahrhunderts gelang es ihr, zwischen oberem Lech und oberer Isar ein relativ
geschlossenes Gebiet zu arrondieren. Weiteren Zuwachs erlangte sie vor allem
unter Graf Otto II. im Süden, im Inntal und in Niederösterreich.
Erster fränkischer Besitz um Bayreuth
Ein Verwandter dieses Grafen, Graf Arnold von Dießen,
nachweisbar seit 1070, war der erste Andechser, der mit Franken in Kontakt
geriet, und zwar über eine Heiratsbeziehung. Graf Arnold, ursprünglich vor
allem am Ammer- und Starnbergersee begütert, war verheiratet mit Gisela, der
jüngsten Tochter des Schweinfurter Markgrafen Otto. Die Schweinfurter, im 10.
Jahrhundert eine der einflussreichsten Familien Frankens, hatten einen großen
Teil ihrer Besitzungen im Konflikt mit Kaiser Heinrich II.. verloren, behielten
aber aufgrund ihrer Eigengüter in Oberfranken einige Macht, die sie wohl auch
durch Rodungen und neue Burgengründungen, z. B. Giech und Lichtenfels, in der
ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts auszubauen suchten. Als Markgraf Otto 1057
ohne männliche Nachkommen starb, ging sein Erbe auf seine vier Töchter und
seine Witwe über.
Auf diese Weise gelangten Ländereien um Bayreuth und wohl
auch um die Plassenburg, Tochter Giselas Erbanteil, an ihren Mann und bildeten
das Ausgangsgebiet andechsischer Macht in Franken.
Erste Ausbauphase im Zweimainland
Arnolds Söhne teilten das väterliche Erbe auf, Gebhard
erhielt den Besitz am Inn und die Hallgrafschaft, während Berthold II. die
altbayerischen und fränkischen Güter in Besitz nahm. In Oberfranken hatten die
Bischöfe von Bamberg spätestens im 12. Jahrhundert damit begonnen, ihr
Hochstift durch einen Burgenkranz zu sichern, wobei die meisten dieser Anlagen
erworben, nur wenige neu errichtet wurden. So sicherte eine Kette von Burgen von
Pottenstein über Gößweinstein bis nach Niesten den bischöflichen Einfluss im
Jura. Ähnlich wurde am Nordrand des Steigerwaldes und in anderen Gebieten
verfahren.
Um damit konkurrieren zu können, entschloss sich Berthold
II., gestorben 1151, zu einer intensiveren Herrschaftsgestaltung in seinen
fränkischen Besitzungen: Wohl kurz nach 1130 begannen die Andechser sich
verstärkt den Kulmbacher Raum zu erschließen. Dort hatte die Adelsfamilie der
Walpoten bis dato den größten Einfluss. Dieses edelfreie Geschlecht hatte
seinen Stammsitz auf der Burg Zwernitz und bedeutenden Besitz im und am Jura.
1135 nannte sich Berthold II. erstmals nach der Plassenburg,
beherrschte damit also die zentrale Befestigung der Gegend. Diese erste
Plassenburg lag noch auf der Anhöhe des Buchbergs bei Kulmbach und wurde erst
im 14. Jahrhundert im Kampf zwischen den Grafen von Orlamünde, den Andechser
Erben in diesem Gebiet, und ihren Ministerialen zerstört. In der ersten Hälfte
des 12. Jahrhunderts ging vom Andechser auch der Anstoß zur Marktgründung
Kulmbachs aus, wobei bereits vorhandene kleinere Siedlungsstellen zu einem Kern
zusammengeschlossen wurden, ein Vorgang, der bis ca. 1160 abgeschlossen gewesen
sein dürfte.
Das andechsische Engagement in der Reichspolitik ließ
allerdings nicht allzu viele Aufenthalte in den neu erschlossenen Gebieten zu.
Bereits 1149 benannte sich deshalb eine Ministerialenfamilie „von Blassenberc"
und vertrat hier wohl die Andechser als Inhaber des Radenzgau-Gerichtes.
1.2 Chunizas Erbe: Stützpunkte am Obermain
Der Erbgang
Auch der nächste Schritt zur Herrschaftserweiterung in
Franken ergab sich über eine Heiratsverbindung. Die Burgen Giech mit Scheßlitz
sowie Lichtenfels hatte die Witwe des bereits erwähnten letzten Schweinfurters
erhalten. Sie vererbte die Güter ihrem Sohn aus zweiter Ehe, Markgraf Ekbert II.
von Meißen. Dessen Witwe übertrug den Besitz ihrer Schwester Kunigunde von
Beichlingen, die ihrerseits ihre Tochter Mechthild damit ausstattete. Deren
Tochter Adela, die die Burgen noch zu Lebzeiten der Mutter erhalten hatte,
heiratete einen Reginboto, der sich seit 1130 „comes de Giche" nannte.
Aus dieser Ehe stammt die Tochter Chumza, die den Grafen Poppo I. von
Andechs-Plassenberg heiratete, einen Sohn Bertholds Il.
Der Streit um das Erbe
Damit gelangte weiterer Besitz aus dem Schweinfurter Erbe
über die erwähnten Erbfälle in die Hände der Andechser.
Deren Besitz bildete nun aber gleichsam einen Sperrriegel zwischen den Gütern der Bamberger Bischöfe um Banz und denen um Alten- bzw.
Burgkunstadt sowie denen auf dem Jura. Zudem konnten sie im Besitz der Burg
Lichtenfels die Straße von Bamberg nach Kronach kontrollieren. Bischof Egilbert
reagierte auf diese Bedrohung mit der Scheidung der Ehe zwischen Chumza und
Poppo. Chumza übereignete daraufhin ihre Erbschaft dem Hochstift und trat
selbst in ein Kloster ein.
Ihr Mann Poppo war allerdings nicht bereit, diese
Besitzveränderungen ohne weiteres anzuerkennen, zumal aus der Ehe bereits ein
Sohn, Heinrich, hervorgegangen war. So entspann sich eine mehrjährige Fehde,
die erst 1143 mit einem Schiedsvertrag beigelegt wurde. Der Bischof erhielt die
Befestigungen vor der Burg Giech, bei denen es sich um einen Vorgängerbau der
heutigen Anlage handeln dürfte, außerdem die Hälfte der Burg Lichtenfels.
Jede der beiden Parteien sollte einen Vertreter in die Burg setzen, wobei der
Bischof nur gräfliche Vasallen erwählen durfte, was natürlich den Andechsern
ein gewisses Übergewicht verlieh. Die von diesen eingesetzten Ministerialen
nannten sich wohl schon von Beginn an nach Lichtenfels, als solche sind sie seit
1157 bezeugt. Man nimmt an, dass es sich bei ihnen vielleicht um einen Zweig der
Schönbrunn handelt. Nach 1327 gilt das Geschlecht als ausgestorben. Der Bischof
behielt außerdem Oberwallenstadt, Seubelsdorf, Mistelfeld und Schletten. Der
Rest des Besitzes und auch die Grafschaft im Radenzgau gingen an Poppo, seinen
Bruder Berthold III.. und seinen Sohn Heinrich auf Lebenszeit. Da man mit
weiteren Auseinandersetzungen zu rechnen schien, legte man sich auch gleich auf
ein Sühneverfahren fest, für den Fall, dass eine Partei der anderen in Zukunft
Schaden zufügen sollte.
Versuche Bischof Eberhards II. (1146-1170), die Abmachungen
dadurch außer Kraft zu setzen, dass er ein Darlehen an die Konkurrenten vergab
und als Pfand die strittigen Burgen verlangte, scheiterten an der korrekten
Rückzahlung der Schulden. Als Poppo 1148 beim z. Kreuzzug in Byzanz starb,
entbrannte der Erbschaftsstreit nochmals. Als alleiniger Erbe trat nun Berthold III.
(gestorben 1188) auf, da Poppos Sohn Mönch in Admont geworden war. Der
GiechburgVertrag von 1149, abgeschlossen mit Bischof Eberhard II., regelte die
Angelegenheiten schließlich folgendermaßen: Berthold III. und sein ältester
Sohn wurden mit den umstrittenen Burgen belehnt, für Lichtenfels sollte jede
Partei einen Kastellan einsetzen, die zusammenwirken sollten. Für die Giechburg
sind seit 1149 andechsische Ministerialen belegbar. Ein
„Eberhardus de Giecheburc" erscheint als letzter Zeuge Graf Bertholds III.
im Giechburgvertrag.
Weiterer Machtausbau
Der Bischof hatte außerdem erreicht, dass die meranischen
Festungen in Oberwallenstadt und Altentrebgast zu schleifen seien, was auch
geschah. Altentrebgast als befestigter Ort und Altenstadt als Zollstätte waren
die ältesten andechsischen Schwerpunkte im Bayreuther Gebiet. Als Ersatz für
die Schleifung Altentrebgasts ist wohl die Gründung Bayreuths um 1160
anzusehen, dessen Kern ein Burgenbau im Bereich des heutigen „alten
Schlosses" war. Zur Stärkung dieser Neugründung ließ der meranische Graf
den Fernhandelszug, der bisher durch Altenstadt verlief, in die neue Siedlung
verlegen, womit Altenstadt seine bisherigen Funktionen weitgehend verlor.
Dass die Macht der Andechser unter Berthold III. entscheidend
verstärkt wurde, mag auch die Tatsache belegen, dass es dem Grafen gelang, die
Vogteien über Kloster Langheim und St. Getreu in Bamberg zu gewinnen.