Im Vergleich zu den benachbarten, relativ fundreichen Siedlungsplätzen von Eggenbach und Stadel ist die Draisdorfer Fundstelle recht karg. Mehrere Jahre intensiver Geländebegehungen erbrachten jedoch interessantes und charakteristisches Fundmaterial aus verschiedenen Zeitabschnitten der Bandkeramik. Die bescheidene Fundmenge hängt wahrscheinlich mit der geringen Größe der Siedlung und der nur zeitweiligen Belegung dieses Siedlungsplatzes zusammen.
Besonders das keramische Material ist sehr spärlich vertreten, und der Erhaltungszustand lässt oft zu wünschen übrig. Häufig ist die Oberfläche der Gefäßbruchstücke sehr verwittert und viele sind auch recht kleinteilig, so dass sich Verzierungen nur mit Mühe erkennen und rekonstruieren lassen. Der größte Teil der Keramikreste ist überhaupt ohne Verzierung.
Die Einordnung der vielen unverzierten und teilweise recht groben Scherben bereitet Schwierigkeiten, da in fast allen Phasen der Bandkeramik ornamentlose Gefäße vertreten sind. Doch aufgrund der meist derben Machart scheinen mir diese Gefäßreste eher in die Frühphase (Phase 1 + II nach W. Meier-Arendt) zu gehören
(Tafel 1;1 + 2).
Gleiches könnte auch für die groben, rotgeschlämmten Scherben mit oder ohne Griffknubben zutreffen. Meist handelt es sich bei diesen Bruchstücken um die Reste von größeren Vorratsgefäßen.
Mit großer Sicherheit zu Phase 11 gehörig ist eine größere, dickwandige Scherbe aus feinem, graugelbem Ton. Sie zeigt drei parallele, kurvig verlaufende Ritzlinien als
Ausschnitt eines dreilinigen Wellen- oder Spiralbandes
(Tafel 1; 3).
Diese Verzierungsformen, die in tiefen und breiten Furchen in die Gefäßoberfläche geritzt sind, sind typisch für die frühe Lbk (Phase 1 + II).
In den gleichen zeitlichen Rahmen einzufügen sind die vielen kleinen Gefäßbruchstücke aus schwarzgrauem Ton
(Tafel 1; 4 - 19). Bei einigen von ihnen handelt es sich um die Fragmente recht kleiner Gefäße wie z.B. Tassen oder Becher. Aufgrund ihrer geringen Größe lassen sich die geraden oder
bogigen, aus zwei oder drei parallelen Linien bestehenden Einritzungen nur schwer einem bestimmten Ornament zuordnen. (Muster mit leeren 2-3linigen Bändern treten teilweise auch noch in der nachfolgenden Phase III, der mittleren Bandkeramik, auf.)
Die Fundstelle lieferte aber auch Gefäßreste der mittleren Lbk (= Phase III nach W. Meier-Arendt)
(Tafel 2; 1
-9).
Ein charakteristisches Merkmal dieser Phase ist die Randverzierung, die auch bei einigen Scherben des Draisdorfer Fundgutes auftritt
(Tafel 2; 1, 3, 7, 9). Sie besteht aus einer einfachen oder doppelten umlaufenden Stichreihe.
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Tafel 2, Abb. 1 |
Tafel 2, Abb. 3 |
Auf zwei Scherben sind Reste des sogenannten "Leiterbandmotivs" zu erkennen. Bei dieser Verzierungsform sind die Winkelbänder oder Bogenspiralen mit Quer- oder Parallelschraffur gefüllt
(Tafel 2; 5 + 6). Ein dünnwandiges Bruchstück lässt ein schmales zweiliniges Winkelband erkennen, auch ein Ornament, das für diese Phase typisch ist
(Tafel 2; 8).
Aus dem gesamten keramischen Fundmaterial sind zwei Gefäßbruchstücke besonders herausragend. In beiden Fällen handelt es sich um größere Randstücke (von Gefäßen), die aus einzelnen Bruchstücken zusammengesetzt werden konnten
(Tafel 2; 7 + 9).
Das eine Keramikbruchstück gehört zu einem dünnwandigen Gefäß mit betonter Halsbildung
(Tafel 2; 7;
die nebenstehende Abbildung ist verkleinernd). Die Tonscherbe ist an der Oberfläche lederfarben (rotbraun) die Bruchstelle zeigt einen sehr feinen roten Ton. Der Randbereich ist mit einer einfachen Stichreihe verziert. Zwei gebogen verlaufende Ritzlinien lassen einen Ausschnitt aus einer Bogenspirale vermuten. Der Bogenausschnitt wird gegliedert durch quer zur Richtung der Ritzlinien angebrachten Stichgruppen, die das Linienband optisch in einzelne Abschnitte unterteilen. Außerhalb des Hauptmusters tritt noch als Sekundärmuster (Zwickelmuster) eine senkrechte Stichgruppe aus vier länglichen Einstichen auf. Alle genannten Zierelemente sind charakteristisch für die mittlere Lbk (Phase III). Ein vergleichbares Fundstück findet sich auch bei W. Meier-Arendt im Fundgut der Siedlung Mosbach Kr. Dieburg im Untermaingebiet.)
Das zweite, etwa handgroße Keramikstück ist wesentlich stabiler und massiver. Es hat eine durchschnittliche Dicke
(Wandung) von 8 mm und klingt im Vergleich zur üblichen weichgebrannten Keramik recht hart. Möglicherweise ist es anlässlich eines Feuers in einem Gebäude noch einmal gebrannt worden. Die Bruchkanten sind bis auf eine rezente Beschädigung durch den Pflug - stark verrundet, was darauf hinweist, dass das Gefäß bereits in zerstörtem Zustand in den Boden (Abfallgrube) gelangte.
Das Gefäßbruchstück
(Tafel 2; 9;
die nebenstehende Abbildung ist verkleinernd) besteht aus feinem, grauem Ton mit
Glimmermagerung. Seine Oberfläche zeigt etwas verwaschen, aber noch deutlich typische Zierformen. Der (obere) Randbereich ist mit einer einfachen Stichreihe verziert. Auf der rechten Seite des Scherbens sind drei kurvig verlaufende parallele Linien als Ausschnitt einer Bogenspirale oder eines Wellenbandes zu sehen. Innerhalb dieses Hauptmusters ist andeutungsweise eine Gliederung durch drei quer zum Bogenverlauf eingeritzte parallele Striche zu erkennen.
Die linke Seite der Keramikscherben trägt unten eine flache, ovale
Griffknubbe, die von zwei seitlichen Einstichen flankiert wird. In der Fläche zwischen der oberen Randverzierung und der Griffknubbe befindet sich eine schwalbenschwanzförmige Einritzung als Zwickelmuster (zwischen den großen Spiralbögen).
Auch bei diesem Gefäß ist eine Halsbildung durch den leicht nach außen gebogenen Gefäßrand vorhanden. Die Krümmung des Randausschnitts erlaubt Rückschlüsse auf die ursprüngliche Größe des Gefäßes. Demnach besaß dieses einen Mündungsdurchmesser von ca. 25 cm. Die stabile Machart, Größe und Verzierung lassen bei der Zweckbestimmung an einen Kochtopf denken. Alle genannten Zierelemente sprechen auch bei diesem Gefäß für eine Einordnung in die mittlere Linearbandkeramik (Phase III). Keramische Sonderformen wie z.B. die Reste von Tiergefäßen oder Idolen (Kultfiguren aus Ton) konnten bisher noch nicht aufgefunden werden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das keramische Fundmaterial der neolithischen Siedlung von Draisdorf aus der frühen und mittleren Linearbandkeramik (ca. 5000 - 4000 v. Chr.) stammt. Folglich hat auch in diesem Zeitraum die jungsteinzeitliche Siedlung bestanden. In den folgenden Jahrtausenden bis heute scheint der Platz dann nicht mehr besiedelt gewesen zu sein.
Der heutige Ort Draisdorf, der sich etwa 500 m südöstlich der Fundstelle befindet, wurde vermutlich in karolingischer Zeit gegründet, von diesem Ort aus wurde das neolithische Siedlungsgelände jahrhundertelang intensiv landwirtschaftlich genutzt.