Beilagen
Titel
Vorwort
Inhalt
Einleitung
1. Ursprung
2. Weimar
3. NS-System
4 Lichtenfels
4.1 Planung
4.2 Siedler
4.3 Kosten
4.4 Siedlerstelle
4.5 Leben
4.6 heute
Schluss
Quellen
Materialien

2. SIEDLUNGSPLANUNGEN IN DER WEIMARER REPUBLIK

2.1 Wohnungspolitische Programmatik

In der Weimarer Republik kam es u.a. durch die Folgen des verlorenen Krieges zu schweren Krisen (8). Vor allem aufgrund der Kriegsfinanzierung, die größtenteils auf Anleihen basierte, stieg die Inflationsrate stark an, bis es schließlich 1923 zu einer Hyperinflation kam. Dies führte zu einer besonders großen Anfälligkeit des deutschen Kreditwesens, "das in hohem Maße von zumeist kurzfristigen Auslandsanleihen abhängig war" (9). Hinzu kamen noch die hohen Reparationszahlungen v.a. an England und Frankreich. Durch die industriellen Rationalisierungsprozesse und Störungen des Welthandels entwickelte sich schon in den 20er Jahren eine strukturelle Arbeitslosigkeit. Daneben kam es zu einer extremen Verschlechterung der Lage der Landwirtschaft, da die weltweite Überproduktion zu einem Preisverfall für landwirtschaftliche Produkte führte. Diese Faktoren wurden ab 1929 von der Weltwirtschaftskrise verstärkt und führten schließlich zum Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft. Es folgte ein immenser Anstieg der Arbeitslosigkeit, die im Jahre 1932 mit 29,9 % (11) ihren Höhepunkt erreichte.

Die Auswirkungen dieser Krise trafen vor allem die Unterschicht hart. Unter anderem durch wohnungspolitische Programme versuchte der Staat den Auswirkungen der Krise entgegenzutreten mittels

'Förderung der Dezentralisierung der Städte, Umsiedlung aus der Großstadt in mehr ländliche Bezirke, Auflockerung der Bau- und Wohnweise, Förderung des Flachbaus mit Landzugabe, Nutzbarmachung zweckmäßiger und kohlesparender Baustoffe, Berücksichtigung aller nur irgend vertretbaren Ersparnismöglichkeiten, Durchsetzung eines auch in ästhetischer Beziehung den Ansprüchen und Auffassungen der Zeit genügenden Niveaus der Bebauungspläne und Hausformen"(13).

Die Bauweise und die Anlage der Siedlungen nahmen eindeutig Bezug auf die Gartenstadtideen. Im Mittelpunkt der Überlegungen stand wieder die Angst vor der Stadt. Allerdings richtete sie sich diesmal weniger gegen die zu dichte Bebauung, sondern gegen das Risiko, das die Regierung in der Zusammenballung verschiedener politischer Einstellungen auf kleinem Raum sah. Sowohl die ländlichen als auch die städtischen Siedlungen sollten einen möglichst uniformen Charakter haben, der in der Einfachheit des Baustils und der genormten Anlage der Siedlung offensichtlich wurde. Durch dieses Programm wollte man den Siedlern (z. B. Erwerbslosen und Kriegsgeschädigten) das Gefühl der sozialen Benachteiligung nehmen. Es wurde vor allem eine Senkung der Baukosten angestrebt. Mittel dazu war die "Einschränkung der Wohnansprüche" (14), die sich in einer Minderung der Wohnausstattung niederschlug. Als weitere Sparmaßnahme empfahl die Regierung den Bewohnern Selbsthilfe. Die Bevölkerung sollte in Kleinhäusern mit Landzugabe angesiedelt werden.

"Nur in einem Kleinhause mit Garten kann die Bevölkerung wieder die notwendige Verbindung mit dem Grund und Boden finden. Und nur in einem solchen Heim wird man auf die Dauer zufriedene und gesunde Familien erhalten können." (15)

2.2 Siedlungspläne unter Brüning

Unter Heinrich Brüning (1885 - 1970) als Reichskanzler erreichte die Zahl der Arbeitslosen ihren Höhepunkt. Brünings Ziel war "die Überwindung der Staatsund Wirtschaftskrise" (16) des Reiches (17). Realisiert werden sollte dies durch eine eiserne Sparpolitik, die aber zumindest kurzfristig prozyklisch wirken mußte. Er stützte sich bei dieser unpopulären Politik auf Notverordnungen des Reichspräsidenten.

1931 wurde erstmals wieder auf ministerieller Ebene im Hinblick auf Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen über die Planung für Stadtrandsiedlungen für Erwerbslose diskutiert. Die Anregung zu diesen Diskussionen ging vor allem auf den Geheimrat Stephan Poerschke zurück. Dieser formulierte die Voraussetzungen der neuen Siedlungsform folgendermaßen:

"Sie mußten die Ansetzung einer ungewöhnlich großen Zahl von Menschen möglich machen die einzelne Siedlerstelle mußte sehr billig sein, um den Siedler finanziell nur wenig zu belasten - daher war billige Landbeschaffung, billiges Baumaterial und weitestmögliche Selbsthilfe der Siedler unvermeidliches Erfordernis -, die Siedlerstelle mußte Ertrage abwerfen die mindestens die Verzinsung und Tilgung des investierten Kapitals gewährleisteten, und darüber hinaus dem Siedler einen zusätzlichen Nahrungsmittelertrag ... für seine Familie abwerfen, sie durfte keine speziellen Fachkenntnisse erfordern und mußte möglichst in leicht erreichbarer Nähe der bisherigen Wohnorte der Siedler gelegen sein" (19)

Poerschkes Pläne wurden in der Öffentlichkeit und vor dem Kabinett vom Reichsfinanzminister Hermann Dietrich vertreten. Der sogenannte "DietrichPlan" wurde gemeinsam mit dem von Adam Stegerwald (Mitglied des Kabinetts Brüning) geförderten Programm für ländliche Siedlungen ab September 1931 im Kabinett diskutiert. Allerdings kam es vorerst nicht zu einer Einigung zwischen den Vertretern der beiden Programme, da jeder eine Förderung seines Siedlungsplanes verlangte.

"Das Reichsarbeitsministerium hatte inzwischen ein weiteres Siedlungsprogramm ausgearbeitet" (20), das wiederum der ländlichen Siedlung den Vorzug gab. Schließlich kam es doch noch zu einer Einigung, die in der Notverordnung vom 6.10.1931 ihre Verwirklichung fand. (21) Dort legte man folgendes fest:

  • die finanzielle Förderung durch das Reich,

  • die zentrale Organisation durch den Reichskommissar,

  • die Nutzung von Siedlungsland öffentlich-rechtlicher Körperschaften,

  • die persönliche Eignung und das Prinzip der Selbsthilfe der Siedler,

  • die Möglichkeit der Eigentumsbildung in Siedlerhand. (22)

Das Siedlungsprogramm sollte "aus Hauszinssteuermitteln" (23) finanziert und so schnell wie möglich durchgesetzt werden, um den Erwerbslosen eine Möglichkeit zu geben, "für ihr eigenes Wohl zu arbeiten" (24). Es erhielt großen Zuspruch in der Öffentlichkeit (siehe auch Tab. Siedlungspolitik des Deutschen Reiches 1927-1938, Kap. 3.1).



Anmerkungen

(8) v g1. Harlander/ Hater/ Meiers, 1988, 1.1
(9) ebd., S. 20
(10) ebd.
(11) Berg/ Selbmann, 1987, S. 75; verändert zit. nach Michalka Wolfgang / Niedhart Gottfried (Hrsg.): Die ungeliebte Republik. Dokumente zur Innen- und Außenpolitik Weimars 1918?1933, München 1980, S. 412
(12) vgl. Peltz/Dreckmann, 1978, S. 62 ff.
(13) Peltz/Dreckmann, 1978, S. 62 f., zit. nach Glas, Krüger, Gut, a.a.0., S. 115 f.
(14) Peltz/Dreckmann, 1978, S. 64, zit. nach Herbert Heide, Baulandbevorratung als Voraussetzung planmäßiger Siedlungstätigkeit, in: Sera him Hans Jürgen, (Hrsg)., Heimstättenarbeit in Westfalen..., S. 69
(15) ebd. S. 64, zit. nach Glas/ Krüger/ Gut, a.a.0., S. 115 f.
(16) Berg/ Selbmann, 1987 S. 83
(17) vgl. Harlander/ Hater/ Meiers, 1988, S. 27 ff., Peltz/Dreckmann 1978, S. 80 ff.
(18) Schulze Hagen, Staatsfeindliche und staatstragende Parteien 1919-1933, Weimar/ Berlin 1983, Vorsatzblatt
(19) Harlander/ Hater/, Meiers/, 1988, S. 27
(20) ebd., S. 37
(21) vgl. Harlander/ Hater/ Meiers, 1988, S. 68 ff.
(22) ebd., S. 68 f.
(23) ebd., S. 68
(24) ebd., S. 69, zit. nach Bauwelt 1931, S. 1320