3.1 Phase
deutscher Expansion 1939-1941
In den Jahren 1939 bis 1941
eroberten deutsche Truppen große Teile Europas. Der nationalsozialistische
Traum eines großgermanischen Reiches schien in greifbarer Nähe gerückt zu sein. Mit den militärischem ‘Erfolgen’ besaß die Propaganda zunächst die
Initiative. Die folgenden vier
Beispiele sollen zeigen, wie die Presse zielgerichtet versuchte, die
Aggression im Vorfeld zu rechtfertigen
und die Anfangserfolge auch innenpolitisch für die Nationalsozialisten zu
nützen.
3.1.1
Propagandistische Vorbereitung der Bevölkerung auf den Polenfeldzug
[18]
Das Hauptanliegen der nationalsozialistischen Außenpolitik war die
Revision des Versailler Vertrages mit
dem Fernziel einer Hegemonialstellung Deutschlands auf dem Kontinent und der Erweiterung des deutschen ‘Lebensraumes’ nach Osten.[19] Diese Politik erreichte zunächst, wie
beispielsweise im Falle der Remilitarisierung des Rheinlandes, des
Anschlusses Österreichs oder der Eingliederung des Sudetenlandes nach dem
Münchner Abkommen, dank der nachgiebigen britischen ‘Apeasementpolitik’ ihre Ziele[20]
Als der deutsche Einmarsch
in die „Resttschechei“ (15.3.39) das rücksichtslose Expansionsstreben Hitlers
offenbarte, änderte sich die nachgebende Haltung der Westmächte. Deutsche
Forderungen nach einer Rückeingliederung Danzigs an das deutsche Reich
(21.3.39) und nach exterritorialen Verkehrsverbindungen über polnisches Staatsgebiet stellten den nächsten Schritt Hitlers Expansionspolitik dar. Dieser trat Großbritannien durch eine Garantieerklärung für Polen
am 31.3.39 entgegen.[21] Hitler beschloss daraufhin, seine Ziele mit
militärischen Mitteln zu erreichen. Am 3.4.39 gab er die Anweisung zur
Vorbereitung eines Krieges gegen Polen. Am 28.4.39 wurde der 1934 aus
taktischen Erwägungen geschlossene Nichtangriffspakt mit dem östlichen
Nachbarn gekündigt.[22] In einer geheimen Besprechung vom 24.5.39
bestätigte Hitler indirekt die Haltung Großbritanniens und legte seine wahren
Ziele offen : „ (...) Danzig ist nicht das Objekt , um das es geht. Es handelt
sich für uns um die Erweiterung des Lebensraumes im Osten“[23]
. Im folgenden versuchte Hitler, Polen durch „geschickte Politik“[24] zu isolieren, um so das angedrohte
Eingreifen der Westmächte zu verhindern. Nach Osten sicherte er sich durch
einen - aufgrund ideologischer Gesichtspunkte - überraschenden
Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion ab (23.8.39), der in einem geheimen Zusatzprotokoll die
Interessenssphären der beiden Staaten regelte und Polen dabei aufteilte. Außerdem kam er damit der ‘Einkreisung‘ durch ein geplantes Bündnis zwischen
England und der Sowjetunion zuvor.[25] Den Westen versuchte Hitler zu täuschen,
indem er zum Schein ein „großzügiges
Angebot“[26]
unterbreitete und Verhandlungen vorschlug, diese aber durch diplomatische
Spitzfindigkeiten scheitern ließ, um Polen als Aggressor abzustempeln. [27]
Hitler bestätigte später ein
weiteres Ziel seines Angebotes :
Ich brauchte ein Alibi, vor
allem dem deutschen Volke gegenüber, um ihm zu zeigen, dass ich alles getan
habe, den Frieden zu erhalten. Deshalb machte ich diesen großzügigen
Vorschlag über die Regelung der
Danziger- und der Korridor-Frage. [28]
Auch inszenierte oder
provozierte Grenzzwischenfälle und Übergriffe auf die deutsche Minderheit in
Polen sollten die Weltöffentlichkeit
vor einem Eingreifen zugunsten Polens zurückschrecken lassen.[29] Während der Angriff auf den östlichen
Nachbarstaat am 1.9.39 planmäßig
verlief und schnell beendet war, ging Hitlers außenpolitisches Kalkül nicht auf . Am 3.9.39 erklärten England und Frankreich nach kurzem
diplomatischen Austausch dem deutschen Reich den Krieg, ergriffen aber zunächst
keine bedeutsamen militärischen Maßnahmen.[30]
Neben den groben Entwicklungen, die zum Zweiten Weltkrieg führten, gilt es nun zu
untersuchen, wie die Bevölkerung im Inneren durch die Presse auf den Krieg eingestellt und der Krieg selbst gerechtfertigt wurde.
Hierbei ist entscheidend, dass diese Vorbereitungsmaßnahmen nicht nur unter
historisch greifbaren Gesichtspunkten zu sehen sind, sondern, dass auch die
Tragweite eines drohenden Krieges für
die damalige Bevölkerung und die entsprechenden emotionalen Hintergründe zu
berücksichtigen sind.
Die Entwicklung nahm ihren
Anfang im November 1938, als Hitler die Presse anwies, die Bevölkerung auf
einen Krieg vorzubereiten. Damit gab er die mit dem militaristischen Auftreten des Staates im Widerspruch stehende
Friedenspropaganda der vorangegangenen Jahre auf. Ein gutes Beispiel für die Ausführung dieser Anweisung ist die
Anfang 1939 zeitweise regelmäßig erscheinende Beilage „Volk und Wehr“, eine „Beilage
des Lichtenfelser Tagblattes zur Förderung der Wehrkräfte und des
Wehrgedankens.“[31] Ab Anfang
August 1939 ist eine Zielrichtung der
Propaganda zu erkennen. Im Vordergrund
steht jetzt vor allem das Ziel, Polen als Aggressor anzuprangern. Einige exemplarische Überschriften auf der ersten Seite des
Lichtenfelser Tagblattes machen dies
deutlich. Am 8.8.39 meldet die Zeitung: „Polen droht mit Beschießung von
Danzig“, am folgenden Tag: „Polen fordert Ostpreußen“; am 10.9.39 ist zu lesen: „Ein polnisches Danzig oder
den Krieg“. Durch die absichtlich verfälschte Darstellung von erfundenen oder inszenierten Übergriffen auf
die deutschstämmige Bevölkerung in Polen versucht die Propaganda, Hass und
Emotionen gegen Polen zu schüren.[32] Die Berichterstattung vermittelt
außerdem den Eindruck, als bestünde
größte Gefahr für das Leben der
deutschen Minderheit in Polen. So ist im Lichtenfelser Tagblatt vom 12.8.39 zu
lesen: „Das ist Polen! Volksdeutsche auf unbeschreibliche Art misshandelt“. In
der Ausgabe vom 18.8.39 wird getitelt: „Über 76000 Volksdeutsche flohen vor der
Terrorwelle in Polen“. Einen Tag später meldet das Lichtenfelser Tagblatt: „Die
Volksdeutschen in Polen sind vogelfrei /Schutzlos gegenüber dem
Schreckensregiment.“
Am 22.8.39 verkündet das Tagblatt, „der Westwall ist unüberwindlich“ und berichtet mit einer großen bilderreichen Reportage
über dessen Fertigstellung. Beachtet man die damalige Angst vor der Möglichkeit eines Zweifrontenkrieges, so dient der Artikel dazu, dem Leser das
Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Auch bei der Berichterstattung über den
Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion vom 23.8.39 hebt die Presse vor allem die Sicherheit gegen eine „Einkreisung“ des deutschen Reiches hervor.[33]
Diese Absicherung gegen Eventualitäten dient
dem Abbau der ablehnenden Haltung der Bevölkerung gegen einen Krieg und ist
damit ein weiteres Element der kriegsvorbereitenden Propagandapolitik.
Die Beeinflussung der Stimmung der deutschen
Bevölkerung geht unterdessen weiter.
Einerseits erfährt die Darstellung Polens als Aggressor eine Steigerung. Statt
nur von der Absicht berichtet das Lichtenfelser Tagblatt nun von
aktiven Vorbereitungen der Polen Danzig zu besetzen. So wird am 21.8.39 ein möglicher „Handstreich Polens auf Danzig“ vermutet. Am 25.8.39 zählt das
Blatt einzelne polnische Regimenter
auf, die Danzig „eingeschlossen“ hätten. Am nächsten Tag sieht die Propaganda
„Danzig in höchster Gefahr“ und berichtet über weitere Truppenkonzentrationen. Andererseits steigern sich die Gräuelmeldungen
ins Absurde. Am 24.8.39 wird die Beschießung deutscher Verkehrsflugzeuge über
polnischem Territorium gemeldet; die zweite Seite enthält die Überschrift: „Mit
dem Schlachtmesser gegen Deutsche“ Am nächsten Tag klagt das Lichtenfelser
Tagblatt über die Misshandlung deutscher Kinder von „Polnischen Verbrechern“ und
berichtet über „Kopfprämien“, die auf alle Deutschen ausgesetzt seien.
Das Ziel der Propaganda
- die Rechtfertigung eines Krieges -
wird durch den Aufbau eines Handlungszwanges erreicht. Die in drei Wochen immer
wiederkehrenden Meldungen über Aggressionen
werfen die Frage nach Gegenmaßnahmen auf („Polens Wahnsinn zwingt zur
Entscheidung“; LT 26.8.39). Ein Krieg
scheint als gerechtfertigter letzter Ausweg, um „für (...) Ordnung [ zu] sorgen“, wie es ein Kommentator im
Tagblatt vom 24.8.39 formuliert.
Während die Stimmungslenkung
bis zum Kriegsausbruch im gleichen Stil fortgesetzt wird, nützt die Presse das
zu Täuschungszwecken unterbreitete
Angebot vom 31.8.39, das die Kriegsschuld Polens vor der Weltöffentlichkeit
beweisen sollte, auch um dies vor der eigenen Bevölkerung zu demonstrieren. In
der Ausgabe des Lichtenfelser Tagblatts vom 1.9.39 sind deshalb die Angebote
Hitlers sowie die angeblich ablehnende Haltung Polens und Englands aufgeführt.
Über den von der SS zu
Propagandazwecken inszenierten Überfall auf den Sender Gleiwitz vom 31.8.39 [34]
, der den äußeren Anlass für einen Krieg
geben sollte, berichtet das LT
ebenfalls am 1.9.39. Ein konkretes
Beispiel dafür, mit welchen Lügen die Propaganda arbeitete, zeigt die Bemerkung im Artikel „Frecher Überfall auf
den Sender Gleiwitz“, die Polizei habe von der Schusswaffe Gebrauch gemacht,
„wobei es auf Seiten der Eindringlinge Tote gegeben [habe]“. In Wahrheit
hinterließ das SS-Kommando einige ermordete
deutsche Häftlinge in polnischen Uniformen.[35] Am 2.9.39 erfahren die Leser des
Lichtenfelser Tagblatt im Artikel „Die
Stunde der Entscheidung findet alle Deutschen bereit“ vom Kriegsausbruch. Mit
der verharmlosenden Formulierung, man
habe „die Wehrmacht zum aktiven Schutz eingesetzt“, umgeht die Propaganda den
Begriff ‘Krieg’. Der „Aufruf des Führers an die deutsche Wehrmacht“ auf der
zweiten Seite stellt eine Zusammenfassung der Strategie der Propaganda dar: Mit einer militärischen Aggression als
Antwort auf den „Terror Polens“ müsse nun „Gewalt gegen Gewalt“ gesetzt werden.
Der Krieg als Gegenwehr erscheint vor dem Hintergrund der Meldungen der letzten
Tage als einzige gerechtfertigte Lösung.[36]
Insgesamt gesehen, lassen die Mittel, mit denen der NS- Staat
die Bevölkerung auf den Zweiten Weltkrieg vorbereitet, auch auf die damalige Stimmung der Deutschen schließen.
Die Tatsache, dass die Propaganda versucht, sie massiv durch langfristig angelegte
Lügenkampagnen emotional auf den Krieg einzustimmen, statt diesen mit rationalen Mitteln zu begründen oder etwa vorhandene Kriegsbegeisterung anzuheizen, lässt auf eine
mangelnde Kriegsbereitschaft schließen, die tatsächlich vorlag.[37] Andererseits zeigt dies, dass das
Propagandaministerium gezielt auf
Stimmungen im Volk einging und
diese nach den Maßgaben des Regimes zu
ändern versuchte.[38]
3.1.2 Darstellung des Frankreichfeldzuges [39]
Nach der Kriegserklärung der
Westmächte (3.9.39) standen sich die
Deutsche und Franzosen bis zum Mai 1940 an der Grenze der beiden Staaten im
sogenannten Sitzkrieg gegenüber.[40]
Hitler plante jedoch schon im Oktober 1939 gegen den heftigen Widerstand seiner
Generäle eine Offensive, um die vermeintlich günstige Situation auszunützen und
die Gegner einer deutschen Hegemonialstellung in Europa auszuschalten.[41]
Während der Angriffstermin aus verschiedensten Gründen insgesamt 29 Mal verschoben wurde [42],
setzte sich in der deutschen
Militärführung der sogenannte „Sichelschnittplan“ durch. Dieser setzte entgegen
dem ursprünglich geplanten Angriff über
Holland und Belgien (durch die Lücke in der Maginotlinie an der
französisch-belgischen Grenze), den die Westmächte auch erwarteten, den
Angriffsschwerpunkt weiter im Süden. Die englischen und französischen Verbände sollten unter der Erwartung eines
Angriffes über Holland und Belgien nach Norden gelockt und dann durch einen
überraschenden Vorstoß schneller Panzerverbände durch die Ardennen zum Ärmelkanal von ihrer Basis
Frankreich abgeschnitten werden.[43] Der Plan gelang nach dem Angriff vom
10.5.40 vor allem deshalb, weil die französische Militärführung noch in den Maßstäben des Ersten Weltkrieges dachte
und mit der neuen mobilen Kriegsführung überfordert war.[44] Als die deutschen
Truppen den Ärmelkanal
erreicht hatten, konnten und mussten 350 000 eingeschlossene alliierte Soldaten
über Dünkirchen nach England evakuiert werden.[45]
In einer zweiten Phase wurde nach der Einnahme eines Großteils von Frankreich
am 22.6.40 im Wald von Compiègne im
selben Eisenbahnwaggon und am gleichen Ort, wo
im ersten Weltkrieg der
Waffenstillstand ausgehandelt worden war, ein Waffenstillstandsvertrag
unterzeichnet, der am 25.6.40 in Kraft trat. Er sah unter anderem die Teilung Frankreichs in ein deutsch
besetztes Gebiet und in einen unbesetzten Teil, dem sogenannten
‘Vichy-Frankreich’, vor.[46]
Nach dem Angriff vom 10.5.40
beginnt die Berichterstattung im Lichtenfelser Tagblatt am 11.5.40. Drei
interessante Aspekte fallen dabei auf: Zum einen folgt die Darstellung in den zu Beginn des Krieges genau den
militärischen und taktischen Überlegungen des deutschen Generalstabes. In den
ersten Tagen der Schlacht, als ein Angriffsschwerpunkt im Norden der Front
vorgetäuscht werden soll, geht das Lichtenfelser Tagblatt ausschließlich auf die Kriegsschauplätze in Holland und Belgien
ein. Nach einer Unterbrechung durch
die Pfingstfeiertage berichtet das
Blatt am 14.5.40 „Lüttich gefallen“, am
15.5.40 „Holland hat kapituliert“, am 16.5.40
„Der Führer dankt unseren Hollandkämpfern“, am 17.5.40 „ Unsere
Truppen in Brüssel in Haag und in Amsterdam“ und am folgenden Tag „ Die deutschen Truppen in Brüssel“. Den
entscheidenden Übergang der Deutschen über die Maas vom 12.5.40 oder den
endgültigen Durchbruch durch die französische Front am 15.5.40 verschweigt das
Lichtenfelser Tagblatt.[47]
Die Berichterstattung in den Medien ist
also Teil des Täuschungsmanövers, dem der
‘Sichelschnittplan’ zu
Grunde liegt. Zum anderen versucht der
NS-Staat mittels Propaganda geschickt die militärischen Erfolge in Zustimmung für das Regime und den Krieg
umzuwandeln. Der Sieg über Frankreich und die
Umstände der Waffenstillstandsverhandlungen sollten die Schmach des ersten Weltkrieges auszulöschen.
Mit der oben erwähnten Inszenierung sprachen die Nationalsozialisten bewusst das Ehr - und Gerechtigkeitsgefühl der meisten Deutschen an. Der bis dahin erfolgreiche Krieg und damit das Regime
fanden deshalb große Zustimmung unter der Bevölkerung.[48] Hitler stand somit im Sommer 1940 auf dem Höhepunkt seiner Macht, da er immer wieder
versprochen hatte , er werde das Unrecht von 1918 auslöschen, und der
‘Erfolg’ ihm nun persönlich
zugeschrieben wurde.[49]
Hans Ulrich Thamer schreibt über die Stimmungslage jener Tage:
Die SD Berichte aus der zweiten Junihälfte stellten ‘im gesamten
deutschen Volk eine bisher noch nicht erreichte innere Geschlossenheit’ fest.
Auch frühere Gegner des Nationalsozialismus konnten sich der nationalen Siegesstimmung kaum entziehen. Die
Regierungspräsidenten meldeten, den Widerstandsgruppen sei völlig der Wind aus
den Segeln genommen, (...) Auch der nationalkonservative Widerstand war geschlagen. (...) Der
militärische Triumph über Frankreich
hatte eine beispiellose Machtsteigerung nach innen wie nach außen zur Folge. [50]
Das Tagblatt berichtet
äußerst detailliert und wahrheitsgetreu über die
Waffenstillstandsvereinbarung (LT 22.6.40). Große bilderreiche Reportagen sprechen auch das bildliche
Vorstellungsvermögen des Lesers an und
wecken Assoziationen mit den Bildern von 1918 . Das Lichtenfelser Tagblatt
dient in jenem Fall als Mittel, die Information der französischen Kapitulation an die Bevölkerung heranzutragen, um die gewünschte Stimmungslage zu erzeugen, es
greift aber nicht wie in der restlichen Kriegsberichterstattung wertend oder lenkend ein. Ein dritter
Aspekt ist die Darstellung des
Krieges an sich. Häufig sind im
Lichtenfelser Tagblatt Kriegsberichte
zu finden, die
den Krieg verharmlosen und damit
noch vorhandene Vorbehalte der
Bevölkerung gegen ihn abzubauen, die
auch die eigene Stärke
unterstreichen sollen, wie folgendes
Beispiel vom 24.5.40 zeigt:
Panzerjäger schleppten
ihre Geschütze in Stellung (...) Als [ die französischen Panzer] auf die Höhe
heraufkamen und ihr heftiges Feuer in die deutschen Infanteriestellungen
jagten, da schlug ihnen das Abwehrfeuer der Panzerjäger (...) entgegen (...).
Der erste Panzer fiel aus . Der
Gefreite hatte ihn beim fünften Schuss
genau getroffen.(...) Ein Kanonenpanzer nach dem anderen blieb liegen. Nur einer rollte unentwegt feuernd in die
deutschen Stellungen. Die Kanonen schossen, die MGs belferten – da : Ein Schuss genau in den Schlitz und da blieb auch
er schon stehen.
Insgesamt zeigen die drei
Punkte, dass die Kriegspropaganda in
diesem Stadium des Krieges größtenteils als Hilfsmittel dem Machterhalt und Machtausbau für die Nationalsozialisten diente und
erfolgreich für Kriegsbegeisterung sorgte.
3.1.3
Darstellungsweise der ‘Luftschlacht um England’ [51]
Nachdem
Frankreich besiegt war, glaubte Hitler, er könne seine Pläne wahr machen,
Großbritannien dessen Seemachtstellung zu überlassen und sich im
Gegenzug die Vorherrschaft auf dem Kontinent zu sichern, um damit freie Hand für seine Lebensraumpläne im Osten zu haben.[52] Doch die neue englische Regierung unter
Winston Churchill zeigte sich, trotz
Großbritanniens ernster Lage, fest entschlossen dem deutschen
Expansionsstreben entgegenzutreten und ging auf kein Verhandlungsangebot ein.[53]
Daraufhin gab Hitler am 16.6.40 den Auftrag, eine Invasion in England
vorzubereiten. Dies erforderte zunächst die Erringung der Luftherrschaft über
den britischen Inseln .[54]
In der ab dem 13. August stattfindenden
ersten Phase der ‘Luftschlacht um England’ zeigte sich, dass es den
Deutschen nicht gelang, dieses Ziel zu
erreichen: Die deutschen Luftstreitkräfte erlitten in den ersten Tagen der
Schlacht empfindliche Verluste. In
einer zweiten Phase ab Anfang September 1940 bombardierte die Luftwaffe
massiv englische Städte, um
Großbritannien moralisch und wirtschaftlich zu schwächen, eine Strategie,
die ebenfalls erfolglos blieb.[55] Daraufhin wurde die geplante Invasion
abgebrochen.[56] Das
Scheitern der Eroberung der britischen Inseln
stellte die erste große Niederlage der Deutschen im Zweiten Weltkrieg
dar.
Die
Zeitungsartikel, die über die Luftschlacht
um England berichten, zeigen
deutlich, welches Bild die NS-Propaganda der Bevölkerung vom Krieg zu vermitteln versuchte.
Die Berichterstattung bleibt zum großen Teil
auf die militärischen Ereignisse begrenzt. In der ersten Phase der Schlacht steht sie im Gegensatz zur
Wirklichkeit: Die Titelseiten enthalten
nur Erfolgsmeldungen, wie die folgenden Überschriften verdeutlichen: „89 britische Flugzeuge wurden über dem Kanal
abgeschossen“( 12.8.40); „Neue erfolgreiche Angriffe gegen die englische
Südküste / 71 feindliche Flugzeuge als vernichtet gemeldet“ (13.8.40);
„Fortsetzung der Luftangriffe auf die englische Südküste / 69 britische
Flugzeuge vernichtet“ (14.8.40); „505 englische Flugzeuge wurden seit dem 8.
August vernichtet“ (16.8.40); „Wuchtige Angriffe gegen England“ (17.8.40).
Diese Beispiele zeigen, wie die Propaganda die Vorgänge schönfärbt und
einseitig positiv aus nationalistischer
Sicht darstellt. Vor allem die einseitige Hervorkehrung der Verluste
ist für die gesamte Kriegsberichterstattung
charakteristisch.
In der
zweiten Phase der Luftschlacht
rechtfertigt die Propaganda eigene Angriffe als Vergeltungsschläge. In
den Monaten September und Oktober 1940 zeigen die Artikel im Lichtenfelser
Tagblatt einen wechselseitigen Ablauf von Berichten über englische Luftangriffe
und die darauffolgenden Vergeltungsschläge.
So steht im Lichtenfelser Tagblatt vom
3.9.40 beispielsweise zu lesen: „Feindliche Flugzeuge versuchten in der
letzten Nacht wieder Berlin und andere Städte anzugreifen, (...) an anderen
Stellen im Reichsgebiet wurden nur Schäden an Wohnhäusern, nirgends jedoch
militärischer Sachschaden angerichtet.“
Daraufhin erscheinen die Meldungen des folgenden Tages gerechtfertigt: „54 feindliche Flugzeuge
vernichtet (...) militärische Anlagen angegriffen und bombardiert“ (LT 4.
9.40). Besonders dadurch, dass die Propaganda immer wieder betont, Deutschland
greife nur militärische Ziele an, während sie unterstreicht, die
„englischen Luftpiraten [würden]
planmäßig Krankenhäuser, Wohnviertel und Denkmäler“ (LT 12.9.40) bombardieren,
versucht sie für die deutsche Kriegsführung
eine moralische Rechtfertigung zu erhalten und emotional gegen den Feind
zu agieren. Zudem ist diese Darstellung
der Dinge falsch, da in Wahrheit die Schäden, die britische Luftangriffe in
deutschen Städten 1940 anrichteten, äußerst gering waren.[57]
Symptomatisch ist auch ein im LT
abgedrucktes Luftbild, das beweisen soll, dass die Luftwaffe in der
mittelenglischen Stadt Coventry nur punktuell militärische Ziele angegriffen
habe. In Wirklichkeit zählte der
Luftangriff auf Coventry vom
15.12.40 zu den ersten großen
Terroraktionen der Kriegsgeschichte
die Zivilbevölkerung.[58]
Oft lässt sich
aber feststellen, dass sich die
Propaganda selbst widerspricht. Zwar betont sie, wie schon erwähnt, es
würden nur militärische Ziele angegriffen, gleichzeitig berichtet das Tagblatt
von „Riesenbränden in der [Londoner]
City“ (1.10) oder schreibt „die
Innenstadt [Londons ist] wieder das Ziel“ (26.9.) . Auch die Meldung „jedes
fünfte Haus in England beschädigt“
wirkt widersprüchlich zur Versicherung, man würde keine zivilen Ziele
bombardieren. Solche und ähnliche Berichte
prägen bis Weihnachten 1940 im Lichtenfelser Tagblatt Tag für Tag die Titelseiten und wecken durch die
dauerhafte Berichterstattung den
Eindruck, das deutsche Vorgehen sei erfolgreich. [59]
Insgesamt
zeigen
die Zeitungsbeiträge über die Luftschlacht um England , dass die Sichtweise, die das Lichtenfelser
Tagblatt vom Krieg vermittelte, nationalistisch einseitig und selbstgerecht geprägt war. Auch die
unschlüssige einseitige Argumentationsweise ist dabei für die Kriegspropaganda
charakteristisch. Die zwei Phasen der Berichterstattung zeigen auch, dass die Pressemitteilungen die Bevölkerung
nicht nur materiell und militärisch, sondern auch ideell und moralisch
einseitig
informierten.
3.1.4
Rechtfertigung für den Angriff
auf die Sowjetunion [60]
Im Sommer 1940 wandte sich
Hitler seinem langfristigen Ziel zu, der Eroberung von ‘Lebensraum’ im Osten
und damit dem Angriff auf die Sowjetunion. Zum einen wollte er damit einen potentiellen Verbündeten der Engländer
ausschalten, zum anderen war die kommunistische Sowjetunion der ideologische
Hauptfeind der Nationalsozialisten. In einem weiteren Blitzkrieg mit dem
Decknamen ‘Unternehmen Barbarossa’ sollte die Sowjetunion innerhalb weniger
Wochen erobert werden.[61]
Gleichzeitig war damit ein aus rassenideologischen Gründen geführter
Vernichtungskrieg gegen Teile der
Zivilbevölkerung der besetzten Gebiete geplant.[62]Als
die Wehrmacht knapp ein Jahr später am
22.6.41 in das Land überraschend einfiel, konnte sie zunächst große
Geländegewinne erzielen. Im Dezember stand jedoch fest, dass die Deutschen das
militärische Potential der Sowjetunion unterschätzt hatten. Hinzu kamen witterungsbedingte und logistische
Probleme. Der deutsche Vormarsch kam so vor Moskau zum Stehen.[63]
Die Betrachtung der Begründung
für den Einmarsch in die Sowjetunion zeigt einige Unterschiede zu den vorangegangenen Feldzügen. Während bei diesen
zumindest aus nationalsozialistischer Sicht ein nachvollziehbarer Anlass bestand, auf den die Presse im Vorfeld immer hinwies, stellte der
überraschende Angriff auf die Sowjetunion die Propaganda vor das Problem, ihn
den Lesern nachvollziehbar im Nachhinein zu begründen.[64]
Die Nationalsozialisten
rechtfertigen den Angriff wie in den
vorangegangenen Ankündigungen von Feldzügen nach Darstellung des Lichtenfelser
Tagblatt zunächst mit einem Präventivschlag:
„Doppelspiel von Moskau entlarvt (...) Russland war jederzeit bereit, uns in den
Rücken zu fallen (...) 160 russische Divisionen [standen bereit] mit dem Ziel,
gemeinsam mit England das Deutsche Reich zu ersticken und zu zerdrücken“ (LT
23.6.41) Außerdem behauptet das LT, man
trete mit dem Angriff einer „neuen Einkreisungspolitik gegen das Deutsche
Reich“ entgegen. Deshalb habe man mit „Kampfhandlungen“ begonnen um „das
Vordringen der bolschewistischen Welle nach Westen abzustoppen“ (LT 23.6.41).
Im Lichtenfelser Tagblatt
sind diesmal aber auch, im Unterschied zu vorangegangenen
Rechtfertigungen, ideologische
Begründungen zu finden. Im Kommentar „Kampf um Europa“ vom 23.6.41 heißt
es:
Die Komintern betrachtete
die Verständigungsperiode als einen Zeitgewinn, als eine Möglichkeit, ungestört
die staatliche Ordnung Europas zu unterminieren, um im günstigsten Augenblick
das Gewicht der militärischen Macht in die Waagschalen zu werfen. Die Ziele
Moskaus sind bekannt. Zeiten sind vergangen und menschliche Lebensbedingungen
haben sich geändert, mit ihnen auch die verschiedensten Parolen
vorderasiatischer Weltherrschaftsideen. Einst hieß es das ‘Auserwählte Volk’ im Talmud, (...) später ‘Proletarier
aller Länder vereinigt euch“ im
kommunistischen Manifest. (...) Die bolschewistische Agitation hat sich jedoch
in den letzten Jahren vereinfacht zum alten marxistischen Gedanken der
jüdischen Weltherrschaft (...). Die 2000 jährige Kultur eines Kontinents steht
auf dem Spiel.
Der Kommentator rechtfertigt also den Angriff damit, dass dieser ein Feldzug gegen den
Kommunismus und damit gegen die
„jüdische Weltherrschaft“ sei. Diese Argumentation entspricht der Mischung aus antimarxistischen und antisemitischen Thesen in der Ideologie des Nationalsozialismus. [65] Die Schlagzeile auf der ersten Seite des Lichtenfelser Tagblatts vom 28.6.41 spricht von einem „Kreuzzug gegen den Bolschewismus“. Abgesehen
davon , dass sich die Überschrift wiederum auf die
ideologische
Argumentation hinweist, spielt die Propaganda mit dem Begriff ‘Kreuzzug’ bewusst
das feindschaftlich geprägte Verhältnis
zwischen Christentum und kommunistischer Ideologie an und versucht
damit die Zustimmung in der Bevölkerung zu erlangen.[66] Bei beiden Beispielen ist der Versuch zu erkennen, die abstrakte
Ideologie mit den der Bevölkerung nahestehenden Themen und Begriffen wie Kultur
und Religion zu besetzen.
Ein zweites neues Mittel der
Propaganda ist der Versuch, den Eindruck zu erwecken, als wäre der Krieg durch
andere (verbündete) Staaten und damit durch eine Mehrheit legitimiert. Im Hauptartikel vom 24.6.41
„Die europäische Front gegen Moskau“ beruft sich das Blatt auf mehrere ausländische
Zeitungen, die den Angriff begrüßen und will damit dessen Rechtmäßigkeit
beweisen.[67] Auch die
Aufzählung von Verbündeten, die mit Truppenkontingenten am Krieg
teilnahmen (LT 28.6.41), wie Italien,
soll zeigen, dass das deutsche
Vorgehen von anderen Staaten unterstützt
werde.
Neben diesen neuen
Argumentationsmethoden, die zur verbesserten Kriegsrechtfertigung herangezogen
werden, fällt auf, dass die Presse den wahren Beweggrund der Nationalsozialisten für den Feldzug gegen die
Sowjetunion - die Lebensraumideologie - nicht offen legt. Über die Gründe hierfür lassen sich nur
Vermutungen anstellen. Da in der
verwendeten Sekundärliteratur im Zusammenhang mit der Lebensraumpolitik
nur Bezug auf geheime Besprechungen
genommen wird - die Nationalsozialisten diese Ziele also nie im großen
Umfang propagierten - ist aber
anzunehmen, dass diese Politik, anders als beim latent vorhandenen Antisemitismus
und Antimarxismus, keine Unterstützung
in der Bevölkerung fand.
Wenn auch nicht mehr zur Begründung des Feldzuges gegen die
Sowjetunion gehörend, so müssen zwei Stellen aus der Berichterstattung über das
Unternehmen Barbarossa erwähnt werden. Am 25.6.41 schreibt das Tagblatt im
Kommentar „Worum geht es ?“ folgendes:
Sie [die Machthaber im Kreml] mögen geglaubt haben,
dass die
deutsche Führung einen plötzlichen Gegenschlag (...) nicht führen könne und
[es] jedenfalls einer pressemäßigen
Vorbereitung des deutschen Volkes bedürfe, um einen Schlag im Osten führen
zu können. [Hervorhebung durch den
Autor]
Diese Einschätzung bestätigt, dass die Vorbereitung der Bevölkerung
auf einen Feldzug durch die Presse einen hohen Stellenwert besaß. Bemerkenswert ist, dass dies so
offen zugegeben wurde. Die zweite Stelle bezieht sich auf die im Kapitel ‘Die
Gleichschaltung und Lenkung der Presse’ erwähnten internen Streitigkeiten
im ‘Propagandaministerium’ um den Inhalt
der Pressemitteilungen. Karl-Dietrich Abel beschreibt in seinem Buch „Die Presselenkung im NS-Staat“ einen Fall, in dem der Reichspressechef
Otto Dietrich auf einer Pressekonferenz
bekanntgab, dass der Krieg gegen die Sowjetunion bereits gewonnen sei.
Tatsächlich findet sich die umstrittene Erklärung vom 9.10.41 am folgenden Tag
im Lichtenfelser Tagblatt im Artikel „Der Krieg im Osten entschieden“ sinngemäß
wieder. Da Goebbels fürchtete, man könne diese Ankündigung nicht einhalten,
bestand er darauf, die bis dahin
zurückhaltende Berichterstattung über den Russlandfeldzug beizubehalten. [68] Auch diese Anweisung lässt sich in den
Ausgaben des LT nach dem 9.10.41 verfolgen. Dieser Fall zeigt, wie sich im straff durchorganisierten NS-Presselenkungssystem
Streitigkeiten an der Spitze auf kleine
Lokalzeitungen wie das
Lichtenfelser Tagblatt auswirkten.