Der Bamberger Erzbischof
von Hauck wehrte sich vehement gegen die Gleichschaltung der Kirchen zu einer
Nationalkirche, wobei er durch seine Geistlichen und die Blätter, denen Meixner
vorstand, unterstützt wurde[41].
Nach der Gleichschaltung der örtlichen politischen Opposition war es das Ziel
der Nationalsozialisten, auch das Bamberger Pressewesen einzubinden.
Hauptgegner dabei war das “Bamberger Volksblatt” und damit der St.
Otto-Verlag. Der Kreisleiter Zahneisen stützte sich auf das
Ermächtigungsgesetz, als er das Verbot von Artikeln mit politischem Inhalt
durchsetzte. Danach mussten alle Berichte überparteilich und überregional
geschrieben werden. Da es schwer war, diesem Anspruch gerecht zu werden, wurde
das Volksblatt viermal verboten und deshalb für kurze Zeit mit allen
Kopfblättern (Lichtenfelser Neueste Nachrichten, Forchheimer Zeitung,
Fränkische Presse Kronach und Unterfränkische Zeitung Haßfurt) eingestellt.
Abwerbetrupps der SA sollten nach dem geringen Erfolg dieser Maßnahmen den
Bankrott des St. Otto-Verlages erreichen. Das Blatt verlor nun 15% seiner
Leserschaft. Als sich einige Bauern beschwerten, wurden die restriktiven
Praktiken bis auf weiteres eingestellt, da sich die NSDAP keinen Pressekrieg
erlauben konnte.
So konnte Meixner
weiterhin in seinem Volksblatt über die Verbrechen der Nationalsozialisten
berichten. Es erschienen dort Artikel über die Verhaftung von Priestern, z.B.
des Münchner Stadtpfarrers Dr. Muhler, oder von der Ermordung des Juden Willy
Aron im KZ Dachau.
Die NSDAP drohte den
Volksblattlesern mit dem Entzug der Arbeit oder Rente, da sie eine
staatsfeindliche Zeitung bezögen. Eine Anfrage eines Lesers zu diesen
Repressalien an den Verlag wurde mit folgenden Worten beantwortet:
“Die Entpersönlichung,
die kritiklose Unterwerfung des Menschen unter den Massenwillen und die
Diktatur des alleingebietenden Führers ist die Voraussetzung für den Erfolg des
Radikalismus.”
Diese Antwort wurde nun
wiederum von den Nationalsozialisten schwer geahndet, z.T. mit
Gefängnisstrafen. Druckerei und Verlag wurden mehrmals überfallen, schließlich
nahm die Gestapo Meixner am 26. Juni 1933 in Schutzhaft. Drei Tage später bat
der Erzbischof aus Angst vor weiteren Repressalien, den St. Otto-Verlag, sich “jeder
parteipolitischen Betätigung” zu enthalten. Von Meixner wünschte er, dass
er
sein Abgeordnetenmandat niederlege. In seinem Hirtenbrief vom 10. November 1933
blieb ihm nichts weiter übrig, als auf “ein friedliches und dauerhaftes
Verhältnis zwischen katholischer und nationalsozialistischer Presse” zu
vertrauen[42].
Seit dem Inkrafttreten des
Konkordates zwischen dem Vatikan und dem deutschen Staat am 10. September 1933
gab Meixner die Chefredaktion seiner Blätter an Emil Joeckle ab. Dieser Schritt
war nach dem Wortlaut des Konkordats nicht erforderlich. Meixner verstand sein
Handeln aber als Vorsichtsmaßnahme, um einer erneuten Verhaftung zu entgehen.
Dennoch wurde das “Bamberger Volksblatt” vom 18. - 24. Oktober erneut
verboten. Meixner beschwerte sich deswegen beim Chef der bayerischen
Staatskanzlei Hermann Esser, jedoch ohne Erfolg[43].
Nun mehrten sich
Einschüchterungen von Lesern der Zeitungen und Mitarbeitern des Verlages. Ziel
der Maßnahmen war es, erstens die Auflage der Zeitungen zu drücken. Zweitens
wollten die Nationalsozialisten erreichen, dass der Leserstamm der St.
Otto-Blätter zur nationalsozialistischen Tageszeitung “Bayerische Ostmark”
wechselt.
Um dies zu durchzusetzen,
wurde der Abonnentenstamm des Verlages durch örtliche Befragungen festgestellt.
Hierfür setzte das Regime regionale nationalsozialistische Funktionsträger ein,
wie z.B. die NS-Bürgermeister der Ortschaften oder kleinere NS-Führer. Zuerst
verlangten sie von den Lesern das zusätzliche Abonnement der “Bayerischen
Ostmark”, später gingen sie dazu über, die Lektüre des Volksblattes
generell mit Strafen zu belegen. Beispielweise drohten sie damit, dass es
Staatsbediensteten verboten sei, die St. Otto-Blätter zu lesen, andernfalls
würden sie ihre Arbeit verlieren. Personen, die nicht für den Staat tätig
waren, drohte man mit finanziellen Einbußen, wie z.B. dem Entzug der
Winterhilfe oder dem Verlust der Rente. Für diese Abwerbeaktionen wurden trotz
des eigentlich noch vorhandenen Verbots durch den Staat immer mehr
Parteiorganisationen herangezogen, wie z.B. die SA oder die HJ. Deshalb gingen
die Auflage und damit verbunden die Inserateinnahmen der St. Otto-Blätter
schlagartig zurück, woraus sich für den Verlag bereits 1934 große finanzielle
Probleme ergaben.
Wie sehr derartige
Aktionen die Leserschaft einschüchterten, zeigt folgender Brief eines
Lettenreuthers an den Lichtenfelser Ortsvertreter:
“Ich erlaube mir , eine
Frage an Sie zu richten und bitte um recht dringenden Bescheid, da es sich um
die Existenz meines Sohnes handelt, der seit dem 1. September 1933 als SS-Mann
in Dachau im Dienste steht. - Es hat nämlich ein hiesiger Nationalsozialist die
Äußerung gemacht, wenn ich nicht sobald wie möglich das Austragen der L.N.N.
[Lichtenfelser Neueste Nachrichten, Anm. d. Verf.] einstelle, so wird er
Schritte unternehmen und meinen Sohn von seinem Posten bringen. Sagen Sie mir
Bescheid, was ich tun soll, um meinen Sohn vor diesen Schwierigkeiten zu
verschonen, da ich froh war, dass ich wenigstens einen von meinen 8 Kindern
unterbrachte wegen der miserablen Lage im Korbmachergewerbe.”[44]
Weitere Probleme brachte
die Verordnung des Präsidenten der Reichspressekammer, Max Amann, ein Meister
des legalen “Aushungerns”, um Verlagsverkäufe zu erzwingen, vom 24.
April 1935 mit sich. Danach durften “anonyme Gesellschaften”, dazu
zählte man auch diesen Verlag, keine Tageszeitungen mehr herausgeben[45].
Am 1. Mai 1935 wurden Richtlinien für die Tageszeitungen erlassen, denen sich
die Schriftleitung zu fügen hatte. Die Pressefreiheit wurde weiter eingeengt,
damit der Verkauf der Tageszeitungen an eine “politisch zuverlässige”
Nachfolgegesellschaft erreicht werden konnte[46].
Meixner sah sich am 27. September 1935 dazu gezwungen, mit der Phönix GmbH
Berlin mehrere Verträge über den Verkauf des Bamberger Volksblattes und der
Forchheimer Zeitung abzuschließen. Die Phönix GmbH war ein NS-Organ, das vor
allem der Gleichschaltung des Pressewesens diente. Die Verkaufssumme der beiden
Blätter betrug 3,00 RM pro Leser. In einem Zusatzvertrag wurde außerdem die “Fränkische
Presse” in Kronach an das Berliner Unternehmen verkauft, ihre Herstellung
auf einen Kronacher Druckereiunternehmer übertragen. Zur Abwicklung dieser
Verträge war es dem Verlag verboten, Aufträge an jüdische Unternehmen zu
vergeben. Ferner beschränkte sich die Verlagsarbeit des St. Otto-Verlages von
da an im Zeitungs- und Zeitschriftendruck auf rein kirchliche Druckschriften:
politische Schriften durften nicht mehr erscheinen. Weiterhin musste der Verlag für
eventuelle Umsatzeinbrüche haften, die jedoch bei der
Einschüchterungskampagnien der Bevölkerung gegenüber zwangsläufig waren. In
einem Zusatzvertrag wurde diese Klausel deshalb auf “Fehler in der
Betriebsführung” eingeschränkt[47].
Der “Heinrichskalender” 1936 kommentierte die Maßnahmen gegen den Verlag
durch den Abdruck eines Ausspruchs von Papst Pius XI.:
“In keinem Volke der
Welt treiben die Katholiken der Welt dadurch, dass sie ihren Kindern die
katholische Schule zu erwirken suchen, Parteipolitik: vielmehr leisten sie
damit religiöse, von ihrem Gewissen als unerlässlich geforderte Arbeit. Sie
wollen ihre Kinder damit nicht etwa vom Körper und Geist des Volkes lostrennen,
sondern sie auf die vollkommenste und dem Wohl der Nation dienlichste Art dafür
erziehen. Denn der gute Katholik ist gerade kraft der katholischen
Glaubenslehre auch der beste Staatsbürger, der sein Vaterland liebt und sich
der in irgendeine gesetzliche Staatsform gekleideten Staatsgewalt aufrichtig
unterordnet.”[48]
Das St. Heinrichsblatt für
1936 wurde trotz der eigentlich freien geistlichen Betätigung des Verlages im
Oktober 1935 beschlagnahmt[49].
Am 14. Oktober 1935 schilderte Meixner diese Vorkommnisse dem Direktor des “Landesverbandes
Deutscher Zeitungsverleger” Bögner. Diesen bat er auch “die
Angelegenheit an höchster Stelle weiterzuverfolgen”, da der Inhalt “rein
heimatlich eingestellt” gewesen sei. Der Kalender konnte zwar noch
erscheinen, aber Meixner bezifferte den Schaden, der durch die Einziehung dem
Verlag entstanden sei, auf “rund 10000 Mk.”[50]
Auch die St. Heinrichsblätter 1936 wurden von der Reichspressekammer wiederholt
beanstandet und zensiert[51].
Verlagsdirektor Meixner wurde am 26.3.1937 vom Stadtkommissar für Bamberg
mitgeteilt, dass die Geheime Staatspolizei Berlin folgenden Erlaß herausgegeben
hat:
“Druckereien und
Verlage, die das päpstliche Rundschreiben (Mit brennender Sorge) abgedruckt und
verlegt haben, sind sofort zu schließen. Die verantwortlichen Personen
(Verleger) sind unverzüglich an die Geheime Staatspolizei Berlin zu melden,
damit von dort aus weitere Maßnahmen gegen sie ergriffen werden können.”
Da auch der St.
Otto-Verlag diese Enzyklika veröffentlicht hatte, wurde der Betrieb fast ganz
stillgelegt. Als einziges durfte das “Bamberger Volksblatt” weiter
erscheinen. Bei Nichtbefolgung drohte man Meixner mit einer scharfen Strafe.
Der gesamte Geschäftsbetrieb durfte erst wieder aufgenommen werden, wenn
Meixner durch einen “politisch zuverlässigen Treuhänder” ersetzt worden
sei[52].
Am 26. April 1937 bestimmte die Gauamtsleitung als kommissarischen Betriebs-
und Geschäftsführer Friedrich Endrulat aus Zwickau. Am Folgetag konnte der
Druckbetrieb wieder aufgenommen werden[53].
Nachdem der St. Otto-Verlag am 25. Mai 1937 durch das Reichsinnenministerium
als staatsfeindlich beurteilt worden war, da die päpstliche Enzyklika gedruckt
worden war, wurde am 11. Juni 1937 das gesamte Vermögen des St. Otto-Verlages
liquidationslos durch den Staat eingezogen. Dies erfolgte aufgrund der “Bekanntmachung
über die Einziehung kommunistischen und sonstigen volks- und staatsfeindlichen
Vermögens zu Gunsten des Landes Bayern” vom 19. November 1933 durch das
bayerische Innen-, Justiz- und Finanzministerium[54].
Bischof Hauck protestierte bei den zuständigen Parteistellen, ein Vorgehen, das
jedoch keinen Erfolg hatte[55].
Die Partei fürchtete sowohl das christliche als auch das der BVP nahestehende
Gedankengut, das durch den Betriebsdirektor Meixner in den Zeitungen und
Zeitschriften verbreitete wurde. Ein NSDAP-internes Zitat beweist dies:
“Solange das Bamberger
Volksblatt besteht, besteht auch insgeheim die Organisation der BVP und der
Bayernwacht. (...) Daß einem solchen Blatt auch nur der geringste Schutz des
Staates zusteht, des Staates, den diese schwarzen Verleumdungen heute noch
unter dem Deckmantel des Katholizismus bekämpfen, ist kaum anzunehmen, dann
wäre der Kampf der alten Garde nutzlos gewesen.”[56]
Ab dem 13. Juni 1937
übernahm die Bayreuther Union Verlag GmbH den Druck aller Zeitungen[57].
Am 15. Juni 1937 wurde die Herausgabe des St. Heinrichsblattes und des
kirchlichen Amtsblattes verboten[58].
Nun versuchte Meixner zusammen mit dem Sebaldusverlag Nürnberg mit großer
Unterstützung des Erzbischofs den “Sonntagsfriede” an die Abonnenten des
Heinrichsblattes zu verteilen. Nach langen Verhandlungen wurde dies auch
gestattet[59]. Die
Geheime Staatspolizei verlangte am 28. Juli 1937 die Vernichtung mehrerer
kirchlicher Broschüren und Bücher[60].
1937 wagte es Meixner
sogar nach Berlin zu fahren, um seinen Protest gegen die Vorgehensweise an die
höchsten Stellen zu tragen. Seine Freunde warnten ihn, aber er ließ sich
dennoch nicht abhalten. So besuchte er das Reichssicherheitsamt zwar, aber
vergeblich.[61]
Am 17. August 1937 wurden
die Verlagsrechte des St. Heinrichskalenders und -blattes für 5000 Reichsmark
durch den Bamberger Stadtkommissar an den Sebaldus Verlag Nürnberg verkauft[62].
Ab dem 5. September konnte schließlich das “St. Heinrichsblatt” unter
neuer Adresse statt des “Sonntagsfriede” wieder erscheinen[63].
Schließlich wurde die St.
Otto-Verlag GmbH am 8. Januar 1938 aus dem Gesellschaftsregister gelöscht[64],
die Görres-Buchhandlung für 6000 RM an Oskar Zaengerle verkauft[65].
Der verbleibende Rest der gelöschten GmbH wurde von der neugegründeten “Otto
Verlag Schrödter & Co. KG, Bamberg” für 192800 Mark übernommen[66].
Ein halbes Jahr später, am
5. Juli 1938 wurde Prälat Georg Meixner, Prälat Johann Leicht, Dr. Georg Rattel
und 10 weiteren Persönlichkeiten wegen der Verlagsführung der Prozess gemacht,
wobei Meixner Hauptangeklagter war. Man warf ihm vor, den Konkurs im Jahr 1933
nicht eingereicht und deshalb das Vermögen der Anteilseigner gefährdet zu
haben. Als Argument brachten die Ankläger vor, ein christlicher Verlag sei
bereits mit der Machtübernahme nicht mehr lebensfähig gewesen, da keine
Opposition - auch nicht im Pressewesen - geduldet worden sei. Deshalb hätte
Meixner aufgeben müssen, um nicht das Kapital zu gefährden. Gegen die anderen
Angeklagten wurde argumentiert, dass sie Meixners “illegale”
Verhaltensweisen unterstützt hätten. Ihre Pflicht jedoch wäre es gewesen, die
Machenschaften des Prälaten zu unterbinden. Während der Zeit des Prozesses
befand sich dieser mit einigen anderen Angeklagten in Untersuchungshaft.[67].
Am 1. Februar 1939 wurden
der Druck der “Lichtenfelser Neuesten Nachrichten” eingestellt und das “Bamberger
Volksblatt” (BV) sowie die “Forchheimer Zeitung” politisch angepasst[68],
am 1. Oktober 1939 erschienen auch das BV und der “Forchheimer Zeitung”
zum letzten Mal[69]. Seit dem
1. Mai 1941 wurde der Verkauf von religiösen Sonntagsblättern untersagt, davon
war auch das “St. Heinrichsblatt” betroffen[70].
Meixners Verdienst war es
nun, dass stattdessen ein Informationsblatt des Erzbistums erschien. Trotz der
Schwierigkeiten bei der Vervielfältigung und zunehmender Repressalien konnte
dieses Blatt an die Geistlichen und angehenden Priester der Diözese verteilt
werden. So wurden wenigstens die nötigsten kirchlichen Termine und
Kirchennachrichten in Kurzform bekannt gemacht[71].
Was den St. Otto-Verlag
betrifft, so wurde am 15. Januar 1942 die Druckerei stillgelegt, bald darauf musste
am 31. Juli 1942 das gesamte Unternehmen wegen Versorgungsproblemen im
Krieg geschlossen werden[72].
Die Betriebsführung ging großenteils auf die Sebaldus-Verlag GmbH Nürnberg
über, die dafür monatlich 1420 RM Pacht zu zahlen hatte. In einem Zusatzvertrag
wurde die Pachtsumme auf 1920 RM erhöht, dafür konnte der Sebaldus-Verlag auch
die noch verbliebenen Betriebsteile nutzen[73].
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