Die Durchsicht der Ausgaben
des Lichtenfelser Tagblattes zeigt, dass sich die NS Propaganda ganz bestimmter
charakteristischer Mittel bedient:
Häufig inhaltlich und
sprachlich wiederkehrende Darstellungsweisen fallen auf. Die immer wieder erscheinenden fast
gleichlautenden Zeitungsartikel dienen dazu, in den Köpfen der Leser einen
bestimmten Eindruck oder eine Stimmung einzuprägen. Beispielhaft hierfür ist
die tägliche Beeinflussung im Vorfeld des Polenfeldzuges, die den polnischen
Staat als Feindbild aufbauen soll. Hinzu kommt, dass es der
Bevölkerung nicht erlaubt war, sich ausländischer Medien zu bedienen. Das
Informationsmonopol des NS-Regimes erzwang so indirekt die Aufnahmebereitschaft
des Volkes für die Botschaften der Nationalsozialisten.
Insgesamt sind die Darstellungen im Lichtenfelser Tagblatt jener
Zeit sehr einfach und leicht verständlich gestaltet. Bestimmte, mühelos
nachvollziehbare Grundmuster erscheinen immer wieder, so das Motiv der
Vergeltung gegen einen feindlichen Aggressor. In diesem Zusammenhang lenkt die
Propaganda vor allem auf emotionaler Ebene und stützt sich auf Grundängste der
Bevölkerung, so zum Beispiel gegen
Endes des Krieges, wo Ungewissheit und
Angst vor dem unbekannten Feind im Bewusstsein der Bevölkerung gehalten und
verstärkt werden. Zu den leicht
verständlichen Darstellungen gehört auch der
geschickte Einsatz von graphischen Mitteln wie Bildern oder Landkarten. Über diesen Aspekt der Propaganda schrieb Hitler in „Mein Kampf“:
Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistigen Niveau
einzustellen nach der Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen , an
die sie sich zu richten gedenkt (...)
Handelt es sich [um] die Durchhaltung eines Krieges (...), so
kann die Vorsicht bei der Vermeidung zu hoher geistiger Voraussetzungen nicht
groß genug sein (...). Die
Aufnahmefähigkeit der großen Masse ist nur klein, dafür jedoch die Vergesslichkeit
groß.[103]
Ein weiteres wesentliches
Instrument für den Erfolg der nationalsozialistischen Propaganda ist die
Funktion der Sprache. Sie ist nicht nur sehr schlicht und leicht verständlich
(siehe oben), sondern in sich genau durchdacht. Dazu gehört zum Beispiel die
Vermeidung bestimmter Begriffe und die Verwendung eines sorgfältig ausgesuchten
Wortschatzes.[104] So
wurde 1939 beim Angriff auf Polen die
Anweisung gegeben, das Wort ‘Krieg’ nicht zu verwenden.[105]
Später schreibt das Lichtenfelser Tagblatt statt über Rückzugsgefechte nur über
„Abwehrerfolge“ .[106]
Vor allem bei der
Darstellung der Feinde verwendet die Propaganda häufig das Mittel der
„Ironisierung des Gegners“.[107]
So soll dessen Schwäche aufgezeigt und zugleich Hass und Aggressionen gegen ihn
geweckt werden. Ein Beispiel dafür ist ein Kommentar über den Tonnagekrieg im Lichtenfelser Tagblatt vom 2.3.42 :
Die USA stellen eine Bauziffer
von sechs Millionen Tonnen für das Jahr 1943 auf (...) Aber weniger schön
wird man es an englischen Kaminen empfinden, dass im Jahre 1941 (...) nicht
einmal eine Million BRT gebaut werden konnten.[108]
Der angesprochene Textausschnitt versucht mit seiner Ironie dem
Leser zwei Eindrücke zu vermitteln.
Zum einen werden die Briten als dumm dargestellt, andererseits weckt das Bild
vom Kamin vor dem Hintergrund von Rationalisierungsmaßnahmen oder
Arbeitsverpflichtungen, denen die
Bevölkerung ausgesetzt war, Wut und Hass gegenüber den als faul dargestellten Engländern.
Das Hauptmittel der
Propaganda ist zweifelsohne die Lüge, die zum einen aktiv als Lenkungs- und andererseits als
Vertuschungsmittel dient und deren
Wirkung Hitler schon
in „Mein Kampf“ beschrieb:
In der Größe der Lüge [liegt] immer ein gewisser Faktor des
Geglaubtwerdens (...), da die breite Masse eines Volkes (...) bei der
primitiven Einfalt ihres Gemütes einer
großen Lüge leichter zum Opfer fällt als einer kleinen, da sie selber ja wohl
manchmal im kleinen lügt, jedoch vor zu großen Lügen sich doch zu sehr schämen würde.[109]
Dies zeigt, dass die
Nationalsozialisten die Lüge nicht nur als einfaches Mittel betrachteten,
sondern sie, ihrer Wirkung bewusst, als steuerndes Element in ihre Politik mit
einbezogen. Absurde und leicht durchschaubar scheinende Darstellungen im
Lichtenfelser Tagblatt sind so gerechtfertigt. Ein anderer Aspekt ist in diesem Zusammenhang das schon angesprochene Informationsmonopol
des NS- Staates, das die Kritik- und Vergleichsmöglichkeit der Leser von langer Hand unterband. Staatliche
Autorität, Obrigkeitshörigkeit und
nationalistisches Denken machten so die Berichte glaubhaft.
Versucht man die Propaganda
zu bewerten, so kann man feststellen, dass das Propagandaministerium ausgefeilte
und durchdachte Methoden anwandte, um die
Stimmung und Meinung der Massen zu
lenken. Insgesamt agiert sie in der Phase militärischer Erfolge zu Beginn des
Krieges, mit der Kriegswende reagiert sie auf die Entwicklungen. Erst im letzen
Abschnitt verfolgt sie wieder offensiv das Ziel der Mobilisierung der
Bevölkerung.
Die Frage, inwieweit die
Propaganda Erfolg bei der Mobilisierung und Lenkung der Bevölkerung hatte, ist dagegen schwer zu beantworten. Zu
viele individuelle Faktoren wie
Einzelschicksale, Berichte von Angehörigen oder persönliche Erfahrungen, Ängste oder Ansichten sind im
Nachhinein zu berücksichtigen, als dass ein eindeutiges Urteil darüber gefällt
werden könnte, ob und wann die
Propaganda ihre Ziele erreichte.
Hans-Ulrich Thamer schreibt zum Beispiel,
dass „die Wende des Krieges (...) den letzten Beweis dafür [erbrachte],
dass der politische und materielle Erfolg des Regimes über den Erfolg der
Propaganda entschied“. [110]
Die Tatsache, dass viele sich bis
zuletzt mit Überzeugung für den NS- Staat einsetzten , zeigt aber, dass diese
Feststellung keine Allgemeingültigkeit besitzt. Wissenschaftliche
Geschichtsforschung stößt hier an ihre
Grenzen. Sie kann keine eindeutigen Antworten geben, sondern vielmehr nur
versuchen, das Problem aus möglichst vielen Blickwinkeln zu beleuchten.